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kapitel 1 - adamas.ai

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Genau genommen wars so übel, dass ich überhaupt nichts tun konnte. Jedes Mal, wenn ich die Hand vom Stromkabel<br />

nahm, verlor es den Kontakt, und der Computer fing wieder an, über den Akku zu meckern. Das musste ich<br />

mir mal genauer ansehen.<br />

Das gesamte Computergehäuse war ganz leicht in sich verschoben, die Nahtstelle war vorn dicht und ging in<br />

einem gleichmäßigen Winkel nach hinten auseinander.<br />

Manchmal schaust du dir ja irgendein Gerät an und entdeckst irgendwas, und dann fragst du dich, ob das immer<br />

schon so war. Vielleicht ist es dir ja bloß nie aufgefallen.<br />

Aber bei meinem Laptop konnte das nicht sein. Den hatte ich immerhin selbst gebaut. Nachdem die Schulbehörde<br />

uns alle mit SchulBooks ausstaffiert hatte, hätten meine Eltern mir nie und nimmer noch einen eigenen Computer<br />

gekauft, obwohl das SchulBook ja streng genommen nicht mir gehörte, und auf dem sollte ich ja keine Software<br />

installieren oder es sonstwie tunen.<br />

Aber ich hatte was gespart – hier und da mal ein Job, Weihnachten, Geburtstage, ein bisschen cleveres Ebaying.<br />

Wenn man das alles zusammenlegte, war es genug Geld, eine total schrottige, fünf Jahre alte Mühle zu kaufen.<br />

Also bauten Darryl und ich uns selbst einen. Laptopgehäuse kann man genauso kaufen wie Desktop-Gehäuse,<br />

allerdings sind sie schon etwas spezieller als 08/15-PCs. Ein paar Rechner hatte ich mit Darryl über die Jahre schon<br />

zusammengeschraubt, indem wir Teile von Cr<strong>ai</strong>gslist und Garagenverkäufen und superbilligen t<strong>ai</strong>wanesischen<br />

Online-Händlern zusammentrugen. Also dachte ich, einen Laptop zu bauen wäre der beste Weg, zu einem Preis,<br />

den ich mir leisten konnte, die Leistung zu bekommen, die ich haben wollte.<br />

Wenn du einen Laptop bauen willst, fängt es damit an, dass du ein „Barebook“ bestellst – ein Gehäuse mit einem<br />

Minimum an Hardware drin und mit allen wichtigen Einschüben. Und das Gute war, dass ich letztlich einen Rechner<br />

hatte, der ein ganzes Pfund leichter war als der Dell, den ich im Auge gehabt hatte, schneller war und nur ein<br />

Drittel dessen kostete, was ich für den Dell gelöhnt hätte. Das Schlechte war, dass Laptopbauen was von Flaschenschiffbauen<br />

hat. Es ist total frickelig, man braucht ne Pinzette und eine Lupenbrille, wenn man versucht, all das<br />

Zeug in dem kleinen Gehäuse unterzubringen. Im Gegensatz zu einem normal großen Rechner, der ja hauptsächlich<br />

aus Luft besteht, wird jeder Kubikmillimeter Raum in einem Laptop tatsächlich gebraucht. Jedes Mal, wenn<br />

ich dachte, jetzt hätte ichs, versuchte ich die Kiste zuzuschrauben und merkte dann, dass da immer noch irgendwas<br />

war, das das Gehäuse daran hinderte, sich komplett schließen zu lassen, und dann gings wieder zurück ans<br />

Zeichenbrett.<br />

Von daher wusste ich ganz genau, wie die Nahtstelle meines Laptops aussehen musste, wenn das Ding zu war; und<br />

so durfte sie ganz sicher nicht aussehen.<br />

Ich wackelte also weiter am Netzadapter, aber es hatte keinen Zweck. Ich würde die Kiste nicht sauber zum Booten<br />

bringen, ohne sie einmal auseinanderzuschrauben. Ich stöhnte und stellte den Laptop neben das Bett. Darum<br />

würde ich mich morgen früh kümmern.<br />

x<br />

So weit zur Theorie, haha … Zwei Stunden später starrte ich immer noch an die Decke und ließ die Filme in<br />

meinem Kopf ablaufen, was sie mit mir gemacht hatten, was ich hätte tun sollen, jede Menge Bedauern und „esprit<br />

d’escalier“.<br />

Ich wälzte mich aus dem Bett. Inzwischen wars Mitternacht, und ich hatte um elf gehört, wie meine Eltern in die<br />

Falle krochen. Ich schnappte mir den Laptop, schaufelte etwas Platz auf dem Schreibtisch frei, klippte kleine LED-<br />

Lampen an den Seiten meiner Vergrößerungsbrille an und holte einen Satz kleiner Präzisionsschraubendreher.<br />

Eine Minute später hatte ich das Gehäuse geöffnet und blickte auf die Eingeweide meines Laptops. Ich holte eine<br />

Dose Druckluft, pustete den Staub weg, den der Lüfter reingesogen hatte, und schaute alles durch.<br />

Irgendwas stimmte nicht. Ich konnte nicht genau sagen, was, aber schließlich wars ja auch schon Monate her,<br />

dass ich den Deckel von diesem Ding runterhatte. Zum Glück war ich beim dritten Mal Auf- und mühsamem<br />

Wiederzumachen schlauer geworden. Ich hatte ein Foto des Innenlebens gemacht mit allem an seinem richtigen<br />

Platz. So richtig schlau war ich aber noch nicht: Zuerst hatte ich das Foto bloß auf der Festplatte gelassen, und da<br />

kam ich natürlich nicht ran, wenn ich den Laptop zerlegt hatte. Aber dann hatte ichs ausgedruckt und irgendwo<br />

in meinem Wust von Papieren versenkt, diesem Friedhof toter Bäume, wo ich alle Garantieunterlagen und Schaltdiagramme<br />

deponierte. Ich blätterte den Stapel durch – irgendwie sah er unordentlicher aus, als ich ihn in Erinnerung<br />

hatte – und holte mein Foto raus. Das legte ich neben den Computer, dann versuchte ich meine Augen auf<br />

nichts Bestimmtes zu fokussieren und Dinge zu finden, die deplatziert schienen.<br />

x Cory Doctorow: Little Brother

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