Festivalkatalog der Ruhrtriennale 2021-V3
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Im Einschlafen, kurz bevor das Unterbewusstsein das Zepter übernimmt, hält der noch
luzide Geist den Schlüssel zu einer zeitvergessenen Welt voller Weisheit, Fantasie und
Angst in der Hand. Auf Matten gebettet taucht das Publikum mit dem Klangforum Wien
in einen monumentalen Nachtraum ein und folgt nacht- und dunkelheitsaffinen Komponist:innen
auf unterschiedlichen Wegen in dieses unergründliche Zwischenreich.
Vor der deutschen Erstaufführung von Ragnhild Berstads neuem Werk trānseō entlässt
Mirela Ivičević das Publikum mit ihrem verstörenden Gutenachtkuss Sweet Dreams in die
unberechenbare Sphäre der Nacht. Mitten in einem sechseckigen Klangraum archaisch
roher Perkussionsmusik findet es sich in Iannis Xenakis’ Persephassa wieder, von wo Emmanuel
Nunes mit seiner Nachtmusik I das Tor zu einer nächtlichen Nostalgie auftut, die
wie ein sanfter Spuk die Gegenwart aufsucht. Im Herzen des Nachtraums schlummern
Fragmente aus Rebecca Saunders’ traumwandlerischem Meisterwerk Yes, einer großen
Ensemblekomposition, in der sie mit Molly Blooms letztem Monolog aus James Joyces
Ulysses den schmalen Grat zwischen Schlaf- und Wachzustand entlangbalanciert.
Aus dem tiefen Nachttaumel schlägt Gérard Grisey mit Vers la lumière du jour den Weg
in Richtung Tag ein, doch Salvatore Sciarrino zwingt mit Verweis auf die engen Bande
zwischen Schlaf und Schlafes Bruder im Klarinettensolo Let me die before I wake wieder
zur Umkehr. Georg Friedrich Haas schließlich hüllt den Raum mit seinem 3. Streichquartett
In iij. Noct. in einen Mantel absoluter Dunkelheit und taucht alles in einen
Rausch der Mikrotöne.
While falling asleep, just before unconsciousness takes control, our still lucid minds hold
the key to a world that time forgot, filled with wisdom, fantasy and fear. Lying on mats,
the audience will immerse themselves with Klangforum Wien in a vast nocturnal dream
and follow composers with an affinity for night and darkness along a variety of paths into
this unfathomable intermediate realm.
After the German premiere of Ragnhild Berstad’s new work trānseō, Mirela Ivičević will
let the audience loose in the unpredictable domain of dreams with her unsettling goodnight
kiss Sweet Dreams. They will find themselves again in the centre of a hexagonal
soundscape in Iannis Xenakis’ Persephassa, from where Emmanuel Nunes and his
Nacht musik I will open the doorway to nocturnal nostalgia that seeks out the present
like a gentle ghost. Slumbering at the heart of this nocturnal space lie fragments of
Rebecca Saunders’ masterpiece Yes, a large-scale ensemble composition, in which she
balances on the fine edge between sleeping and waking states in Molly Bloom’s closing
monologue from James Joyce’s Ulysses.
Gérard Grisey beats a path out from the turmoil of the night towards the light of day with
Vers la lumière du jour, though Salvatore Sciarrino forces us to return by pointing out the
close ties between sleep and sleep’s brother in his clarinet solo Let me die before I wake.
Finally, in his third string quartet, In iij. Noct., Georg Friedrich Haas wraps the entire space
in a cloak of complete darkness and plunges everything into an ecstasy of microtones.
Jahrhunderthalle Bochum
Sa 25. September_________22.00 Uhr
Dauer: 5 h, mit Pausen
Tickets: 35 €,
ermäßigt 17,50 €
Die Veranstaltung wird vom
WDR für den Hörfunk
aufgezeichnet und zu einem
späteren Zeitpunkt in WDR 3
Konzert gesendet.
www.ruhr3.com/nachtraum
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