zur Rezension - Iudicium Verlag GmbH
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chen Leser von Info DaF mehrheitlich aus<br />
diesem Kreis stammen, möchte der Rezensent<br />
– selbst in über 40-jähriger DaF-<br />
Lehrtätigkeit mit Fragen der syntaktischsemantischen<br />
Satzstruktur und ihrer<br />
spracherwerbs- und -gebrauchsfördernden<br />
Darstellung und Interiorisierung beschäftigt<br />
(s. etwa Hinkel 2000 und i. E.) –<br />
neben der Beschreibung der Inhalte für<br />
linguistisch interessierte Leser auch die<br />
Interessen des Praktikers in der Beurteilung<br />
des unterrichtlichen Nutzens dieser<br />
Theorien berücksichtigen, auch wenn<br />
letzteres nicht primäres Anliegen der<br />
Herausgeber war. Die Wissenschaften<br />
bieten uns Hypothesen und Konjekturen,<br />
urteilte schon Einstein, und für Popper<br />
sind sie gar »Hypothesen von Erfindungen«.<br />
Machen wir also den »proof of the<br />
pudding«, der bekanntlich »in the eating«<br />
liegt, und nehmen wir eine DaFdidaktische<br />
Sicht ein.<br />
Nun sind ja semantische Rollen für den<br />
DaF-Praktiker gewiß nichts Unbekanntes.<br />
Schon die traditionelle Grammatik,<br />
insbesondere ihr Zweig der Inhaltsgrammatik,<br />
versuchte, die Teile des Satzes<br />
inhaltlich zu interpretieren, und seit der<br />
Verbreitung des Valenzmodells sind semantische<br />
Definitionen der Leerstellen<br />
des Verbs zum Teil sogar in Lehrbücher<br />
aufgenommen worden. So erschien/erscheint<br />
z. B. das Dativobjekt unter Bezeichnungen<br />
wie indirektes Objekt, Zuwendgröße,Adressat/Empfänger/Rezipient,<br />
Nutznießer/Benefizient, das Prädikatsnomen<br />
als Art- und Gleichsetzungsergänzung<br />
usw.; ebenso sind etwa<br />
situative und direkte Ergänzungen Klassifizierungen,<br />
die sich explizit auf die<br />
Bedeutungsrelationen im Satz beziehen.<br />
Die Frage ist, ob und wie die Kenntnis<br />
dieser Rollen dem Lerner weiterhelfen<br />
kann, wenn sowohl Subjekt als auch<br />
Objekt einen Rezipienten, Experiencer,<br />
Instrument, Ort und andere Kasusrollen,<br />
ja sogar Agens oder Patiens repräsentie-<br />
ren können. Welche Lernhilfe stellt es<br />
etwa dar herauszufinden, ob im Satz Ich<br />
liebe dich das Subjekt Agens, Causador,<br />
Experiencer oder was sonst ist? Denn ob<br />
die Liebe eine (aktive) Handlung, ein<br />
(passiver) Zustand oder ein Prozeß (Vorgang)<br />
ist, ist wohl eher eine philosophische<br />
Frage. Bei einwertigen Prädikaten<br />
(absoluten Verben) ist es ohnehin belanglos,<br />
welchen semantischen Status das<br />
Subjekt innehat – es ist ja das einzige<br />
Argument und Satzglied. In Er leidet stellt<br />
es zwar fraglos semantisch ein Patiens<br />
(»Erleidender«) dar, aber vom sprachlichperspektivischen<br />
Standpunkt eben doch<br />
ein – wenn auch wenig prototypisches –<br />
Agens (»Täter«), oder wie immer man es<br />
nennen mag, eben den syntaktisch homogenen,<br />
privilegierten, verb-unabhängigen<br />
und prädikatsexternen Subjektaktanten,<br />
den sog. Satzgegenstand, die Ausgangsgröße,<br />
die Nennung oder Setzung,<br />
das ranghöchste oder »linkeste« Argument<br />
der logischen Satzstruktur und<br />
Szenenkonstellation. Den Lerner interessieren<br />
nämlich zuvorderst die sprachspezifischen<br />
syntaktischen Funktionen (und<br />
ihre morphologische Realisierung) und<br />
viel weniger die eher universalen semantischen<br />
Rollen, vor allem, wenn diese<br />
nicht eindeutig und direkt auf die – und<br />
nur eine – entsprechende Satzgliedposition<br />
hinweisen. So ist das Wissen, daß<br />
etwa im Satzpaar Das mag ich / Das gefällt<br />
mir die jeweils linke NP ein Protopatiens<br />
(Empfundenes) und die rechte ein Protoagens<br />
(Empfindender, Experiencer) repräsentieren,<br />
für den lernenden Sprachbenutzer<br />
weniger erleuchtend als die<br />
Intuition, daß Das einmal in der Subjektund<br />
einmal in der (Akkusativ-)Objektposition<br />
steht, aufgrund der Verbbedeutung<br />
und Perspektivierung also invertiert ist.<br />
Begrüßte nicht de Gaulle Adenauer bei<br />
dessen erstem Staatsbesuch in Paris mit<br />
der Frage »Wie gehen Sie?«?