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kapitel 1 - adamas.ai

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investigative Reporterin musste manchmal ein ganz schöner Scheißjob sein. Wahrscheinlich waren eine Million<br />

Leute heiß drauf, dass sie sich ihrer Fälle annahm.<br />

Mom nickte mir zu. Obwohl ich die Story in dieser Nacht schon drei Mal erzählt hatte, ging sie mir dieses Mal nicht<br />

so leicht über die Lippen. Das hier war was anderes, als es meinen Eltern zu erzählen. Es war auch was anderes, als<br />

es Darryls Vater zu erzählen. Das hier, das würde dem Spiel eine völlig neue Wendung geben.<br />

Ich fing langsam an und beobachtete Barbara dabei, wie sie sich Notizen machte. Ich trank eine ganze Tasse Kaffee<br />

nur während der Erklärung, was ARG war und wie ich zum Spielen aus der Schule rauskam. Mom, Dad und<br />

Mr. Glover hörten dabei besonders aufmerksam zu. Ich schenkte mir eine zweite Tasse ein und trank sie über<br />

dem Bericht unserer Festnahme aus. Als ich mit der kompletten Geschichte durch war, hatte ich die Kanne leer<br />

gemacht und hatte Druck auf der Blase wie ein Rennpferd.<br />

Ihr Badezimmer war genauso puristisch wie das Wohnzimmer, und es gab braune Öko-Seife, die wie reiner<br />

Schlamm roch. Ich kam wieder zurück und sah die Augen aller Erwachsenen auf mir ruhen.<br />

Dann erzählte Mr. Glover seine Geschichte. Er konnte nichts darüber berichten, was passiert war, aber er erzählte,<br />

dass er ein Veteran sei und sein Sohn ein guter Junge. Er sprach darüber, wie er sich gefühlt hatte, als er annehmen<br />

musste, dass sein Sohn tot war, und wie seine Ex-Frau einen Zusammenbruch erlitten hatte und in die Klinik<br />

kam. Er weinte ein wenig und schämte sich nicht dafür, wie die Tränen über sein zerfurchtes Gesicht liefen und<br />

den Kragen seiner Ausgehuniform benetzten.<br />

Als alles gesagt war, verschwand Barbara in einem anderen Zimmer und kam mit einer Flasche irischem Whiskey<br />

zurück. „Ein 15-jähriger Bushmills, im Rum-Fass gelagert“, sagte sie, während sie vier kleine Gläser hinstellte.<br />

Keins für mich. „Dieser hier wird seit zehn Jahren nicht mehr verkauft. Ich glaube, dies ist wohl ein angemessener<br />

Moment, ihn anzubrechen.“<br />

Sie goss allen ein kleines Gläschen ein, hob ihres, nippte daran und leerte es zur Hälfte. Die anderen taten es ihr<br />

nach. Sie tranken nochmals und leerten die Gläser. Sie goss ihnen neu ein.<br />

„Also“, begann sie. „Im Moment kann ich euch folgendes sagen: Ich glaube euch. Nicht nur, weil ich dich kenne,<br />

Lillian. Die Story klingt schlüssig und fügt sich in einige andere Gerüchte ein, die mir zugetragen wurden. Aber es<br />

wird nicht reichen, mich allein auf euer Wort zu verlassen. Ich werde jeden einzelnen Aspekt dieser Sache recherchieren<br />

müssen und jedes kleine Teilchen eures Lebens und eurer Geschichte. Ich muss wissen, ob es irgendetwas<br />

gibt, das ihr mir noch nicht erzählt habt und das dazu dienen könnte, euch zu diskreditieren, nachdem diese Sache<br />

ans Licht kommt. Ich brauche alles. Es könnte Wochen dauern, bevor ich etwas veröffentlichen kann.<br />

Ihr müsst auch an eure Sicherheit denken und an die Sicherheit dieses Darryl. Wenn er wirklich eine ‚Unperson‘<br />

ist, dann könnte jeder Druck, den wir auf das DHS ausüben, dazu führen, dass sie ihn sehr weit weg bringen, zum<br />

Beispiel nach Syrien. Sie könnten auch etwas noch viel Schlimmeres tun.“ Sie ließ das so in der Luft hängen. Ich<br />

wusste, dass sie meinte, sie könnten ihn töten.<br />

„Ich werde jetzt diese Nachricht einscannen. Und ich brauche Fotos von euch beiden, jetzt gleich und später.<br />

Wir können noch einen Fotografen rumschicken, aber ich will alles heute Nacht schon möglichst sorgfältig<br />

dokumentieren.“<br />

Ich ging mit in ihr Büro, um zu scannen. Ich hatte einen schicken Kleincomputer erwartet, der zur Einrichtung<br />

passte, aber tatsächlich war ihr kombiniertes Schlaf- und Arbeitszimmer gerammelt voll mit High-End-Rechnern,<br />

großen Flachbildschirmen und einem Monster-Scanner, mit dem man eine ganze Zeitungsseite auf einmal einlesen<br />

konnte. Und mit all dem ging sie sehr souverän um. Mit einiger Befriedigung registrierte ich, dass sie mit Paranoid-<br />

Linux arbeitete. Diese Lady nahm ihren Job ernst.<br />

Die Computerlüfter sorgten schon für sehr effektive Geräuschunterdrückung, dennoch schloss ich die Tür und<br />

trat nah an sie heran.<br />

„Barbara?“<br />

„Ja?“<br />

„Was Sie vorhin gesagt haben, über Dinge, die geeignet wären, mich zu diskreditieren …“<br />

„Ja?“<br />

„Was ich Ihnen erzähle: Man kann Sie doch nicht zwingen, das jemandem weiterzuerzählen?“<br />

„Theoretisch schon. Aber sagen wir so: Ich bin schon zwei Mal ins Gefängnis gegangen, statt einen Informanten<br />

preiszugeben.“<br />

x Cory Doctorow: Little Brother

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