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Der Großvater Ein Lebensbild gezeichnet von AZ - Licht und Recht

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13 Das Familienleben.<br />

<strong>Der</strong> Verkehr mit dem Bruder Minister <strong>und</strong> dem Schwager Oberhofprediger Strauß, ein Besuch<br />

<strong>von</strong> Lic. Wichelhaus aus Halle brachte viel Liebes <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>liches. Mit dem bescheidensten <strong>und</strong><br />

doch selbstgewissen Zeugnis für die Wahrheit trat die Großmutter diesen angesehenen Verwandten<br />

gegenüber, <strong>von</strong> Allen in ihrer großen Anmut <strong>und</strong> Weihe geehrt. Als ihr einmal der Minister alle seine<br />

Orden <strong>und</strong> Dekorationen zeigte, sagte sie: Nun wünsche ich nur, August, dass dir dazu noch gegeben<br />

werde, bescheiden <strong>und</strong> demütig zu bleiben. Von Berlin aus schickte sie an ihren geliebten<br />

Lehrer in Elberfeld einen großen Blumenkorb, nach einer damals in der Hauptstadt Sitte gewordenen<br />

Art zusammengestellt. Sie empfing für diese Gabe zum Osterfest folgende Dankesantwort:<br />

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _<br />

Verehrte Frau <strong>von</strong> der Heydt,<br />

Geliebte Schwester in dem Herrn, unserem Wohlgeruch vor Gott!<br />

Sie blühen noch alle, die schönen Blumen, die Erikas, die Hyazinthen, die Kosen mit reichen<br />

Knospen, die Azalias, <strong>und</strong> die über alle emporragenden Camelias mit zwei vollen Kelchen <strong>und</strong> zwei<br />

sich entfaltenden Knospen. – Am Auferstehungstage sah ich sie zuerst in unserem Zimmer <strong>und</strong> wie<br />

erquickte mich <strong>und</strong> rührte mich die Schattierung, der auserlesene Stand der einzelnen Blumen <strong>und</strong><br />

der Duft des Ganzen. Das Ganze ein fürstliches Geschenk aus der Königsstadt. Ich wurde versetzt<br />

in das Jahr 1847, wo ich am Osterfeste mit einem Paar kleiner Blümchen auf die Kanzel kam. Das<br />

war noch in unserem Wohnhause! <strong>und</strong> nun solch eine Blumen- <strong>und</strong> Blütenpracht, in solcher Fülle,<br />

in solcher Herrlichkeit! Bei ihrer Anschauung ward mir ein ganzes Buch der Macht <strong>und</strong> Treue unseres<br />

erstandenen hochgelobten Heilandes aufgeschlagen – nach acht Jahren! Und <strong>von</strong> den Blumen<br />

schlug ich die Augen auf das <strong>von</strong> mir gemalte Bild, das nach meinem Tode noch sprechen <strong>und</strong> sagen<br />

wird: „Obschon – dennoch – hier steht’s geschrieben.“ Ich dachte zurück an das Aussteigen aus<br />

dem Schiff zu Bonn <strong>und</strong> Ihre jubelnde, mich unendlich tröstende Begrüßung, an Godesberg, an den<br />

Spaziergang mit Ihrem hochgeschätzten <strong>und</strong> geliebten Gemahle, an Alles, was damals unmöglich<br />

schien, <strong>und</strong> an die Bewahrheitung so vieler tröstender Aussprüche des allmächtigen Gottes, der da<br />

Wort <strong>und</strong> Treue hält. Welch ein reicher Stoff für mein Gemüt, um an dem Ostertage zu predigen,<br />

<strong>und</strong> es auch zu erfahren an meiner Seele, was in dem Auferstehungs- <strong>und</strong> Siegesliede in dem 68.<br />

Psalm längst bevor wir noch waren, bereits ausgesprochen wurde. Täglich nehme ich einen Stuhl<br />

<strong>und</strong> setze mich eine Weile zu dem reichen Blumenkorb <strong>und</strong> möchte dabei St<strong>und</strong>en verweilen, mich<br />

der Gefühle hinzugeben, die mich erfüllen, indem mich aus den Blumen, die täglich aus dem Korbe<br />

neugeboren auferstehen, das Alles anheimelt, was dort oben wahr <strong>und</strong> zuverlässig ist, <strong>und</strong> was sich<br />

verherrlicht bei <strong>und</strong> in uns Menschen hienieden.<br />

Vielen, vielen Dank, tausendmal Dank, meine hochgeschätzte Fre<strong>und</strong>in <strong>und</strong> geliebte Schwester<br />

in dem Herrn! für die Liebe, welche es Ihnen eingab, uns zu überraschen mit solchem Geschenk in<br />

solchen Tagen. Es ist mir eine wahre Augen- <strong>und</strong> Seelenweide. Das Erhabene, das Purpurrote der<br />

Camelia erhebt mich; das unaussprechlich bescheiden Schöne der Erikas beruhigt mich <strong>und</strong> haucht<br />

mir Friede <strong>und</strong> den Sieg zu durch <strong>und</strong> in dem Tode; das Weiß der Azalias – <strong>und</strong> dann die übrigen<br />

Blumen, namentlich die lieblich kleinen Rosen im Kelch <strong>und</strong> in der Knospenhülle:<br />

Ob siebenmal zertreten<br />

Ich richte mich empor,<br />

Ich heiße Sarons Rose<br />

Und bleib in ewigem Flor.<br />

Und wenn eine Blume hinschwindet <strong>und</strong> abgeschnitten wird, so denke ich:<br />

„Wohlan denn, ich sterbe:

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