ETHIK DES MAIMONIDES - Rachel
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stellen. Ein tief empfundenes Bedtirfniss drängte dazu, seitdem die<br />
Lehre und die Ueberlieferung Israels im Geiste und im Gemüthe ihrer<br />
Bekenner mit einer grundverschiedenen Bildung und Lebensrichtung•<br />
zusammentrafen, denen Einfluss und Berechtigung nicht streitig zu<br />
machen war. Dieses Bediirfniss ist ein so unabweisliches, dass es die<br />
Aufgabe der Denkenden in Israel immer gewesen und immer bleiben<br />
wird, das heilige Erbe der Väter dadurch vor Untergang zu schützen,<br />
dass ein Weg der Verständigung und des Einvernehmens zwischen<br />
dem anfänglich schroff Entgegengesetzten gesucht und durch Liebe<br />
und Besonnenheit auch gefunden wird. Und je grösser die Zahl der<br />
Gedankenlosen, Leichtfertigen oder Voreiligen ist, welche die durch<br />
den Zusammenstoss heraufbeschworne Krisis nicht verstehen und nicht<br />
überwinden können oder wollen und demzufolge der Einen Seite mit<br />
fanatischer Abweisung der entgegengesetzten sich innerlich und ausserlieh<br />
zuwenden : desto nothwendiger musste es den tiefer und edler<br />
Angelegten erscheinen , beiden Seiten gerecht zu werden und deren<br />
Vereinbarkeit im Denken und Thun nachzuweisen.<br />
Und diese Vereinbarkeit wahrer Bildung und echter Wissenschaft<br />
mit einer in ihren Lehren und Weisungen vernunftgemässen Religion<br />
stand bei den Kundigen nie in Zweifel. Wir finden die feste Ueberzeugung<br />
davon in dem Zeiträume arabischer Cultur, welchem MAIMO-<br />
NI<strong>DES</strong> angehört, seit SAADIA, dem ersten Vertreter jenes Verständigungsversuches,<br />
bei den Religionsphilosophen verschiedenster Richtung<br />
verbreitet. Die augenscheinliche Wirklichkeit und die Speculation der<br />
Vernunft mussten mit dem schriftlichen Gesetze und der mündlichen<br />
Ueberlieferung zusammenstimmen, um eine Wahrheit oder Lebensnorm<br />
als unzweifelhaft aufzuweisen. Im Allgemeinen wird diese Meinung<br />
bei unbefangener Prüfung sich kaum bestreiten lassen. Zu weit geht<br />
dieselbe nur, wenn — wie vielfach geschehen ist — die Vereinbarung<br />
zur Gleichmacherei ausartet; wenn die mannigfachen Verschiedenheiten<br />
durch Deutungen gewaltsam ausgeglichen und nicht vielmehr als nothwendige,<br />
mindestens unverwerfliche Eigentümlichkeiten ihrer bezügliehen<br />
Sphären erkannt und dargelegt werden*) ; wenn endlich die<br />
') So bestimmt MAIMONI<strong>DES</strong> (Deot I, 4 ff.) den guten Weg (הבוטה ךרדה) UN D<br />
den rechten Weg (הרשיה ךרדה) nac h ARISTOTELES als das ethische Mittelmasz