<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Nordafrika</strong>? chen zu stellen. Zugleich allerd<strong>in</strong>gs waren nicht nur Staaten des Westens der aktive und arabische Staaten der passive Teil. Vielmehr agierten die absoluten Könige der Golfstaaten sehr aktiv, g<strong>in</strong>g es doch um ihre Machtsicherung. 66
<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Nordafrika</strong>? Immanuel Wallerste<strong>in</strong>: Das grandiose libysche Ablenkungsmanöver In dem ganzen libyschen Konflikt des letzten Monats – der Bürgerkrieg <strong>in</strong> dem Land und die US-geführte militärische Aktion gegen Gaddafi – geht es weder um e<strong>in</strong>e humanitäre Intervention noch um die unmittelbare Versorgung der Welt mit Erdöl. Es handelt sich <strong>in</strong> der Tat um e<strong>in</strong> großes Ablenkungsmanöver – e<strong>in</strong> bewusstes Ablenkungsmanöver dazu – von der grundlegenden politischen Ause<strong>in</strong>andersetzung <strong>in</strong>nerhalb der arabischen Welt. E<strong>in</strong>e Sache gibt es, bei der Gaddafi und die westlichen Regierungschefs aller politischen Schattierungen vollständig übere<strong>in</strong>stimmen. Sie alle wollen die zweite arabische Revolte verlangsamen, kanalisieren, kooptieren und e<strong>in</strong>grenzen, und dadurch verh<strong>in</strong>dern, dass die grundlegenden politischen Realitäten der arabischen Welt und deren Rolle <strong>in</strong> der weltweiten Geopolitik verändert werden... Dies war me<strong>in</strong>er Ansicht nach die Fortsetzung... von 1968. In jenem Jahr, wie auch <strong>in</strong> den letzten Monaten <strong>in</strong> der arabischen Welt, bestand die Gruppe derer, die den Mut und den Willen hatten, den Protest gegen die <strong>in</strong>stitutionalisierten Autoritäten zu beg<strong>in</strong>nen, aus jungen Menschen. Ihre Motivation erwuchs aus vielen Faktoren: die Willkür, Grausamkeit und Korruptheit derer an der Macht, ihre eigene sich verschlechternde wirtschaftliche Situation und vor allem aus dem Insistieren auf ihrem moralischen und politischen Recht, e<strong>in</strong>e Hauptrolle beim Bestimmen ihres eigene politischen und kulturellem Schicksals e<strong>in</strong>zunehmen. Gleichzeitig protestierten sie gegen die gesamte Struktur des Weltsystems und die Art und Weise, <strong>in</strong> der ihre Führer dem Druck fremder Mächte unterworfen waren. Diese jungen Menschen waren nicht organisiert, wenigstens nicht anfangs. Und sie durchschauten auch die politische Szene nicht immer vollständig. Aber sie waren couragiert. Und, wie 1968, ihre Aktionen waren ansteckend. Sehr bald bedrohten sie <strong>in</strong> praktisch jedem arabischen Staat und ohne Rücksicht auf die Außenpolitik die etablierte Ordnung. Als sie <strong>in</strong> Ägypten – immer noch der arabische Schlüsselstaat – ihre Stärke demonstrierten, begann jeder sie ernst zu nehmen. Dabei gibt es zwei Wege e<strong>in</strong>e derartige Revolte ernst zu nehmen. Der e<strong>in</strong>e ist, sich ihr anzuschließen und dadurch versuchen sie zu kontrollieren. Der andere ist, sie mit harten Maßnahmen niederzuwerfen. Beides ist versucht worden... Als also der Aufstand <strong>in</strong> Libyen begann, war das das direkte Resultat des Erfolgs der Revolten <strong>in</strong> den beiden Nachbarstaaten, Tunesien und Ägypten. Gaddafi ist e<strong>in</strong> besonders skrupelloser politischer Führer, der entsetzliche Aussagen von sich gab, was er mit Verrätern anstellen würde. Wenn es nun sehr schnell starke Stimmen <strong>in</strong> Frankreich, Großbritannien und den USA gab, militärisch zu <strong>in</strong>tervenieren, so war das kaum, weil Gaddafi e<strong>in</strong> anti-imperialistischer Stachel <strong>in</strong> ihrem Fleisch war. Er verkaufte se<strong>in</strong> Öl bereitwillig an den Westen und rühmte sich der Tatsache, dass er Italien half, die Flut der illegalen E<strong>in</strong>wanderung e<strong>in</strong>zudämmen. Auch bot er der westlichen Geschäftswelt lukrative Vere<strong>in</strong>barungen an. Das Lager der „Interventionisten“ bestand aus zwei Komponenten: e<strong>in</strong>mal diejenigen für die alle und jede Interventionen durch den Westen e<strong>in</strong>fach unwiderstehlich s<strong>in</strong>d, und solche, die für e<strong>in</strong>e humanitäre Intervention plädierten. Beide trafen auf die starke Opposition des US-Militärs, das den Krieg <strong>in</strong> Libyen als nicht zu gew<strong>in</strong>nen 67