24.11.2012 Aufrufe

ETHIK DES MAIMONIDES - Rachel

ETHIK DES MAIMONIDES - Rachel

ETHIK DES MAIMONIDES - Rachel

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

85<br />

eben nicht übersehen werden, dass man leichter und schneller von der<br />

Verschwendung als vom Geize zum richtigen Masze edler Freigebigkeit<br />

gelangt 1 ). Ganz ebenso ist der für Genuss Unempfängliche leichter<br />

als der Genusssüchtige zur richtigen Mitte zwischen beiden, nämlich<br />

zur Mäszigkeit, zu gewinnen. Es folgt daraus, dass der Genusssüchtige<br />

zu seiner moralischen Besserung viel länger zur Gleichgültigkeit<br />

gegen allen Genuss angehalten werden muss, als der dem Genüsse<br />

gegenüber Stumpfe etwa zur Unmäszigkeit 2 ). Aus gleichem Grunde<br />

müssen wir den Feigling zu seiner Besserung in höherem Masze zur<br />

Verwegenheit anleiten, als den Verwegenen zur Feigheit, und ebenso<br />

den Schäbigen mehr zur Prunksucht als den Prunkliebenden zur<br />

Schäbigkeit 3 ).<br />

3. Dieses bei manchen Handlungen und Eigenschaften ungleiche<br />

Verhältniss der fehlerhaften Extreme zu der tugendhaften Mitte, hat<br />

nun in der Sittengeschichte zwei Erscheinungen hervorgerufen,<br />

die von der aufgestellten sittlichen Regel abweichen. Die Eine derselben<br />

verdient nach M. Zustimmung, die andere Missbilligung.<br />

a) Ein höherer Grad von Gewissenhaftigkeit, sagt M., bewog die<br />

Tugendhaften unter unseren Glaubensgenossen, über das<br />

Masz sittlicher Verpflichtung hinauszugehen und sich Erschwerungen<br />

freiwillig aufzuerlegen. M. führt uns eine zwiefache Art dieser Erschwerungen<br />

vor.<br />

a) Da Eines der Extreme bei den einzelnen Handlungen und<br />

Eigenschaften von der richtigen Mitte weiter abliegt und diese mehr<br />

gefährdet, so zogen jene Tugendhaften es vor, sich das unausgesetzte<br />

Beharren in der genau bemessenen Mitte nicht zuzumuthen, weil von<br />

derselben aus eine Abweichung nach der bedenklicheren, ihr mehr<br />

widerstreitenden Seite fortwährend droht. Darum gaben sie ihren<br />

Handlungen und Gewohnheiten aus Vorsicht lieber eine Richtung<br />

immer gegen dasjenige Extrem hin, welches dem sittlich guten Ver-<br />

י) Vgl. ABIST. NE. IV, 3.<br />

s ) Auf der hierin liegenden näheren Verwandtschaft bald des Einen, bald<br />

des anderen Extrems mit der tugendhaften Mitte beruht eben jene oben (S. 81)<br />

angegebene Verwechselung desselben mit der Tugend Belbst.<br />

') Vgl. ABIST. NE. II, 8.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!