Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Nordafrika</strong>?<br />
Der Krieg und die Umbrüche <strong>in</strong> den arabischen Ländern<br />
FAZ.net hat (gesehen am 19. 04. 2011) e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teraktive Karte <strong>in</strong>s Netz gestellt. Sie<br />
hat den Titel: „Aufruhr <strong>in</strong> der arabischen Welt“ – die entsprechenden Länder können<br />
angeklickt werden. Es s<strong>in</strong>d (von l<strong>in</strong>ks nach rechts): Algerien, Tunesien, Libyen,<br />
Ägypten, Jordanien, Libanon und Syrien – diese Länder s<strong>in</strong>d ocker-gelb, die anderen<br />
– wo die Kartenmacher offenbar ke<strong>in</strong>e Unruhen sehen – grau, darunter Saudi-<br />
Arabien und die anderen Golf-Königtümer sowie das Königreich Marokko. Noch vor<br />
kurzem schien das anders zu se<strong>in</strong>. Das Hamburger Wochenmagaz<strong>in</strong> Der Spiegel<br />
titelte <strong>in</strong> Nummer 9/2011 (das Ersche<strong>in</strong>ungsdatum war der 28. Februar) voller Sorge<br />
über e<strong>in</strong>em Text zu Saudi-Arabien: „Die Milliarden-Dollar-Frage“. Der Untertitel lautete:<br />
„Zündet der Funke des Widerstands auch im archaisch regierten, schwerreichen<br />
und für die Energieversorgung der Welt unersetzbaren Königreich am Golf?“<br />
Die Sorge war e<strong>in</strong>deutig: Wenn „die arabische <strong>Revolution</strong>“, die sich von Tunesien<br />
und Ägypten ausgehend <strong>in</strong> der gesamten arabischen Welt sche<strong>in</strong>bar unaufhaltsam<br />
auszubreiten schien, Saudi-Arabien erreicht, hat der Westen nicht nur e<strong>in</strong> geopolitisches<br />
Problem <strong>in</strong> der sensiblen, komplizierten und kriegsträchtigen Region des Nahen<br />
und Mittleren Ostens, sondern auch e<strong>in</strong> Problem der Ölversorgung, das wiederum<br />
negative Auswirkungen auf die <strong>in</strong>nere Lage hätte (Wirtschaft und Lebensweise<br />
im Westen, das westliche Wirtschafts- und Zivilisationsmodell hängen nach<br />
wie vor an dem exzessiven Verbrauch fossiler Brennstoffe). Das hätte den gerade<br />
begonnenen Wirtschaftsaufschwung nach der Weltwirtschaftskrise beenden und<br />
die westlichen Volkswirtschaften <strong>in</strong> den neuerlichen Abschwung treiben können.<br />
Das wollte der Westen vermeiden. Und die Potentaten der Golfmonarchien wollten<br />
erst recht nicht ihren Sturz.<br />
Damit gab es drei Optionen für die westliche Politik im Nahen und Mittleren Osten:<br />
(1) Plötzlich und unerwartet die <strong>Revolution</strong> zu begrüßen und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e prowestliche,<br />
auf endliche Durchsetzung der „westlichen Werte“ von Freiheit und Demokratie<br />
nun auch im arabischen Raum umzudeuten. Das taten die Regierungschefs der EU<br />
und der USA, die Außenm<strong>in</strong>ister von Cl<strong>in</strong>ton bis Westerwelle voller Eifer und medienwirksam.<br />
(2) Die politischen Akteure <strong>in</strong> den revolutionierten Ländern e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den<br />
mit Geld, guten Ratschlägen und geschickter Diplomatie und dafür zu sorgen,<br />
dass die neue Demokratie auf das westlich anerkannte und propagierte Verfahren<br />
der demokratisch aussehenden Wahl reduziert bleibt, ohne dass <strong>in</strong> der Sache – der<br />
Macht, der Eigentumsordnung und neoliberalen Privatisierung zugunsten der ausländischen,<br />
sprich westlichen Eigentümer, der geopolitischen Dom<strong>in</strong>anz des Westens<br />
<strong>in</strong> der Region und der regelmäßigen und preiswerten Öllieferung – sich etwas<br />
ändert. (3) Die restlichen Bewegungen mittels Waffengewalt, ggf. e<strong>in</strong>en „begrenzten<br />
Krieg“ niederzuschlagen und <strong>in</strong> ihre Schranken zurück zu verweisen. Das machte<br />
sich natürlich am besten dort, wo es der revolutionären Bewegung am meisten<br />
und der Ölversorgung des Westens am wenigsten schadet, also weit weg von der<br />
Arabischen Halb<strong>in</strong>sel und Saudi-Arabien. Gaddafi bot die Gelegenheit, dies dann <strong>in</strong><br />
Libyen zu tun. Dabei konnte zugleich versucht werden, gleich noch e<strong>in</strong> paar andere<br />
Rechnungen mit zu begleichen und für die nächsten Jahrzehnte geopolitisch Wei-<br />
65