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kapitel 1 - adamas.ai

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Der Lärm der Menge änderte sich ebenfalls. Die erstickten Geräusche und das Brüllen wurden sehr viel lauter. Ich<br />

hatte dieses Anschwellen des Lärms schon mal gehört. Wir waren wieder im Park. Das Gas regnete herab. Ich hielt<br />

die Luft an und RANNTE.<br />

Wir schoben uns aus der Masse heraus, und sie ließ meinen Arm los. Ich humpelte, so schnell ich konnte, auf den<br />

Bürgersteig, während die Menge sich mehr und mehr zerstreute. Wir liefen auf eine Gruppe von DHS-Bullen mit<br />

Schutzschilden, Helmen und Masken zu. Als wir näher kamen, versuchten sie uns den Weg zu versperren, aber<br />

Masha hielt eine Marke hoch, und sie wichen zurück, als sei sie Obi Wan Kenobi, wenn er sagt, „Das sind nicht die<br />

Droiden, die ihr sucht“.<br />

„Du gottverdammtes Miststück“, sagte ich, als wir Market Street raufhetzten. „Wir müssen zurückgehen, um Ange<br />

zu holen.“<br />

Sie spitzte die Lippen und schüttelte den Kopf. „Tut mir echt Leid für dich, Kumpel. Ich hab meinen Freund jetzt<br />

schon Monate nicht gesehen. Der denkt wahrscheinlich, ich bin tot. Kriegsschicksale. Wenn wir für deine Ange<br />

zurückgehen, sind wir tot. Wenn wir weiterlaufen, haben wir eine Chance. Und wenn wir eine Chance haben, hat<br />

sie auch eine. Diese Kids kommen nicht alle nach Gitmo. Die werden wohl ein paar hundert zum Befragen dabehalten<br />

und den Rest heimschicken.“<br />

Wir liefen weiter Market Street hoch und kamen jetzt an den Strip-Lokalen vorbei, wo auch die Penner und Junkies<br />

ihre kleinen Lager aufgeschlagen hatten, die wie offene Klohäuschen stanken. Masha führte mich zu einer Nische<br />

im verschlossenen Eingang einer dieser Striptease-Höhlen. Sie zog ihre Jacke aus und wendete sie – das Futter war<br />

ein gedämpftes Streifenmuster, und durch die umgedrehten Nähte fiel die Jacke jetzt auch anders. Aus der Tasche<br />

zog sie eine Wollmütze hervor, die sie so über ihr Haar zog, dass es eine kecke seitliche Ausbuchtung ergab. Dann<br />

holte sie ein paar Abschmink-Tücher heraus und bearbeitete ihr Gesicht und die Fingernägel. Einen Moment später<br />

war sie eine andere Frau.<br />

„Kleidung wechseln“, sagte sie. „Jetzt du. Schuhe aus, Jacke aus, Mütze aus.“ Ich verstand, was sie meinte. Die<br />

Bullen würden ziemlich sorgfältig nach jedem Ausschau halten, der aussah, als könnte er beim VampMob dabeigewesen<br />

sein. Die Mütze warf ich gleich weg – diese Sorte Caps hatte ich eh nie leiden können. Dann stopfte ich<br />

die Jacke in meine Tasche und holte ein Langarmshirt mit Rosa-Luxemburg-Aufdruck heraus, das ich über mein<br />

schwarzes T-Shirt zog. Ich ließ Masha mein Make-up und den Nagellack abwischen, und ruckzuck war ich sauber.<br />

„Schalt dein Handy aus“, sagte sie. „Irgendwelche RFIDs dabei?“ Ich hatte meinen Studentenausweis, meine Geldautomatenkarte<br />

und den Fast Pass. Alles wanderte in einen silbernen Beutel, den sie mir hinhielt und den ich als<br />

strahlendichten Faraday-Beutel erkannte. Aber als sies in ihre Tasche steckte, dämmerte mir, dass ich ihr gerade<br />

meine gesamte Identifikation anvertraut hatte. Wenn sie nun auf der gegnerischen Seite war?<br />

Allmählich wurde mir auch die Tragweite dessen bewusst, was gerade passiert war. Ich hatte mir ausgemalt, dass<br />

Ange in diesem Moment bei mir sein würde. Mit Ange wären wir zwei gegen eine. Ange würde mir helfen, zu merken,<br />

ob irgendwas faul war. Ob Masha nicht die war, als die sie sich ausgab.<br />

„Steck diese Kiesel in deine Schuhe, bevor du sie wieder anziehst.“<br />

„Nicht nötig. Ich hab mir den Fuß verstaucht. Kein Schritterkennungsprogramm wird mich jetzt erkennen.“<br />

Sie nickte einmal, zwei Profis unter sich, und schleuderte ihre Tasche über. Ich schnappte mir meine, und weiter<br />

gings. Gesamtzeit für den Wechsel war weniger als eine Minute gewesen, und wir sahen aus und liefen wie zwei<br />

andere Menschen.<br />

Sie schaute auf die Uhr und schüttelte den Kopf. „Komm schon“, sagte sie, „wir müssen zu unserem Treffpunkt.<br />

Komm aber ja nicht auf die Idee wegzurennen. Du hast jetzt die Wahl zwischen mir und dem Knast. Die werden<br />

ein paar Tage brauchen, um die Aufzeichnungen vom Mob zu analysieren, aber wenn sie damit durch sind, wandert<br />

jedes Gesicht in eine Datenbank. Unser Verschwinden wird bemerkt werden. Wir sind jetzt beide gesuchte<br />

Kriminelle.“<br />

x<br />

Am nächsten Block bogen wir von Market Street ab und liefen Richtung Tenderloin zurück. Diese Ecke kannte ich.<br />

Hier war es, wo wir das offene WLAN gesucht hatten, an diesem Tag, als wir Harajuku Fun Madness spielten.<br />

„Wohin gehen wir?“, fragte ich.<br />

x Cory Doctorow: Little Brother

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