ETHIK DES MAIMONIDES - Rachel
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lehre ergriffen und wissenschaftliche Darstellungen veranlassten, welche<br />
dasselbe in neuer Gestalt und Beleuchtung, der jedesmaligen Bildung<br />
und Anschauung angepasst, vorführten, so gaben sie auch den Antrieb<br />
und erweckten das Bediirfniss nach neuen Bearbeitungen der jüdischen<br />
Ethik, um dieselbe nach den gangbaren Mustern in ihr volles Licht zu<br />
setzen. Mit diesem Bestreben verband sich zugleich eine Entlehnung<br />
der leitenden Gesichtspunkte and der Gruppirung des Stoffes. In<br />
den Quellen selbst schien dafür ein Anhalt zu fehlen. Es hinderte<br />
hierbei nicht allein jenes anscheinend regellose Durcheinander von<br />
Glaubenslehren, Rechtsbestimmungen und ethischen Mahnungen, wovon<br />
wir oben gesprochen haben, sondern es schienen auch die beherrsehenden<br />
Anschauungen für die ethische Lebenseinrichtung zu fehlen.<br />
Bekanntlich sind solche umfassende Sätze in den älteren wie in den<br />
jüngeren Quellen allerdings vorhanden; nur sind sie nicht als solche<br />
aus der Reihe der ihnen untergeordneten und aus ihnen sich ergebenden<br />
herausgehoben, sind nicht an die Spitze als leitende Ausgangspunkte<br />
gestellt worden, sondern müssen erst erkannt und in das richtige<br />
Verhältniss zu den anderen gesetzt werden. So ist das Gebot der<br />
Nächstenliebe in seiner allgemeinen Fassung 1 ) wie in seiner besondern<br />
Beziehung auf den Fremdling 2 ) derartig zwischen Einzelgesetze gestellt,<br />
dass seine überragende Bedeutung leicht übersehen wird — ganz wie<br />
die höchste Religionswahrheit des Judenthums von der Einheit Gottes 3 )<br />
und das oberste Religionsgesetz von der unbegrenzten Liebe zu Gott 4 )<br />
nur durch ihren Gehalt sich aus ihrer Umgebung herausheben. —<br />
Hiermit hängt es denn zusammen, dass auch eine systematische An-<br />
Ordnung der einzelnen Gesetze in den jüdischen Quellen weder gefunden<br />
wurde, noch in der That zu finden ist. Es mag den an eine<br />
systematische Gruppirung anderweitig gewöhnten Denkern, wenn sie<br />
das Ganze der jüdischen Ethik aus den Quellen darzustellen hatten,<br />
wohl so zu Muthe gewesen sein, wie dem Künstler, der eine bunte<br />
Menge köstlicher Juwelen vor sich hat und nur die angemessene Auswähl<br />
und Anordnung unter ihnen zu treffen, sowie die richtige Fassung<br />
seinerseits hinzuzufügen hat, um ein herrliches Geschmeide nach Wunsch<br />
und Bedürfniss herzustellen.<br />
') 3. Mos. 19, 18. ף Das. V. 34, 3 ) 5. Mos. 6, 4. *) Das. V. 5.<br />
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