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Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Nordafrika</strong>?<br />

Nach all den Umwälzungen, Umbrüchen und Konvulsionen des 20. Jahrhunderts ist<br />

nicht mehr e<strong>in</strong>deutig zu sagen, ob <strong>Revolution</strong>en „Lokomotiven der Geschichte“<br />

s<strong>in</strong>d, wie Karl Marx me<strong>in</strong>te, oder aber „der Griff des <strong>in</strong> diesem Zuge reisenden Menschengeschlechts<br />

nach der Notbremse“, wie Walter Benjam<strong>in</strong> e<strong>in</strong>wandte. Insofern<br />

s<strong>in</strong>d die Gründe für den Ausbruch e<strong>in</strong>er <strong>Revolution</strong> und die für ihr Ergebnis nicht<br />

notwendig dieselben, oft im Gegenteil.<br />

Im Unterschied zu den <strong>Revolution</strong>senthusiasten des 19. Jahrhunderts wissen wir<br />

aber heute, dass echte <strong>Revolution</strong>en, die zum Zusammenbruch der alten Ordnung<br />

und zur Entstehung e<strong>in</strong>er neuen führen, weder notwendig aus den jeweiligen wirtschaftlichen<br />

und sozialen Verhältnissen folgen (der politische „Überbau“ kann auch<br />

auf dem Wege von Kompromissen und Reformen umgewälzt werden, wenn die<br />

politischen Verhältnisse es hergeben und die zuvor herrschenden Kreise es h<strong>in</strong>nehmen<br />

müssen oder mitmachen), noch durch e<strong>in</strong>e revolutionäre Avantgarde bewusst<br />

und zielgerichtet herbeigeführt werden können. Die Subjekte der Veränderung, der<br />

<strong>Revolution</strong>, bilden sich <strong>in</strong> aller Regel im Prozess der Veränderung bzw. der <strong>Revolution</strong><br />

selbst heraus. Gleichwohl gilt auch im 21. Jahrhundert, dass <strong>Revolution</strong>en dann<br />

ausbrechen, wenn „die oben“ nicht mehr auf die alte Weise herrschen können und<br />

„die unten“ nicht mehr wie bisher leben wollen (Len<strong>in</strong>). Das hat <strong>in</strong> Tunesien und<br />

Ägypten stattgefunden und wird <strong>in</strong> anderen arabischen Ländern gerade versucht.<br />

Die weitere Entwicklung ist offen, vielleicht offener als seit e<strong>in</strong>em halben Jahrhundert<br />

im Nahen Osten.<br />

Bald wurde diskutiert, ob es e<strong>in</strong>en „Dom<strong>in</strong>oeffekt“ geben werde und weitere Regimezusammenbrüche<br />

folgen würden. Wahrsche<strong>in</strong>lich war bereits diese Fragestellung<br />

von Anfang an überzogen und problematisch. Das gilt auch für „die <strong>Revolution</strong>“,<br />

wenn sie plötzlich und unerwartet im Westen auch von offizieller Seite gelobt<br />

wird, wo sie doch gerade e<strong>in</strong>en Despoten entmachtet hat, der bis eben noch enger<br />

Verbündeter und e<strong>in</strong> williger Vollstrecker westlicher Interessen war. Ägyptens langjähriger<br />

Präsident Hosni Mubarak wurde gestürzt, der tunesische Präsident Ben Ali<br />

ebenfalls. Die Umbrüche <strong>in</strong> Tunesien und Ägypten strahlten auf den gesamten arabischen<br />

Raum aus, und es war zweifelsohne e<strong>in</strong> „Aufstand“, der die gesamte Region<br />

erschüttert und bereits verändert hat. Daraus resultiert allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong> Automatismus.<br />

Wohl gab und wird es weiteres Aufbegehren und Demonstrationen <strong>in</strong> anderen<br />

arabischen Ländern geben, das musste jedoch nicht notwendig zu weiteren Regimezusammenbrüchen<br />

und gesellschaftlichen Umwälzungen führen. In den e<strong>in</strong>en<br />

Ländern reichen die „eigenen“ Geheimdienste und Polizeikräfte, die Demonstranten<br />

ause<strong>in</strong>ander zu jagen bzw. <strong>in</strong>s Gefängnis zu werfen, <strong>in</strong> anderen, wie Bahre<strong>in</strong>, <strong>in</strong>terveniert<br />

mal eben der arabische Nachbar – hier Saudi-Arabien – mit militärischer<br />

Gewalt, ohne dass sich im Westen e<strong>in</strong> Proteststurm erhebt. In den dritten lässt die<br />

Regierung auf die eigene Bevölkerung schießen, wie <strong>in</strong> Jemen, Syrien und Libyen,<br />

und die Reaktionen des Westens darauf s<strong>in</strong>d sehr unterschiedlich. Der Kriegsfall<br />

Libyen muss also se<strong>in</strong>e spezifischen Gründe haben. Die s<strong>in</strong>d jedoch <strong>in</strong> das Gesamtgefüge<br />

der arabischen Aufstände des Jahres 2011 e<strong>in</strong>gebunden.<br />

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