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Der Großvater Ein Lebensbild gezeichnet von AZ - Licht und Recht

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Die öffentliche Tätigkeit. 68<br />

werden; nicht ein polizeiliches Regulativ, nicht die weichherzige Erregung des Augenblicks oder<br />

die gedankenlose Bequemlichkeit wird die Art <strong>und</strong> das Maß der Hilfe bestimmen, sondern die Liebe<br />

<strong>und</strong> der, wenn sie rechter Art ist, <strong>von</strong> ihr unzertrennliche Ernst <strong>und</strong> die in jedem besonderen Falle zu<br />

wahrer Hilfe dienenden Mittel erkennen <strong>und</strong> nachhaltig in Anwendung bringen.<br />

In Bezug auf das Maß der eigentlichen Gaben ist der bürgerlichen Armenpflege, welche ihre<br />

Mittel im Steuerwege aufbringen oder ergänzen muss, allerdings eine Schranke gesetzt, welche<br />

auch die Liebe nicht überspringen darf. Sie ist durch das geschriebene Gesetz <strong>und</strong> durch die Natur<br />

ihres Wesens auf die Gewährung des Notwendigen hingewiesen. Sie würde zwiefach gewissenlos<br />

handeln, wenn sie mehr geben wollte; denn sie würde das Gesetz verletzen, in dessen Vollmacht sie<br />

handelt, <strong>und</strong> sie würde sich das genugtuende Gefühl der Freigebigkeit auf Kosten Dritter erkaufen.<br />

Allein für den Geist christlicher Liebe bleibt auch innerhalb dieser Schranken ein reichlicher Spielraum;<br />

denn das Verabreichen <strong>von</strong> Gaben bildet ja nur einen der Akte, aus welchen sich eine rechte<br />

Armenpflege zusammensetzt, <strong>und</strong> der Wert der Gabe hängt weniger <strong>von</strong> ihrem Geldbetrage als da<strong>von</strong><br />

ab, dass sie zur rechten Zeit <strong>und</strong> in der rechten Weise gegeben werde.<br />

In diesen Sätzen ist, ich wiederhole es, die Lösung der uns beschäftigenden Aufgabe theoretisch<br />

vor<strong>gezeichnet</strong>. <strong>Der</strong> Erfolg ihrer Anwendung muss notwendig in der Verminderung der Zahl der Armen,<br />

in der bessern Pflege derer, welche der Hilfe bedürftig bleiben, in der Erleichterung der jetzt<br />

auf den Gemeinden liegenden Last <strong>und</strong> in veränderter, dankbarer Stellung der Armen zu ihren helfenden<br />

Brüdern offenbar werden.<br />

Um aber diese Gedanken praktisch zu erläutern <strong>und</strong> zugleich die Mittel zu ihrer Verwirklichung<br />

anzudeuten, bitte ich, der hochverehrten Versammlung in kurzen Zügen die Versuche darstellen zu<br />

dürfen, welche in diesem Sinne in einer großen evangelischen Stadt Deutschlands gemacht worden<br />

sind.<br />

In Elberfeld, einer Stadt <strong>von</strong> jetzt etwa 53.000 <strong>Ein</strong>wohnern, war bis zum Schlusse des vorigen<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts die Armenpflege lediglich in den Händen der kirchlichen Gemeinden, welche dieselbe<br />

durch Provisorate <strong>und</strong> Mitglieder der Presbyterien übten <strong>und</strong>, bei dem Mangel erheblicher Stiftungsfonds,<br />

die Mittel durch Sammlung <strong>von</strong> Liebesgaben aufbrachten. Um die gedachte Zeit aber<br />

nahm, wie in den alten Berichten erzählt wird, die Schar der Bettler auf den Straßen <strong>und</strong> an den<br />

Haustüren in solchem Maße zu, dass man sich, um dieser Plage ledig zu werden, zur <strong>Ein</strong>richtung einer<br />

bürgerlichen Armenpflege neben der kirchlichen, entschloss. Dieselbe musste, obgleich Elberfeld<br />

damals kaum 19.000 <strong>Ein</strong>wohner zählte, sogleich mit einer Jahres-Ausgabe <strong>von</strong> etwa 18.000 Talern<br />

beginnen, welche sich schon im 6. Jahre ihres Bestehens auf 26.000 Taler steigerte. Bald entstanden<br />

Streitigkeiten über die Grenze der beiderseitigen Pflichten; die Beschaffung der freiwilligen<br />

Gaben wurde schwieriger, weil beide Teile sich darum bewarben; die Stadt beschränkte ihre Ausgaben<br />

auf eine bestimmte Jahressumme <strong>und</strong> die Kirchengemeinden gerieten in Schulden. Unter solchen<br />

Umständen erschien das Notjahr 1816 mit seiner Teuerung <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit, welche eine<br />

feste Ordnung der Dinge <strong>und</strong> energische Maßregeln gebieterisch erforderten. Die städtischen Behörden<br />

verlangten daher die <strong>Ein</strong>richtung einer bürgerlichen Zentral-Wohltätigkeits-Anstalt nach<br />

dem damals geltenden Bergischen Gesetze. Diesem Verlangen gegenüber, welches die völlige Vernichtung<br />

auch des gebliebenen Restes <strong>von</strong> kirchlicher Armenpflege zur Folge haben musste, rafften<br />

sich die kirchlichen Gemeinden zu einem, ich möchte sagen, verzweifelten Entschlusse auf. Sie vereinigten,<br />

obgleich drei verschiedenen Konfessionen angehörig, ihre Armen-Verwaltungen <strong>und</strong> erklärten<br />

sich bereit, die Versorgung aller Armen der Stadt gemeinschaftlich übernehmen zu wollen.<br />

Obgleich aber die Gaben zur Unterstützung dieses Vorhabens <strong>von</strong> der Bürgerschaft, welche die<br />

kirchliche Armenpflege um jeden Preis erhalten sehen wollte, reichlich flossen, – war doch diese ei-

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