Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Nordafrika</strong>?<br />
Libyen war stets auch <strong>in</strong> Ause<strong>in</strong>andersetzungen <strong>in</strong> Afrika südlich der Sahara <strong>in</strong>volviert.<br />
E<strong>in</strong> wichtiges Feld war zunächst der Tschad, der südlich direkt an Libyen angrenzt.<br />
Die Grenzziehung zwischen Libyen als italienischer Kolonie und dem Tschad,<br />
der zur französischen Kolonie Äquatorialafrika gehörte, war von Italien 1934 nicht<br />
ratifiziert worden. Nachdem der Tschad 1960 se<strong>in</strong>e Unabhängigkeit erhalten hatte,<br />
blieb die Grenze weiter unbestätigt. Libyen erhob Ansprüche auf den Aouzou-<br />
Streifen im Norden des Tschad. Nachdem dort 1966 e<strong>in</strong>e muslimische Befreiungsfront<br />
aus dem Norden den Bürgerkrieg gegen die christlich-sudische Dom<strong>in</strong>anz eröffnet<br />
hatte, unterstützten Frankreich die Regierung aus dem Süden und Algerien<br />
sowie der Sudan die Rebellen im Norden. 1973 besetzte Libyen den Aouzou-<br />
Streifen und griff auch weiterreichend militärisch, politisch und mit F<strong>in</strong>anzmitteln <strong>in</strong><br />
den Bürgerkriegs-Konflikt e<strong>in</strong>. Während der 1970er und 1980er Jahre gab es <strong>in</strong>sgesamt<br />
vier militärische Interventionen Libyens unter Gaddafi im Tschad; <strong>in</strong> allen Fällen<br />
hatte es e<strong>in</strong>e Unterstützung Frankreichs für die gegen Libyen gerichteten Kräfte<br />
gegeben, dreimal hatte Frankreich direkt militärisch <strong>in</strong>terveniert. Mit Staatschef<br />
Goukouni Oueddei, der im Gefolge des Bürgerkrieges und der libyschen Intervention<br />
1979 Präsident des Tschad geworden war, hatte Gaddafi 1981 die Vere<strong>in</strong>igung<br />
des Tschad mit Libyen vere<strong>in</strong>bart. Infolge der französischen Intervention musste<br />
sich Libyen jedoch wieder zurückziehen, Oueddei wurde gestürzt und verdrängt,<br />
wobei Ägypten, der Sudan und die USA dies unterstützten. Das heißt, Frankreich<br />
und die USA hatten bereits <strong>in</strong> der Vergangenheit auch deshalb Konflikte mit Gaddafi,<br />
weil dessen Politik mit ihren Interessen <strong>in</strong> Afrika kollidiert war.<br />
Im Tschad hatten 1981 die arabischen Nachbarländer Ägypten und Sudan ebenfalls<br />
gegen das libysche Vorgehen <strong>in</strong>terveniert. Dazu, dass Gaddafi sich <strong>in</strong>sgesamt <strong>in</strong>tensiver<br />
afrikanischen Angelegenheiten zuwandte, hatte gewiss auch die Zurückweisung<br />
se<strong>in</strong>er Bemühungen um die arabische E<strong>in</strong>heit beigetragen. Auf dem Gipfeltreffen<br />
der Staaten der Afrikanischen Union (AU) <strong>in</strong> der äthiopischen Hauptstadt Addis<br />
Abeba im Februar 2009 war Gaddafi turnusmäßig für e<strong>in</strong> Jahr zum Präsidenten des<br />
Staatenbundes gewählt worden. Das libysche Engagement <strong>in</strong> Afrika nördlich des<br />
Äquators war sehr breit angelegt. Libyen zahlt 15 Prozent des Budgets der AU und<br />
darüber h<strong>in</strong>aus die Jahresbeiträge mehrerer kle<strong>in</strong>er und armer Länder. In Mali hatten<br />
die f<strong>in</strong>anziellen und diplomatischen Mittel Libyens dazu beigetragen, den Konflikt<br />
zwischen Regierung und Aufständischen zu beruhigen. In Liberia, e<strong>in</strong>em der<br />
ärmsten Länder Afrikas, das nach mörderischem Bürgerkrieg unter der gewählten<br />
Präsident<strong>in</strong> Ellen Johnson-Sirleaf als westlich orientiert gilt, hat Libyen 65 Millionen<br />
US-Dollar <strong>in</strong>vestiert und damit zur Stabilisierung der Lage beigetragen. Auch <strong>in</strong> Niger,<br />
Tschad und der Zentralafrikanischen Republik haben libysche F<strong>in</strong>anzen zur Stabilität<br />
beigetragen. In Somalia hat die AU als friedenserhaltende Maßnahme gegen<br />
islamistische Kräfte 8.000 Soldaten e<strong>in</strong>gesetzt, die vor allem auch von Libyen f<strong>in</strong>anziert<br />
wurden. Mit 260 Millionen Euro ist Libyen e<strong>in</strong>er der wichtigsten Anleger der<br />
afrkanischen Entwicklungsbank. Nach Experten-Schätzungen hat Libyen <strong>in</strong>sgesamt<br />
etwa sechs Milliarden Euro <strong>in</strong> anderen afrikanischen Ländern <strong>in</strong>vestiert.<br />
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