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kapitel 1 - adamas.ai

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aber wahrscheinlich war sie jetzt schon halbwegs in L.A., mit kaputten Fingern und nicht in der Lage, irgendwas<br />

zu tippen. Ich kitzelte wieder ihr Telefon.<br />

Die Jungs überredeten mich, mich für einen Moment aufs Ohr zu legen, und einen kurzen, peinlichen Moment<br />

lang wurde ich völlig paranoid und dachte, was, wenn diese Jungs mich ausliefern wollten, während ich schliefe?<br />

Natürlich war das idiotisch – sie hätten mich genauso einfach verpfeifen können, während ich wach war.<br />

Ich konnte einfach nicht damit umgehen, dass sie so viel von mir hielten. Rein vom Kopf her hatte ich gewusst,<br />

dass es Leute gab, die bereit waren, M1k3y zu folgen. Ein paar von denen hatte ich heute früh getroffen, als sie<br />

– Beißen Beißen Beißen – übers Civic Center hergefallen waren. Aber diese beiden waren persönlicher. Sie waren<br />

einfach nur nette, bisschen trottelige Kerle, die damals in den Tagen vor dem Xnet durchaus meine Freunde hätten<br />

sein können, einfach zwei Kumpel, mit denen man Teenager-Abenteuer hätte bestehen können. Und sie hatten<br />

sich freiwillig zu einer Armee gemeldet, zu meiner Armee. Ich war ihnen gegenüber verantwortlich. Auf sich<br />

selbst gestellt, würden sie früher oder später geschnappt werden. Sie waren zu vertrauensselig.<br />

„Jungs, hört mir mal einen Moment zu. Ich muss mit euch über was Ernstes reden.“ Fast standen sie in Habacht-<br />

Stellung. Wäre es nicht so finster gewesen, hätte ichs komisch gefunden.<br />

„Okay, es geht um Folgendes. Jetzt, da ihr mir geholfen habt, ist es wirklich gefährlich. Wenn ihr geschnappt werdet,<br />

werde ich geschnappt. Sie werden alles aus euch rauskriegen, was ihr wisst …“ – ich hob die Hand, um ihre<br />

Proteste abzuwehren. „Nein, ehrlich. Ihr habt es noch nicht durchgemacht. Jeder redet. Jeder zerbricht. Wenn ihr<br />

also jemals geschnappt werdet, dann erzählt ihnen sofort alles, was ihr wisst, so schnell ihr könnt. Sie bekommen<br />

es irgendwann doch raus. So arbeiten die nun mal.<br />

Aber ihr werdet nicht geschnappt werden, und zwar deshalb: Ihr seid jetzt keine Jammer mehr. Ihr seid vom<br />

aktiven Dienst befreit. Ihr seid jetzt …“, ich fischte in meinem Gedächtnis nach Schlagworten aus Spionagethrillern,<br />

„ihr seid jetzt eine Schläferzelle. Zieht euch zurück, verhaltet euch wieder wie normale Kids. Irgendwie, ich<br />

weiß noch nicht, wie, werde ich diese Sache knacken, voll und ganz, ich werde sie zu einem Ende bringen. Oder<br />

sie knackt mich und erledigt mich endgültig. Wenn ihr nicht innerhalb von 72 Stunden von mir hört, dann geht<br />

davon aus, dass sie mich geschnappt haben. Dann könnt ihr tun, was immer ihr wollt. Aber die nächsten drei Tage<br />

– und für immer, wenn ich das erledige, was ich erledigen will – haltet euch bitte raus. Versprecht ihr mir das?“<br />

Sie versprachen es mit heiligem Ernst. Dann erlaubte ich ihnen, mich in einen Dämmerschlaf zu plappern, aber<br />

ließ sie schwören, mich einmal pro Stunde zu wecken, damit ich Mashas Handy kitzeln und nachschauen konnte,<br />

ob mir Zeb schon geantwortet hatte.<br />

x<br />

Der Treffpunkt war in einem BART-Waggon, was mich nervös machte. Die Dinger sind voll von Kameras. Aber<br />

Zeb wusste, was er tat. Er ließ mich in den letzten Waggon eines bestimmten Zuges einsteigen, der zu einer Uhrzeit<br />

von Powell Street Station abfuhr, zu der die Leute dicht an dicht standen. Er näherte sich mir in der Masse, und<br />

die guten Pendler von San Francisco machten ihm etwas Platz, die Sorte Freiraum, die man immer um Obdachlose<br />

herum beobachtet.<br />

„Schön, dich wieder zu sehen“, murmelte er, das Gesicht auf den Eingang gerichtet. Im dunklen Glas konnte ich<br />

erkennen, dass niemand dicht genug war, um uns belauschen zu können, zumindest nicht ohne ein Hochleistungs-<br />

Richtmikrofon; und wenn sie genug wussten, um mit so einem hier aufzukreuzen, dann waren wir sowieso schon<br />

tot.<br />

„Dich auch, Bruder“, antwortete ich. „Ich, es … es tut mir Leid, weißt du?“<br />

„Klappe. Muss dir nicht Leid tun. Du warst mutiger, als ich es bin. Bist du jetzt bereit, in den Untergrund zu gehen?<br />

Bereit zu verschwinden?“<br />

„Was das angeht …“<br />

„Ja?“<br />

„Das ist nicht der Plan.“<br />

„Oh“, sagte er.<br />

„Hör mal, okay? Ich habe … ich habe Bilder und Video. Sachen, die echt was beweisen.“ Ich griff in meine Tasche<br />

und befingerte mal wieder Mashas Handy. Ich hatte auf dem Weg hierher in Union Square ein Ladegerät gekauft<br />

und war in einem Café lange genug sitzen geblieben, bis die Batterieanzeige wieder bei vier von fünf Strichen war.<br />

Cory Doctorow: Little Brother x

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