GESCHÄFTSBERICHT 2014
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Lohn- und Tarifpolitik<br />
33<br />
Nach einem zwei Jahre währenden<br />
Tarifkonflikt ist für die durch die<br />
Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer<br />
(GDL) vertretenen Lokführer<br />
der Deutschen Bahn AG (DB), die aus<br />
gesundheitlichen Gründen ihren Beruf<br />
nicht mehr ausüben können, am<br />
20. März <strong>2014</strong> mit dem „Tarifvertrag<br />
über die besonderen Bedingungen bei<br />
Verlust der Fahrdienstuntauglichkeit“<br />
eine Tariflösung gefunden worden. Vereinbart<br />
wurden dabei u. a. ein 100%iger<br />
Entgeltschutz für traumatisierte Lokführer,<br />
verbesserte Abfindungsmöglichkeiten<br />
für fahrdienstuntaugliche<br />
Zugführer sowie Regelungen zur Beschäftigungssicherung<br />
im Falle des<br />
Verbleibs im DB-Konzern.<br />
Im Tarifkonflikt um die Beschäftigten<br />
des Öffentlichen Dienstes für den<br />
Bund und die Kommunen kam es nach<br />
Warnstreiks in der dritten Verhandlungsrunde<br />
am 1. April <strong>2014</strong> zu einem<br />
Tarifabschluss. Die Tarifvertragsparteien<br />
vereinbarten bei einer Gesamtlaufzeit<br />
von 24 Monaten zum März <strong>2014</strong><br />
eine Entgeltanhebung von 3 %, mindestens<br />
jedoch 90 €, sowie eine weitere<br />
Tariflohnanhebung von 2,4 % zum März<br />
2015. Der tarifliche Urlaubsanspruch<br />
wurde auf 30 Tage vereinheitlicht und<br />
die bereits bestehenden Regelungen<br />
zur Übernahme von Ausgebildeten erneut<br />
verlängert.<br />
Die Arbeitskosten in<br />
Deutschland liegen<br />
34 %<br />
über dem EU-Durchschnitt.<br />
TARIFPOLITIK FÜR WETTBEWERBSFÄHIGE ARBEITSPLÄTZE<br />
In zahlreichen Presseartikeln wurde der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank Ende Juli <strong>2014</strong> fälschlicherweise<br />
unterstellt, sie hätten Empfehlungen zur künftigen Lohnentwicklung in Deutschland gegeben. Gegenüber der<br />
BDA versicherte die Bundesbank hingegen, dass sie zu keinem Zeitpunkt höhere Löhne gefordert habe. Dies sei „eine<br />
fälschliche Zuschreibung von Äußerungen“. Dennoch waren die diesbezüglichen Meldungen überflüssig und nicht hilfreich,<br />
da sie gegenteilige Interpretationen ermöglichten.<br />
Es ist ein Irrglaube, dass höhere Lohnsteigerungen in Deutschland das Wirtschaftswachstum in anderen EU-Ländern<br />
nachhaltig ankurbeln könnten. Ein Abweichen vom erfolgreichen Lohnkurs in Deutschland löst nicht die strukturellen<br />
Probleme anderer EU-Staaten. Im Gegenteil: Es würde Wachstum und Beschäftigung in Deutschland gefährden. Durch<br />
diese Schwächung Deutschlands würde ganz Europa negativ betroffen, vor allem die Krisenländer.<br />
Noch vor zehn Jahren war Deutschland der „kranke Mann Europas“. Heute ist Deutschland Europas Konjunkturlokomotive.<br />
Ein wesentlicher Grund für diesen Erfolg ist die Tarifpolitik der zurückliegenden Jahre. Der zentrale Maßstab<br />
für die einzelnen Branchen war und ist dabei nicht die volkswirtschaftliche Entwicklung insgesamt. Viel entscheidender<br />
sind die konkrete Situation in den Betrieben, die Entwicklung der Auftragslage, der Wettbewerbsfähigkeit und der<br />
Beschäftigung. Diese produktivitätsorientierte, differenzierte und flexible Tarifpolitik hat Deutschland in den vergangenen<br />
Jahren sicher durch ein konjunkturell aufgebraustes Fahrwasser geleitet und erheblich zur positiven Beschäftigungsentwicklung<br />
beigetragen.<br />
Die häufige Kritik von Seiten vieler EU-Staaten an der deutschen Lohnpolitik als Grund für die deutsche Exportstärke<br />
und daraus resultierende wirtschaftliche Ungleichgewichte lässt viele Fakten unbeachtet. Denn trotz der moderaten<br />
Lohnsteigerungen in den 2000er Jahren gehört Deutschland auch heute noch zu den Ländern mit den höchsten Stundenlöhnen<br />
weltweit. Kein Euroland hat höhere Bruttostundenlöhne als Deutschland – im Durchschnitt liegen sie bei<br />
rd. 21 €, in der Industrie sogar bei rd. 23 € (Statistisches Bundesamt, <strong>2014</strong>). Hinzu kommt, dass deutsche Produkte vor<br />
allem durch ihre hohe Qualität überzeugen, weshalb sie auch bei höherem Preisniveau oder steigendem Eurokurs Abnehmer<br />
finden. Darüber hinaus sind in vielen Exportprodukten aus Deutschland ausländische Vorprodukte enthalten.<br />
Allein 3,5 Mio. Arbeitsplätze in anderen EU-Staaten hängen unmittelbar von der Vorleistungsnachfrage Deutschlands<br />
ab (Prognos, <strong>2014</strong>). Es ist daher gerade auch im Interesse dieser Länder, dass Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit<br />
gesichert wird. Die Voraussetzung dafür ist die Fortsetzung einer erfolgreichen, differenzierten und flexiblen Tariflohnpolitik,<br />
die ein wesentlicher Pfeiler für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzsicherheit in Deutschland ist.