Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Nordafrika</strong>?<br />
öffentlichen und vor allem kommunalen Haushalte, durch die die Folgen der F<strong>in</strong>anz-<br />
und Wirtschaftskrise vollends auf die sozial Schwachen abgewälzt wurden – mit<br />
weitreichenden Reduzierungen der sozialen Leistungen; (4) die Gesellschaftskrise, <strong>in</strong><br />
der die ökonomischen Probleme auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt durchschlagen.<br />
Die Stadien bilden auch e<strong>in</strong>e Abfolge, <strong>in</strong> der die vorhergehende die jeweils<br />
nächste Krise zur Folge hatte und schrittweise immer größere Teile der Gesellschaft<br />
erfasste. Von hier ist es dann ke<strong>in</strong> weiter Weg mehr zu e<strong>in</strong>er Krise des politischen<br />
Systems.<br />
Die politisch Verantwortlichen haben angesichts konjunktureller Erholung die Wirtschaftskrise<br />
2010 für beendet erklärt. Die Fiskalkrise und die Gesellschaftskrise –<br />
deren Indikatoren die anomischen Befunde der Entsolidarisierung s<strong>in</strong>d – halten jedoch<br />
an. Wie es mit den Folgen für das politische System ist, wird sich zeigen müssen.<br />
Die Studie identifiziert Befunde gesellschaftlicher Des<strong>in</strong>tegration, der Auflösung<br />
der Regeln des Zusammenlebens, der Zunahme von Gewalt gegen andere und sich<br />
selbst. Damit nehmen die Konflikte <strong>in</strong> der Gesellschaft zu und deren Regelungsfähigkeit<br />
nimmt ab. Natürlich besteht ke<strong>in</strong> l<strong>in</strong>earer Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher<br />
Makroebene und <strong>in</strong>dividuellem Verhalten; doch massenhafte Veränderung<br />
des Verhaltens führt zu e<strong>in</strong>er Änderung der Verhältnisse. Die Frage ist nur:<br />
Woh<strong>in</strong>? Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit, Islamfe<strong>in</strong>dlichkeit, zunehmende Gewaltbereitschaft,<br />
Abwertung von Obdach- und Arbeitslosen, Verachtung sozial Schwächerer, dekadente<br />
„Eliten“, Klassenkampf von oben, schließlich beabsichtigte soziale Des<strong>in</strong>tegration<br />
und Entsolidarisierung s<strong>in</strong>d die Folgen. Das Ergebnis ist – hier bezieht sich<br />
Heitmeyer auf den Soziologen Claus Offe – e<strong>in</strong>e „schleichende Verrottung des demokratischen<br />
Systems“. Das ist allerd<strong>in</strong>gs nicht mehr nur e<strong>in</strong> Befund der „Deutschen<br />
Zustände“, sondern der real existierenden kapitalistischen Gesellschaften des<br />
Westens.<br />
Die imperialistischen Kriege des 21. Jahrhunderts s<strong>in</strong>d Teil dieser „Verrottung“. E<strong>in</strong>e<br />
„pr<strong>in</strong>zipielle Friedensfähigkeit“ des Kapitalismus gibt es ebenso wenig, wie e<strong>in</strong>en<br />
l<strong>in</strong>earen Zwang zum Krieg. Es gibt e<strong>in</strong>en historischen und systemischen Zusammenhang<br />
von Kapitalismus, Krise und Krieg. Aber Kriege werden immer gemacht.<br />
Dann kann den Kriegstreibern auch <strong>in</strong> den Arm gefallen werden. Das ist die Aufgabe<br />
der Friedensbewegung, aller friedliebenden Menschen. Es hängt jedoch immer<br />
vom politischen Kräfteverhältnis ab, und zwar <strong>in</strong> jedem e<strong>in</strong>zelnen Land.<br />
Bei aller Bedeutung nichtstaatlicher Akteure auch <strong>in</strong> den Internationalen Beziehungen<br />
e<strong>in</strong>erseits und der Privatisierung der Gewalt, wie von den USA etwa <strong>in</strong> Irak<br />
praktiziert, andererseits, <strong>in</strong> der Frage „Krieg – Frieden“ s<strong>in</strong>d die Staaten auch im 21.<br />
Jahrhundert die zentralen Akteure und spielen Organisationen der Staaten – wie<br />
UNO, NATO, Shanghai-Organisation, G 20, Arabische Liga und Afrikanische Union –<br />
e<strong>in</strong>e herausragende Rolle. Insofern kommt ihrem Agieren dabei, ob denn nun e<strong>in</strong><br />
konkreter Krieg angezettelt und geführt wird, oder nicht, e<strong>in</strong>e zentrale Rolle zu. International<br />
agierende Großfirmen, Öl<strong>in</strong>dustrie, Großbanken, ideologische Anstalten<br />
und selbsternannte oder medienernannte Vordenker, wie der französische Philo-<br />
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