Revolution in Nordafrika? - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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<strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Nordafrika</strong>?<br />
Das Ende des kalten Krieges führte nicht zu e<strong>in</strong>em sicheren Frieden und zu weniger<br />
Konflikten. Die Dom<strong>in</strong>anz der USA als der e<strong>in</strong>zig h<strong>in</strong>terbliebenen Supermacht währte<br />
allerd<strong>in</strong>gs nur kurz. Die Niederlage im Irak-Krieg und das sich abzeichnende Fiasko<br />
<strong>in</strong> Afghanistan machten deutlich, dass die USA den Zenit ihrer Weltgeltung bereits<br />
überschritten haben. Ihnen erwuchsen neue Konkurrenten und Herausforderer.<br />
Dazu gehört auch die Europäische Union, die mit den USA <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em spezifischen<br />
Verhältnis von Kooperation und Bündnis auf der e<strong>in</strong>en sowie Konkurrenz und Rivalität<br />
auf der anderen Seite verbunden ist. Beide Seiten suchen zum<strong>in</strong>dest auf der politisch-diplomatischen<br />
und symbolischen sowie militärischen Ebene den Schulterschluss,<br />
wenn es um die Konkurrenz mit Ch<strong>in</strong>a, Indien, Russland und anderen Staaten<br />
geht, die <strong>in</strong> der Shanghai-Organisation bzw. durch die Treffen der BRICS-<br />
Staaten mite<strong>in</strong>ander verbunden s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e wesentliche Ebene dieser Bündnisbeziehung<br />
ist nach wie vor die NATO.<br />
Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund stellt sich die Frage neu, wie wir <strong>in</strong> dieser Welt leben und<br />
überleben wollen. Dom<strong>in</strong>anz e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zelnen Macht wird es nicht geben; alle Vorstellungen,<br />
ob denn nun Ch<strong>in</strong>a an die Stelle der USA als Supermacht treten werde,<br />
gehen am Kern der Sache vorbei. Die Haupttendenz der <strong>in</strong>ternationalen Entwicklungen<br />
läuft auf e<strong>in</strong>e multipolare Welt h<strong>in</strong>aus. Die Frage ist, ob diese e<strong>in</strong> „Konzert<br />
der Mächte“ se<strong>in</strong> wird, wie das Europa der konkurrierenden Mächte von 1815 bis<br />
1914, die sich auf je unterschiedliche Weise über das <strong>in</strong>ternationale Recht h<strong>in</strong>wegsetzen,<br />
sofern sie es nicht selbst setzen, oder e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationale Ordnung des<br />
Rechts, wie sie idealiter <strong>in</strong> der UNO-Charta vorgesehen ist, mit der UNO und dem<br />
UN-Sicherheitsrat als den zentralen Institutionen <strong>in</strong> Sachen Sicherung des Friedens.<br />
Beide Tendenzen überlagern sich: Das Völkerrecht und se<strong>in</strong>e weitere Ausformung<br />
s<strong>in</strong>d Feld der Ause<strong>in</strong>andersetzung der Mächte und Mächtegruppen; der Streit um<br />
das Primat der Nichte<strong>in</strong>mischung <strong>in</strong> die <strong>in</strong>neren Angelegenheiten der Staaten oder<br />
das der „Schutzverantwortung“ und damit e<strong>in</strong>es „Rechts auf E<strong>in</strong>mischung“ ist e<strong>in</strong>e<br />
wesentliche Ebene dieser Ause<strong>in</strong>andersetzung. Zugleich spielt sich die Konkurrenz<br />
der Mächte unter Berufung auf das Völkerrecht und zu weiten Teilen im Rahmen<br />
der Institutionen der UNO ab – und der UNO-Sicherheitsrat ist e<strong>in</strong>er der wichtigsten<br />
Austragungsorte. E<strong>in</strong> Fall wie Libyen und der Libyen-Krieg ist daher nicht nur um<br />
se<strong>in</strong>er selbst Willen Gegenstand des politischen Handelns der anderen Mächte,<br />
sondern diese handeln auch unter ganz anderen Gesichtspunkten ihrer Interessenlage<br />
<strong>in</strong>sgesamt und ihres <strong>in</strong>ternationalen Beziehungsgeflechts.<br />
Der Libyen-Krieg des Westens ist e<strong>in</strong> weiteres Beispiel dafür, wie der imperiale<br />
Krieg weiter veralltäglicht wird. E<strong>in</strong>ige Berichterstatter, die seit Tagen über den Super-GAU<br />
im japanischen Kernkraftwerk Fukushima berichteten, beschwerten sich,<br />
der Krieg westlicher Länder gegen Libyen hätte die Aufmerksamkeit der Zuhörer<br />
und Zuschauer von diesem zentralen Ereignis abgelenkt. Tatsächlich war es aber<br />
wohl umgekehrt: die Bellizisten schienen es ganz zufrieden, dass gerade das Unglück<br />
weiter se<strong>in</strong>en Lauf nahm und breite Aufmerksamkeit fand, konnten sie doch<br />
so um so besser ungestört ihren Krieg führen. Niemand weiß wirklich, wie viele To-<br />
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