Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Nordafrika</strong>?<br />
Wenn die Herrschenden den E<strong>in</strong>bruch des Krieges <strong>in</strong> das Leben unzähliger Menschen<br />
und damit den Tod vieler Unschuldiger und das neuerliche Schuldigwerden<br />
ihrer Kriegsknechte befohlen haben, stellt dies stets auf’s Neue e<strong>in</strong>e Herausforderung<br />
für das Denken und Fühlen dar, Wut und Ablehnung, aber auch Mitgefühl und<br />
Solidarität stellen sich e<strong>in</strong>. Doch es ist immer auch e<strong>in</strong>e besondere Herausforderung<br />
an die politische und historische Analyse. Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.<br />
Im Zeitalter der elektronischen Medien werden nicht nur die elektronischen<br />
Systeme und die Journalisten „e<strong>in</strong>gebettet“ <strong>in</strong> das Lügengesp<strong>in</strong>st der Kriegspropaganda,<br />
sondern auch die gesiebten Informationen. Die dünne Informationslage zu<br />
Libyen, eigentlich zu ganz <strong>Nordafrika</strong> <strong>in</strong> Europa ist Ausdruck dessen, dass sich die<br />
meisten Europäer jenseits von Ägypten, den Pyramiden und dem Tourismus kaum<br />
mit der Region befasst haben. Das erleichtert es, auch mit Falsch<strong>in</strong>formationen und<br />
Spekulationen Krieg zu führen. E<strong>in</strong>e Untersuchung, die auf den Tatsachen fußen<br />
will, hat es daher schwer. Die hiermit vorgelegte Analyse will e<strong>in</strong>en Beitrag zur Aufklärung<br />
im Dienste des Friedens und gegen den Krieg leisten. Es ist gewiss besonders<br />
schwierig, dies gleichsam <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zwischenstudium zu tun, da noch nicht<br />
ausgemacht ist, wie dieser Krieg ausgeht. Aber vielleicht trägt ja die kritische Darstellung<br />
se<strong>in</strong>er Zusammenhänge und der obwaltenden Interessen dazu bei, ihn zu<br />
verkürzen oder längerfristig Krieg überhaupt zu verunmöglichen.<br />
Die Kriegsaktionen westlicher Mächte gegen Ziele <strong>in</strong> Libyen begannen mit Luftangriffen<br />
am 19. März 2011; am 22. März folgte e<strong>in</strong>e Seeblockade. Am 24. März hieß<br />
es, die Luftwaffe von Gaddafi sei zerstört, „Phase I“ des Krieges abgeschlossen. Für<br />
„Phase II“ übernahm die NATO das Kommando. Den Versuchen der Afrikanischen<br />
Union, des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez und der türkischen Regierung,<br />
zwischen den libyschen Bürgerkriegsparteien zu vermitteln, um so den angedrohten<br />
Krieg der äußeren Mächte zu verh<strong>in</strong>dern, war e<strong>in</strong> massiver Riegel der<br />
Macht des Faktischen vorgeschoben. Die Logik des Krieges hat die des Friedens<br />
außer Kraft setzen sollen, und sie waltet weiter.<br />
Es ist e<strong>in</strong> „asymmetrischer“ Krieg. „Der Pilot e<strong>in</strong>es Kampfbombers oder die Besatzung<br />
e<strong>in</strong>es Kriegsschiffs, von dem aus Tomahawk-Raketen abgefeuert werden, bef<strong>in</strong>den<br />
sich außerhalb der Reichweite gegnerischer Waffen. Der Krieg hat hier alle<br />
Charakteristika der klassischen Duellsituation verloren und sich, zynisch gesagt,<br />
gewissen Formen von Schädl<strong>in</strong>gsbekämpfung angenähert.“ (Herfried Münkler) Der<br />
Schädl<strong>in</strong>g heißt jetzt Gaddafi. Nur, wie das mit der Kriegsoption und ihren Folgen so<br />
ist: am Ende sterben nicht (nur) die Diktatoren, sondern unschuldige Menschen. Die<br />
Diskussion um „Kollateralschäden“ wird unterdrückt. Kann der Pilot im heranrasenden<br />
Flugzeug oder die Flügelrakete unterscheiden, ob das am Boden e<strong>in</strong> „Schädl<strong>in</strong>g“<br />
oder e<strong>in</strong> „nützlicher Zivilist“ ist? E<strong>in</strong> böser Regierungssoldat oder e<strong>in</strong> guter<br />
Aufständischer?<br />
Die angreifenden Mächte haben seit Anbeg<strong>in</strong>n nicht auf die „Flugverbotszone“ zum<br />
Schutz der libyschen Zivilbevölkerung abgezielt, wie es <strong>in</strong> der Resolution 1973 des<br />
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