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kapitel 1 - adamas.ai

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„Die kommen ja bloß damit durch, weil die Normalen sich für was Besseres halten als die Unnormalen. Wenn sie<br />

jeden rauswinken würden, das wär eine Katastrophe. Niemand würde mehr irgendwo hinkommen, alle würden<br />

bloß noch drauf warten, von den Bullen verhört zu werden. Der totale Stau.“<br />

Wow.<br />

„Van, du bist echt genial“, sagte ich.<br />

„Erzähl mir mehr davon“, antwortete sie. Sie lächelte abwesend und blickte mich durch halb geschlossene Augen<br />

an, dass es fast schon romantisch war.<br />

„Ehrlich. Wir können das schaffen. Wir können die Profile ganz einfach durcheinanderbringen. Leute rauswinken<br />

zu lassen ist kein Problem.“<br />

Sie setzte sich auf, wischte ihr Haar aus dem Gesicht und sah mich an. Ich spürte einen kleinen Hüpfer im Bauch,<br />

weil ich dachte, sie sei schwer beeindruckt von mir.<br />

„Wir brauchen bloß RFID-Kloner“, sagte ich. „Und das ist total einfach. Wir müssen bloß die Firmware auf einen<br />

Zehn-Dollar-Leser von Radio Shack flashen. Dann laufen wir rum und vertauschen wahllos die Marker irgendwelcher<br />

Leute und überschreiben ihre Fast Passes und FasTraks mit den Codes von anderen Leuten. Dann sieht jeder<br />

plötzlich ziemlich merkwürdig aus, und ziemlich kriminell. Und schwupp: der totale Stau!“<br />

Van verzog die Lippen und setzte die Sonnenbrille wieder auf; ich merkte, dass sie so wütend war, dass sie kein<br />

Wort rausbrachte.<br />

„Machs gut, Marcus“, sagte sie und stand auf. Ehe ich mich versah, ging sie davon – so schnell, dass sie fast rannte.<br />

„Van“, rief ich, sprang auf und stürzte hinter ihr her. „Van! Warte doch!“ Sie legte noch einen Zahn zu, und ich<br />

musste rennen, um ihr zu folgen.<br />

„Van, was zum Teufel soll das?“, sagte ich und schnappte sie am Arm. Sie riss ihn so heftig weg, dass ich mir selbst<br />

ins Gesicht schlug.<br />

„Du bist völlig durchgeknallt, Marcus. Du bringst all deine kleinen Xnet-Kumpel in Lebensgefahr, und außerdem<br />

willst du die ganze Stadt in Terrorverdächtige verwandeln. Kannst du nicht aufhören, bevor du den Leuten<br />

wehtust?“<br />

Ich machte den Mund ein paarmal auf und zu. „Van, ich bin nicht das Problem, die sind es. Ich verhafte schließlich<br />

keine Leute, steck sie in den Knast und lass sie verschwinden. Die Heimatschutzbehörde, die tut das. Und ich<br />

kämpfe dagegen, um sie aufzuhalten.“<br />

„Aber wie, wenn dus doch nur schlimmer machst?“<br />

„Vielleicht muss es ja erst schlimmer werden, bevor es besser wird, Van. Wars nicht das, was du meintest? Wenn<br />

jetzt jeder rausgewunken würde …“<br />

„Das hab ich aber nicht gemeint. Ich hab nicht gemeint, dass du dafür sorgen sollst, dass sie jeden verhaften. Wenn<br />

du protestieren willst, dann geh doch zur Protestbewegung. Mach irgendwas Positives. Hast du denn überhaupt<br />

nichts von Darryl gelernt? Gar nichts?“<br />

„Du hast verdammt Recht“, sagte ich, schon halb aus der Fassung. „Ich hab gelernt, dass man denen nicht trauen<br />

kann. Dass jeder ihnen hilft, der sie nicht bekämft. Und dass sie das Land in einen Knast verwandeln, wenn wir sie<br />

nur lassen. Und was hast du gelernt, Van? Immer nur ängstlich zu sein, stillzusitzen und den Mund zu halten und<br />

zu hoffen, dass dich keiner bemerkt? Glaubst du, das wird noch mal besser? Wenn wir nichts unternehmen, dann<br />

ist das das Beste, was wir noch zu erwarten haben. Dann wirds in Zukunft immer nur noch schlimmer werden.<br />

Willst du Darryl helfen? Dann hilf mir, die zu stoppen!“<br />

Da war er wieder, mein Schwur. Nicht Darryl zu befreien, sondern das gesamte DHS in die Knie zu zwingen. Dass<br />

das Wahnsinn war, wusste ich selbst nur zu gut. Aber es war genau das, was ich zu tun gedachte, da gabs gar kein<br />

Vertun.<br />

Van schubste mich mit beiden Händen grob von sich. Sie hatte mächtig Kraft vom Schulsport – Fechten, Lacrosse,<br />

Hockey, all diese Mädchenschul-Sportarten –, und ich landete mit dem Hintern auf dem grässlichen San Franciscoer<br />

Bürgersteig. Sie verschwand, und ich folgte ihr nicht.<br />

x<br />

> Der entscheidende Aspekt bei Sicherheitssystemen ist nicht, wie sie arbeiten, sondern wie sie versagen.<br />

Cory Doctorow: Little Brother x

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