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kapitel 1 - adamas.ai

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Dann hatte ichs. Das Verbindungskabel zwischen Tastatur und M<strong>ai</strong>nboard saß nicht richtig drin. Das war merkwürdig.<br />

Auf diesem Teil lastete kein Zug, da war nichts, das es im normalen Betrieb hätte verschieben können.<br />

Ich versuchte es wieder richtig reinzudrücken und entdeckte, dass der Stecker nicht bloß schief drinsaß – da war<br />

irgendwas zwischen ihm und dem M<strong>ai</strong>nboard. Ich holte es mit der Pinzette raus und leuchtete es an.<br />

Das war was Neues in meiner Tastatur. Ein kleines Bröckchen Hardware, nur gut einen Millimeter dick, ohne Kennzeichnung.<br />

Das Keyboard war daran angeschlossen, und es selbst war ans M<strong>ai</strong>nboard angestöpselt. Mit anderen<br />

Worten: Es war am genau richtigen Platz, um alle Tastatureingaben aufzuzeichnen, während ich an der Maschine<br />

tippte.<br />

Es war eine Wanze.<br />

Mein Herz pochte bis zu den Ohren. Es war dunkel und ruhig im Haus, aber es war keine beruhigende Dunkelheit.<br />

Da draußen waren Augen, Augen und Ohren, und die beobachteten mich. Überwachten mich. Die Überwachungsmaßnahmen<br />

aus der Schule waren mir bis nach Hause gefolgt, aber dieses Mal schaute mir nicht nur die Schulbehörde<br />

über die Schulter: Die Heimatschutzbehörde war jetzt auch dabei.<br />

Fast hätte ich die Wanze rausgenommen. Dann fiel mir ein, dass derjenige, der das Ding eingebaut hatte, merken<br />

würde, wenn es nicht mehr drin war. Mir wurde übel dabei, aber ich ließ es drin.<br />

Ich schaute rum, ob mir noch mehr Eingriffe auffielen. Ich fand sonst nichts, aber bedeutete das auch, dass wirklich<br />

nichts da war? Jemand war in mein Zimmer eingedrungen und hatte dieses Gerät installiert – er hatte meinen<br />

Laptop zerlegt und wieder zusammengebaut. Es gab noch etliche andere Möglichkeiten, einen Computer anzuzapfen.<br />

Die würde ich niemals alle finden.<br />

Mit tauben Fingern baute ich die Maschine wieder zusammen. Dieses Mal ließ sich nicht nur das Gehäuse sauber<br />

schließen, sondern das Stromkabel blieb auch drin. Ich fuhr den Rechner hoch und war schon mit den Fingern auf<br />

der Tastatur, um ein paar Prüfungen laufen zu lassen und die Dinge zu sortieren.<br />

Aber ich konnte es nicht.<br />

Verdammt, vielleicht war mein ganzes Zimmer verwanzt. Vielleicht spähte mich grade eine Kamera aus.<br />

Als ich heimkam, hatte ich mich schon paranoid gefühlt. Aber jetzt war ich völlig neben der Spur. Ich fühlte mich<br />

so, als ob ich wieder im Knast wäre, wieder im Befragungszimmer, verfolgt von Mächten, die mich vollständig<br />

unter Kontrolle hatten. Fast fing ich wieder an zu weinen.<br />

Nur noch dieses eine.<br />

Ich ging ins Badezimmer, nahm die Klopapierrolle raus und setzte eine neue ein. Zum Glück war die alte sowieso<br />

fast leer. Ich rollte den Rest Papier ab und kramte in meiner Teilekiste, bis ich den kleinen Plastikumschlag mit den<br />

ultrahellen weißen LEDs gefunden hatte, die ich aus einer kaputten Fahrradleuchte ausgebaut hatte. Vorsichtig<br />

drückte ich ihre Anschlüsse durch die Plastikröhre, nachdem ich mit einer Nadel passende Löcher gemacht hatte;<br />

dann holte ich Draht und schaltete sie alle mit kleinen Metallklammern in Reihe. Die Kabelenden bog ich passend<br />

zurecht und schloss sie an eine 9-Volt-Batterie an. Jetzt hatte ich eine Röhre mit einem Ringlicht aus ultrahellen,<br />

gerichteten LEDs, die ich vors Auge halten und durchschauen konnte.<br />

So eine hatte ich letztes Jahr als Projektbeitrag zur Wissenschafts-Messe gebaut, und man hatte mich aus der Ausstellung<br />

geworfen, nachdem ich gezeigt hatte, dass in der Hälfte aller Klassenzimmer in Chavez High versteckte<br />

Kameras installiert waren. Stecknadelkopfgroße Videokameras kosten heutzutage weniger als ein gutes Abendessen<br />

im Restaurant, deshalb tauchen sie an allen Ecken und Enden auf. Tückische Ladenangestellte installieren<br />

das Zeug in Umkleidekabinen oder Sonnenstudios und werden spitz von dem Zeug, das ihnen da von den Kunden<br />

präsentiert wird; manchmal laden sies auch bloß ins Internet hoch. Zu wissen, wie man aus einer Klopapierrolle<br />

und Kleinteilen für drei Dollar einen Kameradetektor baut, ist einfach nur vernünftig.<br />

Das ist die einfachste Methode, eine Schnüffelkamera zu erwischen. Die haben zwar winzige Objektive, reflektieren<br />

aber trotzdem wie Sau. Am besten funktioniert das in einem abgedunkelten Zimmer: Guck durch die Röhre<br />

und such langsam die Wände ab und all die anderen Orte, wo jemand eine Kamera versteckt haben könnte, bis du<br />

den Hauch einer Reflexion siehst. Wenn die Reflexion da bleibt, wenn du dich bewegst, ist es ein Objektiv.<br />

In meinem Zimmer war keine Kamera – zumindest keine, die ich erkennen konnte. Audio-Wanzen hätten natürlich<br />

trotzdem da sein können. Oder bessere Kameras. Oder gar nichts. Kann ich was dafür, dass ich Paranoia<br />

entwickelte?<br />

Cory Doctorow: Little Brother x

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