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zur Rezension - Iudicium Verlag GmbH

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keit der Lektüre und differenziertem<br />

Textverständnis mit einem exemplarischen<br />

close reading poetischer Texte, um<br />

Modelle der Förderung von Lesekompetenz<br />

entwickeln zu helfen.<br />

Der Ausgangsaufsatz über »Das ungenaue<br />

Lesen der gegenwärtigen Germanistik«<br />

bezweifelt zunächst, ob die Entwicklung<br />

von der »Werkimmanenz« <strong>zur</strong><br />

»Werktranszendenz« tatsächlich ein uneingeschränkter<br />

Fortschritt war, besonders<br />

im Blick auf das vermehrte Auftreten<br />

von Deutungen, »die nach der Textlage<br />

nicht möglich und deshalb literaturwissenschaftlich<br />

unhaltbar sind«, wie<br />

z. B. in der Rezeption Ch. M. Wielands<br />

oder in der Kontroverse um E. Staigers<br />

Auslegung von Mörikes Gedicht Auf eine<br />

Lampe. H. Schlaffers Neuinterpretation<br />

scheint einer genaueren philologischen<br />

Überprüfung am Text – die sich allerdings<br />

handwerklich-solide an reichlich<br />

traditionelle Kategorien hält – nicht<br />

standzuhalten. Hieraus und aus der textkritischen<br />

Aufarbeitung und Überprüfung<br />

weiterer Interpretationen, »die in<br />

den letzten drei Jahrzehnten unter oft<br />

allzu textfernen Betrachtungsweisen erarbeitet<br />

worden sind«, könnte eine generelle<br />

Kritik an der nachlassenden Lektüregenauigkeit<br />

der gegenwärtigen Germanistik<br />

abgeleitet werden.<br />

Volker Ladenthin, Erziehungswissenschaftler<br />

in Bonn, entwirft eine Textdidaktik,<br />

die trotz der Textferne und Geschichtslosigkeit<br />

der Gegenwart von der<br />

zentralen Bedeutung der Lesefähigkeit in<br />

der kulturellen Tradition seit der Antike<br />

ausgeht. Ein »kultureller Textbegriff«<br />

verlangt eine komplexe pädagogisch motivierte<br />

Textanalyse, die Sprachgenauigkeit<br />

und Textnähe mit inhaltlicher Betrachtung<br />

verbindet und den kognitiven<br />

Verstehensprozeß »operationalisiert«.<br />

Als »Vorschlag <strong>zur</strong> Güte« entwickelt er<br />

ein ausführliches didaktisches Schema<br />

<strong>zur</strong> Erarbeitung expositorischer wie lite-<br />

209<br />

rarischer Texte im Kontext der Schule,<br />

das die (herkömmliche) schriftliche Analyse<br />

expositorischer Texte in Reproduktion,<br />

Reorganisation und Problemlösung<br />

mit neueren Formen einer handlungsorientierten,<br />

produktiven Literaturdidaktik<br />

zu verbinden versucht und vom positiven<br />

Umgang mit Texten aller Art über<br />

Lernzielbestimmung und Verlaufsplanung<br />

des Unterrichts mit Texten in seinen<br />

bekannten Schritten bis zu Transfer und<br />

Festigung z. B. durch Interpretationsvergleich<br />

reicht. Fraglich bleibt nur, ob ein<br />

Leseunterricht, der »die Leser zum eigenständigen<br />

Verstehen und Interpretieren<br />

unbekannter Texte […] befähigen« soll,<br />

sich nicht doch wieder an der für den<br />

normalen Leser unbrauchbaren traditionellen<br />

literaturwissenschaftlichen Analyse<br />

orientieren wird.<br />

Der Anglist Rolf Lessenich setzt sich in<br />

»Wider die Willkür des extremen Poststrukturalismus:<br />

John Keats und die<br />

Rückbesinnung auf eine Ethik der Literaturwissenschaft«<br />

sehr viel genauer mit<br />

den neuesten Lese-Theorien auseinander<br />

und verweist darauf, daß seit Derridas<br />

Dekonstruktivismus (1966) die extrem<br />

skeptizistischen Thesen von Sinnleere,<br />

Nichterkennbarkeit und Nichtfixierbarkeit<br />

von Texten Platz griffen und die<br />

Bedeutung der depersonalisierten écriture<br />

als bloßes Lesekonstrukt verstanden<br />

wurde. Bedeutungsvielfalt wurde wichtiger<br />

als Ästhetik, entscheidend war die<br />

Anregung zu eigenen Gedanken und<br />

(willkürlich konstruierten) eigenen Subtexten.<br />

Lessenich schließt sich der Kritik<br />

des totalen Werterelativismus an, der<br />

auch als akademische Mode gesehen<br />

wird. Literatur sollte wieder primär sensibel<br />

und ästhetisch gelesen werden, die<br />

Wissenschaftsethik verlangt eine objektive<br />

Annäherung an den Gegenstand. Die<br />

ganze Problematik einer dekonstruktivistischen<br />

Lektüre wird schließlich an M.<br />

Levinsons Keats-Interpretation vorge-

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