Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Nordafrika</strong>?<br />
Mit dem Ende des kalten Krieges und dem Untergang des Realsozialismus 1989/91<br />
standen die arabischen Nationalisten ohne strategischen Verbündeten da bzw.<br />
konnten im Verhältnis zum Westen nicht mehr die Karte der Beziehungen zur Sowjetunion<br />
und ihren Verbündeten ausspielen. Unter dem Druck der <strong>in</strong>ternationalen<br />
Wirtschaftsverhältnisse, dem direkten Druck der westlichen Staaten und Institutionen<br />
(Weltbank, Internationaler Währungsfonds, private Banken) und zuweilen auch<br />
<strong>in</strong>nerer Protestbewegungen fand e<strong>in</strong> „Rückbau“ der sozialistischen Programme<br />
statt, so weit die nationalistischen Herrscher nicht bereits vorher, wie der ägyptische<br />
Präsident Anwar el-Sadat und Saddam Husse<strong>in</strong> von Irak, Bündnispartner der<br />
USA geworden waren; die Wirtschaft wurde <strong>in</strong> den meisten dieser Länder schrittweise<br />
privatisiert und neoliberal geöffnet. Die Privatisierung erfolgte jedoch vor allem<br />
<strong>in</strong> die eigenen Taschen. Zugleich jedoch hatten die politischen Regime ihre <strong>in</strong>nere<br />
Macht gefestigt, durch Folter und Mord Gegner ausgeschaltet und durch oft<br />
gelenkte oder gar offen gefälschte Wahlen e<strong>in</strong>e sche<strong>in</strong>bare demokratische Legitimität<br />
erlangt. Die herrschenden Gruppen, Familien oder Clans waren zumeist auch die<br />
<strong>in</strong>ländischen Hauptnutznießer der Privatisierungen.<br />
Die Machthaber waren – bis zu den jetzigen Aufständen – durch die Völker von <strong>in</strong>nen<br />
heraus unabsetzbar, und es herrschte e<strong>in</strong>e große „Kont<strong>in</strong>uität“ der Macht. Im<br />
Falle des Irak bedurfte es des Krieges der USA mit all se<strong>in</strong>en schrecklichen Folgen,<br />
um Saddam Husse<strong>in</strong> zu stürzen und den US-Ölfirmen wieder direkten Zugang zum<br />
irakischen Öl zu verschaffen. Hosni Mubarak regierte seit 1981 und war nach Nasser<br />
und Sadat der dritte von der Armee getragene Präsident seit den 1950er Jahren.<br />
Ben Ali (seit 1987) war nach Bourgiba der zweite Präsident seit der Unabhängigkeit.<br />
In Syrien hat es Präsident Hafiz al-Assad vermocht, se<strong>in</strong>en Sohn Baschar als Nachfolger<br />
zu <strong>in</strong>stallieren. Das wollte Mubarak für se<strong>in</strong>en Sohn ebenfalls erreichen, hat<br />
es angesichts der Umwälzungen aber nicht mehr realisieren können. Gaddafi<br />
herrscht seit 1969, obwohl er <strong>in</strong> dem von ihm geschaffenen politischen System Libyens<br />
ke<strong>in</strong>e offizielle Funktion hat, außer „Führer der <strong>Revolution</strong>“ zu se<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong>e<br />
Söhne haben <strong>in</strong> den jetzigen Bürgerkriegsause<strong>in</strong>andersetzungen als Teil des Gaddafi-Machtsystems<br />
ebenfalls agiert.<br />
In Bezug auf die Vorbed<strong>in</strong>gungen von politischen Umwälzungen und der wirtschaftlichen<br />
und sozialen Entwicklungen im arabischen Raum s<strong>in</strong>d folgende Unterscheidungsmerkmale<br />
<strong>in</strong> den Blick zu nehmen:<br />
� Länder mit umfangreichen Vorkommen an Erdöl und Erdgas sowie Länder ohne<br />
solche Vorräte; diese wiederum teilen sich <strong>in</strong> bevölkerungsreiche Erdölstaaten,<br />
die an e<strong>in</strong>em hohen Ölpreis <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d, und Emirate mit Interesse an e<strong>in</strong>em<br />
moderaten Ölpreis, um die Ölabhängigkeit des Westens gegen alternative Energien<br />
zu konservieren;<br />
� unter dieser Voraussetzung s<strong>in</strong>d Länder mit Rentenökonomien (also Volkswirtschaften,<br />
die oft beträchtliche, sichere, nicht krisenbedrohte E<strong>in</strong>nahmen aus der<br />
Erdöl- und Erdgasförderung oder – im Falle Ägyptens – aus der Nutzung e<strong>in</strong>er<br />
E<strong>in</strong>richtung wie des Suezkanals erzielen; die Regierungen dieser Länder s<strong>in</strong>d daher<br />
nicht oder nur zum Teil auf die Erhebung von Steuern angewiesen und kön-<br />
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