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Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Nordafrika</strong>?<br />

nen dieses Geld für die F<strong>in</strong>anzierung von Soziale<strong>in</strong>richtungen oder den „Kauf“<br />

von Zustimmung maßgeblicher Teile der Bevölkerung nutzen) und Länder mit<br />

e<strong>in</strong>er eigenen B<strong>in</strong>nenökonomie, die auf <strong>in</strong>ternationalen Wirtschaftsbeziehungen<br />

und Förderung produktiver Kapazitäten beruht und <strong>in</strong> denen die Regierung auf<br />

die Steuerzahlung der E<strong>in</strong>wohner angewiesen ist, zu unterscheiden – Rentenstaaten<br />

verh<strong>in</strong>dern eigene ökonomische Entwicklung und s<strong>in</strong>d zentrale Ursache<br />

für gigantische Korruption, die Perspektivlosigkeit der Bevölkerung ist hier am<br />

größten;<br />

� Länder mit e<strong>in</strong>er hohen Bevölkerungsdichte – und damit e<strong>in</strong>em großen demographischen<br />

Armutsdruck, <strong>in</strong>sbesondere unter der Jugend – und solche mit<br />

niedriger Bevölkerungsdichte, <strong>in</strong> denen die Regierung also e<strong>in</strong>en beträchtlichen<br />

Teil der Bevölkerung lange Zeit „kaufen“ kann;<br />

� Länder mit vergleichsweise homogener Bevölkerung und Länder mit unterschiedlichen<br />

<strong>in</strong>neren Bruchl<strong>in</strong>ien nach Religion (<strong>in</strong>sbesondere Sunniten – Schiiten,<br />

aber auch Moslems – Christen u.a.), ethnischer bzw. nationaler Zusammensetzung<br />

(Araber – Berber; <strong>in</strong>ländische Staatsangehörige – „Gastarbeiter“, etwa<br />

Ägypter und Ch<strong>in</strong>esen <strong>in</strong> Libyen, Paläst<strong>in</strong>enser und Pakistaner <strong>in</strong> den Staaten der<br />

Golfregion usw.), Lebensweise (Stadt – Land, urban/ländlich sesshafte oder nomadische<br />

Lebensweise <strong>in</strong> der Wüste) und Stammeszugehörigkeit;<br />

� Länder mit traditionellen Herrschaftssystemen (<strong>in</strong>sbesondere auf der Arabischen<br />

Halb<strong>in</strong>sel) und solche mit e<strong>in</strong>er eigenen revolutionären, eigenstaatlichen und politischen<br />

Geschichte, die im Zuge des Aufstandes wieder als Berufungsgrundlage<br />

für das politische Handeln genutzt werden kann.<br />

Länder mit reichlich fließenden E<strong>in</strong>nahmen aus der Förderung und dem Verkauf von<br />

Erdöl und Erdgas s<strong>in</strong>d Saudi-Arabien, die meisten Golfstaaten, Algerien, Libyen. Tunesien,<br />

Marokko, Jordanien und Ägypten s<strong>in</strong>d Länder, die solche E<strong>in</strong>nahmen nicht<br />

oder nur <strong>in</strong> beschränktem Maße haben; zudem haben beide e<strong>in</strong>e große Bevölkerungszahl,<br />

Ägypten ist mit etwa 83 Millionen E<strong>in</strong>wohnern das bevölkerungsreichste<br />

arabische Land; Tunesien hat „nur“ 10 Millionen E<strong>in</strong>wohner, aber bezogen auf das<br />

Territorium e<strong>in</strong>e vergleichsweise hohe Bevölkerungsdichte. Nimmt man diese beiden<br />

Faktoren – Erdöl- und Erdgasförderung bzw. Rentenökonomie sowie Bevölkerung<br />

– so ergibt sich die Besonderheit, dass Regierungen reicher Ölländer mit vergleichsweise<br />

übersichtlichen Bevölkerungen über die größten Möglichkeiten verfügen,<br />

ihre Staatsbürger alimentieren zu können. Das haben Gaddafi <strong>in</strong> Libyen wie die<br />

Emire der Golfstaaten seit Jahrzehnten getan, auch wenn <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>en Falle verkündet<br />

wurde, das sei sozialistisch, <strong>in</strong> den anderen Fällen nicht.<br />

Sollten die Forderungen nach Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung<br />

der Menschenrechte auch die arabischen Königreiche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ägypten vergleichbaren<br />

Weise erfassen, e<strong>in</strong>schließlich und <strong>in</strong>sbesondere Saudi-Arabien, würde die Welle<br />

der Umwälzungen im arabischen Raum e<strong>in</strong>e noch größere Wucht annehmen.<br />

Und niemand wüsste, was sie alles h<strong>in</strong>wegspülen würde. E<strong>in</strong>e solche Entwicklung<br />

hätte nicht nur Folgen für die geopolitische Konstellation <strong>in</strong> der Region. Der Westen<br />

müsste mit großen Turbulenzen rechnen, die jene der Erdölkrise von 1973 weit<br />

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