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kapitel 1 - adamas.ai

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Dann blendete ich die Bilder von Johnstones Verhaftung ein. „Als man sie verhaftete, glaubte ich, wir würden<br />

Gerechtigkeit erfahren. All die Menschen, die sie brach und die verschwunden sind. Aber der Präsident …“ –<br />

Schnitt zu einem Foto, das ihn während eines seiner vielen Urlaube lachend beim Golfspielen zeigte – „… und sein<br />

Chefstratege …“ – jetzt ein Bild von Rooney beim Händeschütteln mit einem berüchtigten Terroristenführer, der<br />

mal auf „unserer“ Seite war – „… haben interveniert. Sie schickten sie vor ein geheimes Militärtribunal, das sie nun<br />

freigesprochen hat. Irgendwie sah man dort wohl nichts Falsches an all dem.“<br />

Ich schnitt eine Fotomontage aus den Hunderten von Porträts von Gefangenen in ihren Zellen dazu, die Barbara<br />

am Tag unserer Freilassung auf der Website des Bay Guardian veröffentlicht hatte. „Wir haben diese Menschen<br />

gewählt. Wir bezahlen ihre Gehälter. Sie sollten auf unserer Seite sein. Sie sollten unsere Freiheiten verteidigen.<br />

Aber diese Menschen …“ – eine Reihe von Bildern von Johnstone und den Anderen, die vor das Tribunal gesandt<br />

worden waren – „haben unser Vertrauen verraten. Bis zur Wahl sind es noch vier Monate. Das ist eine lange Zeit.<br />

Genug für euch, loszugehen und fünf von euren Nachbarn zu finden – fünf Leute, die das Wählen aufgegeben<br />

haben, weil ihre Wahl lautet ‚keiner der Obengenannten‘.<br />

Redet mit euren Nachbarn. Lasst euch versprechen, dass sie zur Wahl gehen, lasst sie versprechen, dass sie sich<br />

das Land von den Folterknechten und Verbrechern zurückholen. Von den Leuten, die über meine Freunde lachten,<br />

als diese in ihrem nassen Grab am Grunde des Hafens lagen. Und lasst euch versprechen, dass sie ebenfalls mit<br />

ihren Nachbarn sprechen.<br />

Die meisten von uns wählen ‚keiner der Obengenannten‘. Aber das funktioniert nicht. Ihr müsst wählen – die Freiheit<br />

wählen.<br />

Mein Name ist Marcus Yallow. Ich bin von meinem Land gefoltert worden, aber ich bin immer noch sehr gern hier.<br />

Ich bin siebzehn Jahre alt. Ich möchte in einem freien Land aufwachsen. Ich möchte in einem freien Land leben.“<br />

Ich blendete zum Logo unserer Website aus. Die hatte Ange mit Jolus Hilfe aufgebaut, der uns bei Pigspleen so viel<br />

freien Speicherplatz besorgte, wie wir nur wollten.<br />

Das Büro war ein interessanter Ort. Offiziell hießen wir „Wählerkoalition für ein freies Amerika“, aber alle Welt<br />

nannte uns die Xnetter. Die Organisation, ein gemeinnütziges Non-Profit-Unternehmen, war von Barbara und einigen<br />

befreundeten Anwälten gleich nach der Befreiung von Treasure Island gegründet worden. Die Anschubfinanzierung<br />

hatten ein paar Technologie-Milliardäre übernommen, die es unglaublich fanden, dass eine Horde Hacker-<br />

Kids das DHS in den Arsch getreten hatten. Manchmal baten sie uns, die Peninsula runter nach Sand Hill Road zu<br />

kommen, wo all die Risikokapitalgeber saßen, um eine kleine Präsentation der Xnet-Technik zu halten. Es gab<br />

ungefähr eine Zillion Start-Ups, die aus dem Xnet Kapital schlagen wollten.<br />

Wie auch immer – ich musste mich um all das nicht kümmern, und ich hatte einen Schreibtisch und ein Büro mit<br />

einer Ladenfront mitten auf Valencia Street, wo wir ParanoidXBox-CDs unter die Leute brachten und Workshops<br />

zum Bau besserer WLAN-Antennen veranstalteten. Eine erstaunliche Zahl gewöhnlicher Leute schaute bei uns vorbei,<br />

um Spenden zu bringen, sowohl Hardware (ParanoidLinux läuft auf so ziemlich allem, nicht bloß auf der Xbox<br />

Universal) als auch Bargeld.<br />

Unser Masterplan war, im September, rechtzeitig vor der Wahl, unser eigenes ARG zu starten und das Spiel möglichst<br />

eng daran zu binden, dass sich Leute in die Wählerverzeichnisse eintragen ließen und zur Wahl gingen.<br />

Nur 42 Prozent der Amerikaner waren bei der vorigen Wahl an den Urnen erschienen – Nichtwähler waren in<br />

der großen Mehrheit. Ich hatte Darryl und Van schon mehrfach zu unseren Planungssitzungen eingeladen, aber<br />

sie hatten immer wieder abgesagt. Sie verbrachten eine Menge Zeit miteinander, und Van bestand darauf, dass es<br />

nichts Romantisches war. Darryl wollte überhaupt nicht viel mit mir reden, aber er schickte mir lange E-M<strong>ai</strong>ls über<br />

so ziemlich alles, das nichts mit Van, Terrorismus oder dem Knast zu tun hatte.<br />

Ange drückte meine Hand. „Gott, wie ich diese Frau hasse“, sagte sie.<br />

Ich nickte. „Bloß eine weitere Fuhre Mist, die dieses Land über dem Irak auskippt“, sagte ich. „Ich glaube, wenn<br />

sie die in meine Stadt schicken würden, ich würde ein Terrorist werden.“<br />

„Du bist ein Terrorist geworden, als sie sie in deine Stadt geschickt haben.“<br />

„Das stimmt“, sagte ich.<br />

„Gehst du am Montag zur Anhörung von Ms. Galvez?“<br />

„Unbedingt.“<br />

x Cory Doctorow: Little Brother

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