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Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Nordafrika</strong>?<br />

und Gesundheit für alle – orientierter Kurs sollte fortan bestimmend werden. Gaddafi<br />

begründete dies <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em „Grünen Buch“, das mit dem Anspruch geschrieben<br />

wurde, e<strong>in</strong>e eigenständige Auslegung des Korans zu liefern, die zugleich „die dritte<br />

Universaltheorie“ neben Kapitalismus und Sozialismus darstellen sollte. In diesem<br />

S<strong>in</strong>ne setzte Gaddafi 1977 e<strong>in</strong>e Verfassungsreform durch; das Land wurde zur „Islamischen<br />

Sozialistischen Volksjamahirija“ (was soviel wie Republik des Volkes bedeuten<br />

sollte). Die Macht sollte bei e<strong>in</strong>em von unten nach oben aufgebauten Rätesystem<br />

liegen. Im Unterschied zu Ägypten, das e<strong>in</strong>e jahrtausendealte Staatstradition<br />

hat, und Tunesien, dessen eigenstaatliche Tradition Jahrhunderte zählt, und die<br />

über e<strong>in</strong>en vergleichsweise modernen Staatsapparat, Parlament, politische Parteien<br />

und e<strong>in</strong>e Zivilgesellschaft mit Tradition und politischen Erfahrungen verfügen, hat<br />

Libyen all dies nicht. Gaddafi trat 1979 offiziell von allen Staatsämtern zurück und<br />

war fortan lediglich „Führer der <strong>Revolution</strong>“, blieb faktisch aber die letztliche Entscheidungs<strong>in</strong>stanz.<br />

Inhalt und Ausrichtung des Umsturzes von 1969 waren am Ägypten Nassers orientiert.<br />

Gaddafi hatte sich schon als junger Mann für die panarabischen und sozialistischen<br />

Ideen Nassers begeistert. Der Sturz König Idris‘ erfolgte durch e<strong>in</strong>en „Bund<br />

Freier Offiziere“ – schon der Name war Bezug auf Nasser und den Sturz des ägyptischen<br />

Königs im Jahre 1952. Die Idee e<strong>in</strong>er panarabischen Union, wie sie <strong>in</strong> der<br />

„Vere<strong>in</strong>igten Arabischen Republik“ zwischen Ägypten und Syrien Ende der 1950er/<br />

Anfang der 1960er Jahre e<strong>in</strong>e kurzzeitige Umsetzung erfahren hatte und <strong>in</strong> unterschiedlichen<br />

Konstellationen unter E<strong>in</strong>beziehung Jemens bzw. Sudans wieder versucht<br />

wurde, regte auch Gaddafis politischen Ehrgeiz an. Die Versuche scheiterten<br />

jedoch. Das Land war im Vergleich zu Ägypten, Syrien oder dem Irak nicht e<strong>in</strong>flussreich<br />

genug und <strong>in</strong>nerhalb der arabischen Welt zu ger<strong>in</strong>g verankert, so dass Gaddafis<br />

Bestrebungen, e<strong>in</strong>en Beitrag zu e<strong>in</strong>er weiterreichenden arabischen E<strong>in</strong>heit zu<br />

leisten und <strong>in</strong> dieser e<strong>in</strong>e führende Rolle zu spielen, <strong>in</strong> der arabischen Welt nicht<br />

ernst genommen wurden und auf taube Ohren stießen. Er rückte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Außenseiterrolle<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Arabischen Liga. Angesichts se<strong>in</strong>er Herkunft aus der <strong>Revolution</strong><br />

heraus und se<strong>in</strong>er gesellschaftsverändernden Politik wurde er von allen „legitimen“<br />

Monarchen der arabischen Welt, vor allem den konservativen Regimes der<br />

Golfregion beargwöhnt. Die Führer Ägyptens, Syriens, Iraks, Algeriens und anderer<br />

republikanischer arabischer Staaten betrachteten ihn ihrerseits nicht als Sachwalter<br />

der arabischen Sache und fühlten sich <strong>in</strong> ihrer jeweiligen nationalen Politik durch<br />

ihn gestört; se<strong>in</strong>e oft lärmende, mit antiamerikanischer Rhetorik drapierte Politik<br />

vergrößerte das Misstrauen. Dass es e<strong>in</strong>erseits ke<strong>in</strong>e politisch spürbare Solidarität <strong>in</strong><br />

den arabischen Ländern mit dem Gaddafi-Regime gibt, andererseits e<strong>in</strong>ige arabische<br />

Staaten mit dem Beschluss der Arabischen Liga über die Errichtung e<strong>in</strong>er<br />

Flugverbotszone über Libyen den Vorwand lieferten, unter dem westliche Mächte<br />

dann ihren Krieg begannen, an dem sich e<strong>in</strong>ige der reaktionären Golfstaaten sogar<br />

mit Militäre<strong>in</strong>heiten beteiligen, ist Konsequenz dieser Gesamtkonstellation.<br />

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