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Der Großvater Ein Lebensbild gezeichnet von AZ - Licht und Recht

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Die öffentliche Tätigkeit. 66<br />

meinden keinen anderen Ursprung, als im weltlichen Gesetze. Während jene auf den engsten <strong>und</strong><br />

heiligsten Banden beruht, sind es hier rein äußerliche Merkmale, nach welchen die Verpflichtung<br />

bemessen wird. Nach dem Preußischen Gesetze genügte bis in die neueste Zeit die bloße polizeiliche<br />

Anmeldung eines selbstständigen Mannes, um ihm am Tage nach der Meldung das <strong>Recht</strong> auf<br />

Armenhilfe aus Gemeindemitteln zu geben; jetzt muss einjähriger Wohnsitz hinzukommen; bei unselbstständigen<br />

Personen wird durch dreijährigen Aufenthalt in dem Gemeindegebiete der „Unterstützungs-Wohnsitz“<br />

erworben. Die bloße Tatsache also, dass ein Mensch sich eine verhältnismäßig<br />

kurze Frist hindurch innerhalb eines bestimmten Raumes bef<strong>und</strong>en hat, verpflichtet die Mitbewohner<br />

dieses Raumes, die zu seiner Unterstützung nötigen Mittel in ihren Steuern herzugeben <strong>und</strong><br />

zwingt die Obrigkeit, ihm diese Mittel zu spenden! Solche Gesetze sind unbedingt notwendig, wenn<br />

jene engen Bande locker geworden oder zerrissen sind, oder so lange es Menschen gibt, welche<br />

durch keines derselben an ihre Mitmenschen geknüpft sind. Sie sind vollberechtigt, aber darum<br />

nicht weniger äußerlich, <strong>und</strong> deshalb liegt es auch nahe, dass sie äußerlich gehandhabt werden.<br />

Die Vollziehung des Gesetzes ist Sache der Obrigkeit; die Angehörigen der Gemeinde werden<br />

umsoweniger Beruf fühlen, sie darin freiwillig zu unterstützen, je mühevoller <strong>und</strong> lästiger die damit<br />

verb<strong>und</strong>enen Pflichten sind. Für die Obrigkeit ist der Arme zunächst nichts weiter als ein Gegenstand,<br />

an welchem sie dem Gesetze zu genügen hat. Sie tut dies, wenn sie dem wirklich Notleidenden<br />

das Notdürftige reicht; weiter legt das Gesetz ihr nichts auf.<br />

Wird nun die Armenpflege lediglich in diesem Sinne geübt, so kann sie es, so lange die Mittel<br />

der Gemeinde reichen, dahin bringen, dass jeder Hungernde gewiss sei, ein Brot, der Nackte ein<br />

Kleid, der Obdachlose einen Schutz gegen Wind <strong>und</strong> Wetter auf Kosten der Gesamtheit zu erhalten.<br />

Das scheint viel zu sein <strong>und</strong> gewiss darf eine gute Armenpflege dem Bedürftigen nicht weniger leisten;<br />

aber in den meisten Fällen ist es zu viel <strong>und</strong> geradehin verderblich für die Gesamtheit wie für,<br />

den <strong>Ein</strong>zelnen, dass es als öffentliches Almosen geschehe; es ist zu wenig, wenn der Armut gegenüber<br />

nichts weiter geschieht. Almosen sind für den Empfänger gefährliche Gaben. Die erste Bitte<br />

darum ist der erste Schritt auf einer abschüssigen Bahn, die bei gänzlicher Ertötung der Selbstachtung,<br />

des Bewusstseins eigener Kräfte <strong>und</strong> Pflichten, bei stumpfem Hingeben an die erniedrigte<br />

Lage oder bei frechem Fordern, bei Trotz gegen Gott <strong>und</strong> Menschen, enden kann. Überhaupt aber<br />

ist die Armut gleich einer leiblichen Krankheit, welche nur in ganz bestimmten Fällen durch äußere<br />

Mittel geheilt werden kann. Die Ursache kann tausendfältig verschieden sein <strong>und</strong> weit abliegen <strong>von</strong><br />

den Erscheinungsformen. Die letzteren können augenblicklich <strong>von</strong> der Oberfläche verdrängt werden;<br />

aber sie kehren um so schlimmer zurück, so lange der Sitz des Übels nicht erkannt <strong>und</strong> vernichtet<br />

ist.<br />

Ich weiß es wohl, dass ein solches rein amtliches <strong>und</strong> äußerliches Verfahren in den Armen-Ordnungen<br />

der Gemeinden nicht vorgeschrieben oder beabsichtigt ist, dass der Obrigkeit Gehilfen aus<br />

der Bürgerschaft unter mancherlei Namen beigeordnet <strong>und</strong> dass ihnen vielfache Anweisungen zur<br />

Vermeidung unnützer oder gefährlicher Almosenspende, zur Erforschung <strong>und</strong> Bekämpfung der Ursachen<br />

der Armut, an die Hand gegeben sind. Aber ich berufe mich auf die Erfahrung, dass diese<br />

Vorschriften in den meisten Fällen nicht genügt haben, um die Erstarrung der bürgerlichen Armenpflege<br />

zu dem toten Schematismus, zu welchem der Keim in ihrem weltlichen <strong>und</strong> äußerlichen Ursprunge<br />

gegeben ist, zu verhindern, dass insbesondere die großen Städte, in welchen das weite Arbeitsfeld<br />

kaum zu übersehen ist, in dem Bestreben, dasselbe zu durchackern, haben erlahmen müssen.<br />

Die Armenpflege ist, ungeachtet jener Vorschriften <strong>und</strong> obgleich sie dem Namen nach in den<br />

Händen <strong>von</strong> Pflegern, Provisoren oder Helfern liegt, tatsächlich auf Armen-Inspektoren, Armenboten<br />

oder ähnliche Beamte übergegangen; nur diese kommen mit dem Armen in persönliche Berüh-

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