Der Großvater Ein Lebensbild gezeichnet von AZ - Licht und Recht
Der Großvater Ein Lebensbild gezeichnet von AZ - Licht und Recht
Der Großvater Ein Lebensbild gezeichnet von AZ - Licht und Recht
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
3. <strong>Der</strong> reformierte Presbyter.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Großvater</strong> hat <strong>von</strong> Jugend an nach der Tradition <strong>und</strong> Erziehung seines Hauses <strong>und</strong> dem Charakter<br />
des ganzen bergischen Landes die reformierte Kirche seiner Heimat über Alles geliebt. Ihre<br />
heilige Geschichte <strong>von</strong> dem Blutzeugen Adolf Klarenbach an bis zu den heimlichen Gemeinen unter<br />
dem Kreuz <strong>und</strong> zu ihrer ersten Synode deutscher Gemeinen zu Bedburg am 3. Juli 1571 unter<br />
dem Vorsitz des berühmten holländischen Staatsmannes Marnix <strong>von</strong> St. Aldegonde <strong>und</strong> weiter bis<br />
zur ersten bergischen Synode im Pfarrhause zu Neviges den 21. Juli 1589, die sich zu dem in Gottes<br />
Wort gründlich f<strong>und</strong>ierten Heidelberger Katechismus bekannte, <strong>und</strong> dem aus diesen Synoden sich<br />
entwickelnden freien <strong>und</strong> glaubensvollen Leben der Vorfahren war seinem getreuen Gedächtnis eingeschrieben.<br />
Er war hierin nach der w<strong>und</strong>erbaren Gabe, mit der er alles Gelesene behielt, vorzüglich<br />
bewandert. Sein Sinn für wahre <strong>und</strong> edle Freiheit sah in der Unabhängigkeit der alten Synoden,<br />
die nur ein Synodalmoderamen kannten, ein Gebiet gerechten Vorzuges <strong>und</strong> Stolzes. Er dachte an<br />
das Wort des Pfälzer Theologen Scultetus, als 1610 die vier Länder: Jülich, Cleve, Berg <strong>und</strong> Mark<br />
zu einer Generalsynode in Duisburg zusammentraten: „Niemals werde ich vergessen können, welche<br />
festlichen Tage wir damals unter offenbarer Wirkung des heiligen Geistes verlebten. Da schienen<br />
die Gemeinen aufzuatmen, welche so viele Jahre unter dem Joche der päpstlichen Tyrannei geseufzt<br />
hatten. Da wurde die Zunge derjenigen gelöst zu lauten <strong>und</strong> öffentlichen Preisgesängen, welche<br />
früher hie <strong>und</strong> da in versteckten Winkeln kaum zu lispeln gewagt hatten <strong>und</strong> es erneuerte sich<br />
die Freude der Israeliten nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft.“ Seine Verehrung<br />
für Kurbrandenburg hatte ihren Anfang <strong>von</strong> dem berühmten Religionsvergleich vom 80. Juli<br />
1673 zu Düsseldorf aufgerichtet, in dem Jülich <strong>und</strong> Berg unter dem katholischen verfolgungssüchtigen<br />
Regiment der Pfalzneuburger volle Religionsfreiheit erhielten. Er bewahrte mit Pietät ein altes<br />
Exemplar dieses Rezesses. Öfter erzählte er, mit welchem Ernst die Alten das Bekenntnis auch im<br />
Leben der Gemeinen zur Geltung gebracht hätten, welche Kirchenzucht geübt worden wäre, wie<br />
weder der Arminianismus noch der Rationalismus in die stille einförmige Abgeschlossenheit der<br />
Berge <strong>und</strong> Täler gedrungen sei <strong>und</strong> wie die <strong>Ein</strong>fachheit, Nüchternheit <strong>und</strong> praktische Würdigung aller<br />
Verhältnisse Alles auf das Notwendige <strong>und</strong> Heilsame gerichtet habe, vielfach ohne poetischen<br />
Hauch bei dem arbeitsamen, freiheitseifersüchtigen, selbstständigen Bauernvolke, das kaum wusste,<br />
dass hinter den Bergen noch Leute wohnten.<br />
Bei den Meisten waren auf den Reisen zu Pferde oder mit dem Frachtfuhrwerk die Bibel, das<br />
Gebet- <strong>und</strong> Gesangbuch das notwendigste Reisegerät. Das fast allein gesprochene Platt bildete auch<br />
eine Schranke gegen die Außenwelt. Es gab bis zum Ende des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts keine einzige<br />
Buchhandlung im ganzen Tale, <strong>und</strong> man wusste wenig, was draußen geschah. Kam es doch einmal<br />
vor, dass Goethe bei einem Besuche in Elberfeld im Hause <strong>von</strong> Jung Stilling einem Elberfelder<br />
Kaufmannskreise als eine völlig unbekannte Person vorgestellt wurde. Um so mehr beschränkten<br />
sich die Talleute auf die geistliche Nahrung der Kirche. Dabei war die Mildtätigkeit <strong>und</strong> Freigebigkeit<br />
eine große <strong>und</strong> wer an einem Sonntag einen Dukaten gab <strong>und</strong> dann drei Sonntage ausbleiben<br />
musste, der gab den folgenden drei.<br />
In diese glücklichen kirchlichen Verhältnisse wurde zuerst 1814 <strong>von</strong> einem provisorischen Gouvernement<br />
mit einem Gewaltakt eingegriffen <strong>und</strong> zwar durch <strong>Ein</strong>führung einer staatlichen Kirchenbehörde<br />
unter dem Namen eines Oberkonsistoriums mit dem Verbot der Synodalversammlungen<br />
<strong>und</strong> Auflösung der Synodalvorstände. Preußen errichtete dann in Köln ein Königliches Konsistorium;<br />
wesentliche Modifikationen der alten <strong>Recht</strong>e beschädigten das synodale Leben <strong>und</strong> seit 1818<br />
streiten sich die Anhänger der Konsistorial- <strong>und</strong> die der Presbyterialverfassung. Die Kirche, hieß es,<br />
sei dem Staate nicht untergeordnet. Bald aber drohte ein anderes Ereignis die gänzliche Zerstörung<br />
der reformierten Kirche.