24.11.2012 Aufrufe

Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Nordafrika</strong>?<br />

aus. Libyen war <strong>in</strong> den Jahren der Herrschaft Gaddafis von e<strong>in</strong>em der ärmsten Länder<br />

der Welt zum reichsten Land Afrikas geworden.<br />

Dennoch kam es auch <strong>in</strong> Libyen zu Massenprotesten mit der Forderung, Gaddafi<br />

solle zurücktreten. Die Gründe dafür s<strong>in</strong>d vielfältig. Das Land ist der achtgrößte Ölproduzent<br />

der Welt und hat hohe E<strong>in</strong>künfte aus der Erdöl- und Erdgasförderung,<br />

etwa 70 Prozent des Brutto<strong>in</strong>landsproduktes resultieren aus diesem Bereich, alle<br />

anderen Wirtschaftsbereiche spielen e<strong>in</strong>e eher untergeordnete Rolle. Im Grunde<br />

gibt es ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ländische Industrie; wegen zwischenzeitlich e<strong>in</strong>gebrochener Weltmarktpreise<br />

für Erdöl wurden frühere Entwicklungsprogramme zur Industrialisierung<br />

e<strong>in</strong>gestellt, und das, was <strong>in</strong>vestiert wurde, mit ausländischen Arbeitskräften<br />

realisiert. So war Libyen e<strong>in</strong> Land mit sehr hohen E<strong>in</strong>nahmen aus dem Ölexport und<br />

e<strong>in</strong>er zugleich sehr hohen Arbeitslosigkeit, vor allem junger Menschen. Etwa 28<br />

Prozent der Bevölkerung s<strong>in</strong>d zwischen 15 und 24 Jahre alt, dreißig Prozent von<br />

ihnen arbeitslos. Sie s<strong>in</strong>d trotz vergleichsweise hoher staatlicher Alimentierung nicht<br />

nur ohne Arbeit, sondern auch ohne Perspektive. Dar<strong>in</strong> unterscheiden sie sich nicht<br />

von ihren Altersgenossen <strong>in</strong> Tunesien oder Ägypten. Gründe lieferte auch das bleierne<br />

politische System – als Mubarak <strong>in</strong> Ägypten an die Macht kam, regierte Gaddafi<br />

se<strong>in</strong> Land bereits zwölf Jahre, als Ben Ali <strong>in</strong> Tunesien se<strong>in</strong> Amt antrat, 18 Jahre –<br />

und das ist 24 Jahre her. Diejenigen, die dem jungen Oberst Gaddafi nach dem<br />

Sturz des Königs 1969 zujubelten und dies als Befreiung ansahen, s<strong>in</strong>d jetzt im Pensionsalter.<br />

Das <strong>in</strong>nenpolitische System, das über die Jahre geschaffen wurde, war<br />

autoritär, Opposition wurde rigide unterdrückt, die Medien von der Regierung kontrolliert.<br />

Immer wieder hatte es Attentate, Putsch- bzw. Aufstandsversuche gegeben,<br />

von Offizieren, die e<strong>in</strong>st Mitstreiter Gaddafis waren, Studenten, fundamentalistischen<br />

Islamisten, darunter den Moslembrüdern, und Stammesgruppierungen, die<br />

allesamt brutal niedergeschlagen wurden.<br />

H<strong>in</strong>zu kommt: Autokratische Herrschaft produziert auch dann ihre Gegner, wenn sie<br />

paternalistische Züge hat. (Der philosophierende Publizist Peter Sloterdijk hat aktuell<br />

auf Immanuel Kants Aussage verwiesen, e<strong>in</strong>e „väterliche Regierung“ sei „der denkbar<br />

größte Despotismus“, weil gerade <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em System wohlwollender Bevormundung<br />

Emanzipation niemals vorgesehen sei. Der Tagesspiegel, 10. 04. 2011.) Verstärkt<br />

wird dies im Falle Gaddafis durch se<strong>in</strong> oft skurriles Auftreten und sprunghaft<br />

wechselnde politische Entscheidungen. Gleichsam kultursoziologisch wird <strong>in</strong> Berichten<br />

über Libyen auch auf die Kluft zwischen Gaddafis Selbst<strong>in</strong>szenierung als archaischer<br />

Sohn der Wüste mit Bedu<strong>in</strong>enkleidung im Zelt und der modernen, urbanen<br />

Lebensweise der Mehrheit der heutigen Bevölkerung verwiesen – die ja gerade<br />

e<strong>in</strong> Ergebnis der auf nationale Entwicklung orientierten Politik Gaddafis ist.<br />

H<strong>in</strong>ter der Fassade der Modernisierung, und das ist e<strong>in</strong> weiterer wesentlicher Faktor<br />

der Unzufriedenheit, die den Protest gegen Gaddafi genährt hat, bestanden die traditionellen<br />

Stammesstrukturen weiter. E<strong>in</strong> nicht unbeträchtlicher Teil der Gelder ist<br />

<strong>in</strong> Libyen über die nach wie vor vorhandenen Stammesstrukturen vergeben worden,<br />

nach nicht nur politischer Nähe zu Gaddafi und se<strong>in</strong>em Clan. E<strong>in</strong> größerer Teil der<br />

Mittel g<strong>in</strong>g offenbar an Empfänger im westlichen Teil des Landes mit dem Zentrum<br />

der Hauptstadt Tripolis, <strong>in</strong> dem offenbar e<strong>in</strong>e nicht unbeträchtliche Unterstützung<br />

14

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!