zur Rezension - Iudicium Verlag GmbH
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und der einschlägigen Diskussion –<br />
Sprachgeschichte wird hier also in enger<br />
Verbindung mit Zeit-, Kultur- oder Mentalitätsgeschichte<br />
gesehen. Im Unterschied<br />
zu früheren Arbeiten wird aber<br />
der Untersuchungsgegenstand anders<br />
definiert: nicht mehr Schlüsselwörter,<br />
sondern Topoi, somit also Argumentationsmuster,<br />
werden als Indikator für Entwicklungen<br />
im öffentlichen Sprachgebrauch<br />
untersucht.<br />
Wengeler diskutiert im ersten Kapitel des<br />
Buches ausführlich den Zusammenhang<br />
von Sprache einerseits und Kultur- und<br />
Mentalitätsgeschichte andererseits. Dabei<br />
setzt er sich mit zahlreichen Ansätzen<br />
von allem aus der Geschichtswissenschaft,<br />
teilweise aber auch aus der Philosophie<br />
und der Soziologie bzw. der Kulturanthropologie<br />
auseinander und stellt<br />
von diesen Ansätzen – zum Teil sind<br />
diese in der germanistischen Linguistik<br />
noch nicht reflektiert worden – aus jeweils<br />
Bezüge zum Projekt seiner Art von<br />
Diskursgeschichte her. Leitgedanken<br />
sind zum einen die Auffassung, daß<br />
Sprache nicht nur historische Wirklichkeit<br />
widerspiegelt: »Jede Sprachhandlung<br />
ist gleichzeitig Produkt und Produzent<br />
gesellschaftlichen Wissens.« (158)<br />
Zum anderen vertritt der Autor die Überzeugung,<br />
daß sprachliche Äußerungen<br />
als Teile von Diskursen verstanden werden<br />
müssen: »Dabei soll mit Diskurs<br />
letztlich der einzelne Wortverwendungen<br />
übergreifende umfassende sprachliche<br />
und gesellschaftliche Kontext in den<br />
Blick kommen.« (67) Dieser Ansatz eröffnet<br />
die Möglichkeit, das Verhältnis von<br />
Sprache und Gesellschaft als wechselseitig<br />
darzustellen: der Sprachgebrauch ist<br />
Indikator für bestimmte gesellschaftliche<br />
Konstellationen, diese aber werden erst<br />
durch Sprechhandlungen konstituiert.<br />
Am Beispiel der Verwendung von Topoi<br />
wird dieser Zusammenhang besonders<br />
deutlich. Wengeler versteht Topoi in ari-<br />
285<br />
stotelischer Tradition als »Schlussregeln,<br />
die den legitimen Übergang von der<br />
unstrittigen Aussage <strong>zur</strong> strittigen Konklusion<br />
sichern sollen« (180). Es handelt<br />
sich also um inhaltlich zu bestimmende<br />
Kategorien, die aber nicht zwangsläufig<br />
in Form von Redewendungen oder<br />
sprachlichen Gemeinplätzen greifbar<br />
sein müssen (vgl. 186 f.).<br />
Aus einer Korpusanalyse hat der Autor<br />
die in der Einwanderungsdebatte verwendeten<br />
Topoi abstrahiert, aufgelistet<br />
und diskutiert. Ihre Verwendung wird<br />
über den gesamten Untersuchungszeitraum<br />
dokumentiert. Entwicklungen in<br />
der Debatte lassen sich hier genau aufzeigen,<br />
weil Wengeler den Zeitraum weiter<br />
unterteilt: er analysiert im einzelnen drei<br />
Teilepochen: die erste Hälfte der 60er, der<br />
70er und der 80er Jahre. Für jeden dieser<br />
Zeiträume werden die einschlägigen Topoi<br />
unterschieden in solche, die pro<br />
Einwanderung verwendet werden (z. B.<br />
»wirtschaftlicher Nutzen, menschlicher<br />
Nutzen, Humanität«), und solche, mit<br />
denen gegen Immigration argumentiert<br />
wird (z. B. »Gefahren, Belastung,<br />
menschlicher Nutzen«). Für jede Teilepoche<br />
läßt sich so eine Liste mit den am<br />
häufigsten in einer bestimmten Absicht<br />
zu findenden Schlußregeln erstellen; die<br />
Quantifizierung in absoluten (Auftreten<br />
in einer bestimmten Anzahl von Artikeln)<br />
und relativen Zahlen ermöglicht<br />
einen Vergleich der drei Zeiträume und<br />
damit die Beschreibung von Entwicklungen.<br />
Die Diskussion des immer wieder auftretenden<br />
»Das Boot ist voll«-Arguments<br />
(Belastungs-Topos) zeigt etwa sehr deutlich,<br />
wie mit solchen Aussagen in sehr<br />
unterschiedlichen Epochen mit vollkommen<br />
unterschiedlichen gesellschaftlichen<br />
Bedingungen und Immigrantenzahlen<br />
Stimmung gegen Einwanderung gemacht<br />
wird. Der Topos »ist ein prägnantes<br />
Beispiel für die öffentliche sprachliche