Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Nordafrika</strong>?<br />
die so gern die Welt beherrscht hätten. Die deutsche Zweistaatlichkeit war die Folge;<br />
die Herstellung der deutschen E<strong>in</strong>heit 1990 erfolgte unter der Voraussetzung,<br />
dass Deutschland <strong>in</strong> der NATO verbleibt, gewissermaßen unter der Kontrolle der<br />
USA. Die Folgerung der herrschenden Eliten <strong>in</strong> der Bundesrepublik Deutschland<br />
nach der Niederlage von 1945 war, „nie wieder alle<strong>in</strong>“ um Macht und E<strong>in</strong>fluss <strong>in</strong> der<br />
Welt zu r<strong>in</strong>gen. Das waren zunächst die NATO und die EU, die diese E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />
sicherten. Im Jahre 2003 konnte sich die deutsche Bundesregierung, als sie sich der<br />
direkten Beteiligung am Irak-Krieg von Bush II verweigerte, darauf stützen, dass<br />
Frankreich ebenfalls dagegen war. Mit anderen Worten: es galt als Staatsraison der<br />
Bundesrepublik Deutschland, dass man „im Bündnis“ e<strong>in</strong>gebunden außenpolitisch<br />
agiert. Die Enthaltung im UNO-Sicherheitsrat jetzt war das erste Mal, dass Deutschland<br />
weder mit Frankreich noch mit den USA geme<strong>in</strong>sam handelte. Aus friedenspolitischer<br />
Sicht ist das zu begrüßen. Dah<strong>in</strong>ter aber steht, dass dieses Deutschland<br />
sich zwanzig Jahre nach Erlangung der Souveränität wieder selbständiger <strong>in</strong> der<br />
<strong>in</strong>ternationalen Politik bewegt und eigene Interessen wahrnimmt. Was das künftig<br />
bedeuten wird, ist offen. Es heißt aber zum<strong>in</strong>dest, dass die L<strong>in</strong>ke und die Friedensbewegung<br />
sich noch genauer mit den Ursachen und den Folgen deutscher Außenpolitik<br />
befassen müssen. Bundeskanzler<strong>in</strong> Merkel hat ihren besonderen Vertrauten,<br />
Bundesverteidigungsm<strong>in</strong>ister Thomas de Maizière, Ende April <strong>in</strong> die USA geschickt,<br />
um dort wieder bessere Stimmung zu machen und dem UNO-Generalsekretär das<br />
auch künftig große Engagement Deutschlands zuzusichern. Er rechne derzeit nicht<br />
mit e<strong>in</strong>em „humanitären E<strong>in</strong>satz der Bundeswehr <strong>in</strong> Libyen“, sagte de Maizière vor<br />
dem Treffen. Zugleich forderte er e<strong>in</strong> Ende der Diskussionen <strong>in</strong> Deutschland über<br />
die Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung im UNO-Sicherheitsrat über den<br />
Militäre<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Libyen. (Deutsche Welle, 27. 04. 2011)<br />
Der Vorgang zeigt, dass der Rückgang des E<strong>in</strong>flusses der USA größere außenpolitische<br />
Spielräume auch für Deutschland bedeutet, die künftig zielstrebiger genutzt<br />
werden sollen. „Nie wieder alle<strong>in</strong>“ zu handeln heißt: Wenn man sich aussuchen<br />
kann, ob man dies im Rahmen der NATO, dem der EU oder im Kontext der UNO<br />
tun will, hat man sehr weitgehende Handlungsspielräume. Zugleich wirkt der Faktor,<br />
militärisch zu handeln, weil die wirtschaftlichen Kräfte nachlassen, im Falle der<br />
USA wie auch Frankreichs und Großbritanniens. Insofern haben gewissermaßen<br />
jene Mächte für den Libyen-Krieg agiert, die wirtschaftlich geschwächt aus der<br />
jüngsten Weltwirtschaftskrise hervorg<strong>in</strong>gen, und jene Mächte sich im UNO-<br />
Sicherheitsrat enthalten, die nach der Krise zum<strong>in</strong>dest relativ gestärkt ersche<strong>in</strong>en.<br />
Zugleich ist bemerkenswert, dass die Regierung diesen Schritt durchgesetzt hat,<br />
auch wenn e<strong>in</strong> großer Teil der „politischen Klasse“ darauf mental und konzeptionell<br />
nicht vorbereitet war, weil er der westdeutschen politischen Konditionierung <strong>in</strong> Sachen<br />
Amerika-Liebe widersprach. Deutschland hat mit den neuen Wirtschaftsmächten<br />
gestimmt und hat mit denen wirtschaftlich übere<strong>in</strong>stimmende Interessen. Die<br />
Wachstumsmärkte, die den derzeitigen deutschen Exportkapitalismus wieder beflügeln,<br />
für s<strong>in</strong>kende Arbeitslosigkeit und steigende Umsätze sorgen, liegen <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a,<br />
Indien und Russland, aber auch im Nahen Osten. Die EU ist <strong>in</strong>zwischen gewissermaßen<br />
das natürliche H<strong>in</strong>terland des globalen wirtschaftlichen Agierens Deutsch-<br />
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