ETHIK DES MAIMONIDES - Rachel

90
gegen den Zorn 1 ), manche gegen die H ab su eh t 2 ) gerichtet, einige
wiederum wollen die richtige Scham erzielen, indem die Einen die
Frechheit 8 ), die anderen die Blödigkeit• 1 ) bekämpfen.
Wer also ein solcher Thor ist, diese gesetzlichen Uebungsmittel
noch überbieten zu wollen, wer z. B. die Speiseverbote und die Beschränkungen
des ehelichen Verkehrs aus eigner Erfindung zu vermehren,
wer seines Eigenthums in höherem Masze als geboten ist oder
gar vollständig für wohlthätige und religiöse Zwecke sich entäussert —
handelt unsittlich, geräth unvermerkt in das entgegengesetzte Extrem
und entfernt sich ganz von dem allein tugendhaften Mittelwege. Ein
herrliches Wort R. iSAAK's im palästinischen Talmud, welches zunächst
die übermässige Selbsteinschränkung durch Gelübde tadelt 5 ),
findet auf die ganze hier bezeichnete falsche Richtung eine umfassende
Anwendung. Ebenso gehört, wie M. später hinzufügt 0 ), auch das
viele Fasten, das Manche sich auferlegen, nicht zur rechten Lebensweise,
sondern verstösst gegen die Abmahnungen unserer Gesetzeslehrer
und gegen die biblische Warnung: «Wolle nicht zu gerecht
sein !» 7 )
4. Was hingegen jedem Menschen dringend empfohlen werden
muss, das ist, Tag für Tag seine Handlungsweise und Neigungen streng
zu prüfen 8 ) und gegen jede bemerkte Abweichung von der tugend-
') M. nennt das Verbot der Rache und Nachträgerei (3. Mos. 19, 18), worin
zugleich die Blutrache untersagt werde; das Gebot, dem Feinde in der Noth beizustehen
(2. Mos. 23, 5 ; 5. Mos. 22, 4 ; letztere Stelle bezieht die Halachah — s.
Sifre z. St. — ebenfalls auf den Feind).
2
) 5. Mos. 22, 1. — Ein anderer Gesichtspunkt Mor. III, 40.
ף Ehrerbietung für das Alter (3. Mos. 19, 32), vgl. Mor. III, 36; Ehrerbietung
für die Eltern (2. Mos. 20, 12), Achtung gerichtlicher Entscheidungen
(5. Mos. 17, 11), anders Mor. III, 41.
4
) Zurechtweisung des Nebenmenschen (3. Mos. 19, 17), Furchtlosigkeit des
Richters (5. Mos. 1, 17; bei Tibbon: 5. Mos. 18, 22).
ף jeruích. Nedar. ix, 1: הרותה ךל הרסאש המ ךייר אל קחצי 'ר םשב ימיר בר
םירחא םירבר ךילע רוסאל שקבמ התאש אלא-
׳י) Deot III, !.
י) Kohélet 7, 16. Vgl. oben S. 26, A. 1. — Auch BACHJA, Hpfl. VIII, 3,
No. 25, S. 385 wendet diese Bibelstelle in ähnlichem Sinne an, wiewohl ihm in
der besondern Anwendung M. nicht zustimmt; s. oben S. 13 u. S. 14, A. 5. —
Ueber die Ansicht ABR. B. CHIJA'S S. S. 16; über die JEH. HALEVI'8: S. 19, A. 4.
") Vgl. Tesch. VU, 3. — Die Anregung zu dieser Ermahnung empfing M.