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Der Großvater Ein Lebensbild gezeichnet von AZ - Licht und Recht

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12.Nachträge.<br />

Wilhelmine <strong>von</strong> der Heydt an Anna Schlatter.<br />

Zu Kapitel 1.<br />

Bald nach meinem letzten Schreiben, Du innigst Geliebte! füllete uns der Herr mit Dank <strong>und</strong><br />

Freude über die glückliche Entbindung unserer Tochter Strauß, die am 1. Juni Mutter eines wohlgebildeten<br />

Knaben wurde, <strong>und</strong> ich hatte nun doppeltes Verlangen, Deinen bald darauf gefolgten teuren<br />

Brief alsbald zu beantworten, musste es aber – wenn mein schwacher Kopf nicht irrt – bei der Mitteilung<br />

im Geist bewenden lassen, so aufgeregt auch meine Empfindungen über den ersten Enkel<br />

waren, da die Pflege der zarten Wöchnerin Tag <strong>und</strong> Nacht Bedürfnis für mich war, bis der Herr<br />

durch meinen gewöhnlichen Nervenkrampf mich zu Hause <strong>und</strong> im Bette hielt. Noch vor meiner Genesung<br />

kam der würdige Vater unseres Strauß, der in einem kindlichen Umgang mit seinem Heilande<br />

lebt <strong>und</strong> 10 St<strong>und</strong>en <strong>von</strong> hier Prediger ist, mit zwei Töchtern zu uns <strong>und</strong> der so liebenswürdige,<br />

sanfte, wiedergeborene Pfarrer Krafft aus Köln, Schwager unseres Strauß, kehrte auch bei uns ein.<br />

Die glückliche Zeit eilte uns nun in christlichem lebensvollem Genusse hin; am 18. Juni verrichtete<br />

der alte Herr Strauß die heilige Taufe <strong>und</strong> sie erinnerte mich lebhaft an die wichtigen Tage, wo meine<br />

eigenen Kinder getauft worden.<br />

Unser verehrungswürdiger Lehrer Krummacher kam oft mit in unsern Kreis <strong>und</strong> so war er auch<br />

zugegen beim Frühstück am 21. Juni, als eben der liebe Krafft eine Predigt gelesen, die uns zu gesegneter<br />

Unterredung Gelegenheit gab <strong>und</strong> uns auf die Ewigkeit leitete; ich äußerte meine Freude,<br />

dass ich über’m Lesen aus der Offenbarung einen so tiefen <strong>Ein</strong>druck bekommen, was <strong>von</strong> der<br />

großen Schar gesagt wird, dass sie allesamt (sie mögen also mehr oder weniger elend gewesen sein,<br />

mehr oder weniger verschuldet) nun abgewaschen sind <strong>von</strong> Sünden mit dem Blut Jesu Christi, der<br />

uns geliebet <strong>und</strong> eine solche ewige Erlösung für uns armen Staub gef<strong>und</strong>en, dass wir stehen dürfen<br />

vor dem Thron des Lammes. O meine Anna, ich empfand so etwas unaussprechlich beseligendes<br />

darüber, dass also die höchsten Geister, die Apostel, Ältesten, alle darin die Seligkeit hätten wie das<br />

geringste Gnadenkind: stehen vor dem Lamme! Hat man dann nicht Himmels-Seligkeiten genug?<br />

musste ich nur wehmütig ausrufen <strong>und</strong> sank zu den Füßen unseres Herrn, der uns diese große Hoffnung<br />

blutig, sauer erworben hat. Die beiden edlen Pastoren teilten meine dankbaren Gefühle, als<br />

plötzlich mein Schwiegersohn mit einem zerstörten Gesicht eintrat <strong>und</strong> mir auf eine solche Art sagte:<br />

„liebe Mutter, Ihr Fritz in Neuwied ist sehr krank,“ dass ich gleich eben so gut wusste: er sei tot.<br />

<strong>Der</strong> 18jährige tief mitdenkende <strong>und</strong> fühlende Fre<strong>und</strong> unseres Hauses, der fromme Herr Krummacher,<br />

konnte seinen heftigsten Schmerz nicht zurückhalten, Krafft eben so wenig, aber sieh’ Schwester,<br />

bei dieser Gelegenheit wollte der Herr zeigen, wie er in den Schwachen mächtig sein kann,<br />

ohne Menschenhilfe alles allein an mir tun könne. Er, der sich alle Dinge weiß untertänig zu machen,<br />

also auch mein Herz, das er mit der zärtlichsten, lebhaftesten, feurigsten Mutterliebe erfüllet –<br />

was soll ich sagen, meine Anna? Worte versagen hier den Ausdruck bei einer Erfahrung, wovor<br />

Dich die Treue des Herrn bewahren wolle. Umgürtet mit der Macht Jehovas <strong>und</strong> in seiner Stärke<br />

hielt mich diese übernatürliche Kraft fest in ihren Mutterarmen <strong>und</strong> nahm Vernunft <strong>und</strong> Sinnlichkeit<br />

gefangen. <strong>Der</strong> vorbestimmte Rat <strong>und</strong> Willen Gottes, seine deutlichen Erklärungen, in dem mir nun<br />

erst so unschätzbar teuren Worte des Lebens, zeigten mir die Absichten der verborgenen Wege <strong>und</strong><br />

Führungen, die doch heilig, recht <strong>und</strong> gut sind, ob ich auch mit aufgerissenem Herzen ausbrechen<br />

musste: Du hast ihn gegeben – Du hast ihn genommen – Dein Name sei gelobet. Das Geschrei in<br />

unserem Hause nahm überhand, mein armer leidender Mann, mein Bruder, sämtliche beiderseitige<br />

Familien, erlagen fast bei der unerwarteten Nachricht, dass ein starker ges<strong>und</strong>er Knabe tot, ach im<br />

Baden ertrunken sei. Aber immer wiederholt tönte es in mir: „sei stille <strong>und</strong> erkenne, dass ich Gott

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