Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Nordafrika</strong>?<br />
Kriegsführung, die genau den Regime-Wechsel will, <strong>in</strong> Anspruch genommen wird,<br />
bleibt bei e<strong>in</strong>er solchen Perspektive ausgeblendet.<br />
Nachdem die Vorstellung vom „Freiheitsexport“ qua Bombenangriffen sich mit den<br />
desaströsen Ergebnissen im Irak und <strong>in</strong> Afghanistan und ihrer Offenbarung als Kaschierung<br />
knallharter geoökonomischer und geopolitischer Interessen erledigt zu<br />
haben schien, verblüfft doch, dass trotz der Heuchelei des Imperialismus (Jemen,<br />
Bahre<strong>in</strong> etc.) die Ideologie und die damit e<strong>in</strong>hergehende Wirksamkeit der Kriegspropaganda<br />
nicht totzukriegen s<strong>in</strong>d. Es grenzt schon an l<strong>in</strong>ke Schizophrenie, sich<br />
e<strong>in</strong>erseits ke<strong>in</strong>e Illusionen darüber zu machen, dass Massenvernichtungswaffen und<br />
Menschenrechte nur Vorwände der Bush-Adm<strong>in</strong>istration waren, um die Vormachtstellung<br />
der USA und ihrer Verbündeten <strong>in</strong> der Region zu festigen…, aber bei denselben<br />
Akteuren <strong>in</strong> derselben Region, die zur selben Zeit dieselbe Politik im Irak, <strong>in</strong><br />
Afghanistan und nun auch Pakistan fortsetzen, plötzlich neue Motive zu vermuten.<br />
Fakt ist, dass der Schutz von Menschenrechten allenfalls e<strong>in</strong> Nebenprodukt der<br />
Entwicklung ist. Dabei werden nichtmilitärische Lösungen oder Alternativen, auf die<br />
sich Gaddafi durchaus e<strong>in</strong>gelassen hat (der Chavez-Friedensplan oder die Vorschläge<br />
der Afrikanischen Union), bewusst ignoriert.<br />
Ingar Solty (Sozialismus, Heft 5/2011)<br />
Wenn wir nach geschichtlichen Analogien schauen, fällt der Blick zunächst auf den<br />
ersten Weltkrieg. Die sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien hatten die<br />
Entwicklungen nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers zunächst mit<br />
Gelassenheit verfolgt. Nach dem Ultimatum Österreich-Ungarns an Serbien, das die<br />
faktische Kriegsdrohung darstellte, riefen die Parteien zu großen Demonstrationen<br />
auf. In Deutschland sprach die sozialdemokratische Parteiführung von e<strong>in</strong>er „frivolen<br />
Kriegsprovokation“. Demonstrationen fanden dann unter der Losung: „Wir wollen<br />
ke<strong>in</strong>en Krieg!“ und „Nieder mit dem Krieg!“ statt. Als er dann jedoch ausgebrochen<br />
war, stimmte die sozialdemokratische Reichstagsfraktion den Kriegskrediten,<br />
d.h. dem Krieg zu. Die Stimmung war: wenn der Krieg nun schon da ist, soll<br />
Deutschland ihn wenigstens nicht verlieren. Kurt Eisner, selbst Gegner jener „Burgfriedenspolitik“<br />
der Unterstützung der Kriegsführung, schrieb e<strong>in</strong> halbes Jahr nach<br />
Kriegsausbruch: „Der Krieg war und ist für mich e<strong>in</strong>e Katastrophe, <strong>in</strong> der niemand<br />
neutral se<strong>in</strong> kann; irgendwo müssen wir kämpfen, und da wir nun mal dem deutschen<br />
Reiche angehören, ist hier unser Platz.“ Reichskanzler v. Bethmann Hollweg<br />
hatte die „Schuld Russlands“ besonders <strong>in</strong> den Vordergrund gerückt, was es der<br />
Sozialdemokratie erleichterte, den Feldzug gegen den „blutdurstigen Zarismus“ zu<br />
unterstützen. Die französischen Sozialisten sahen den Krieg als „Verteidigung<br />
Frankreichs“ an.<br />
Georgi Plechanow, e<strong>in</strong>er der marxistischen Vorkämpfer der russischen Arbeiterbewegung,<br />
trat selbst <strong>in</strong> den <strong>in</strong>neren Ause<strong>in</strong>andersetzungen, die <strong>in</strong> Russland zwischen<br />
der Februar- und der Oktoberrevolution 1917 stattfanden, noch für die „Vaterlandsverteidigung“<br />
e<strong>in</strong> und gab dem sogar e<strong>in</strong>e von Marx hergeleitete Begründung. Es<br />
sei zwischen den „rechtmäßigen Interessen jedes e<strong>in</strong>zelnen Landes“ und den „un-<br />
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