Der Großvater Ein Lebensbild gezeichnet von AZ - Licht und Recht
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95 <strong>Der</strong> Pastor <strong>und</strong> der Kirchmeister.<br />
Gestern Abend (10. Dezember 1867) gab der Pastor folgendes im Presbyterium zu Protokoll: Sodann<br />
empfiehlt Präses dem heiligen Andenken des Presbyteriums, der Verbreitung <strong>und</strong> Anempfehlung<br />
eine Predigt 9 des Herrn Dompredigers Adolph Zahn über 5. Mose 82,3-7, gehalten am Reformationsfest<br />
1867 – ob es Gott gefallen möchte, dem jüngeren Geschlecht unserer Gemeine es ans<br />
Herz zu legen, was für ein W<strong>und</strong>erwerk Gottes die niederländische Gemeine sei mit ihrer Lehre, ihrem<br />
Bekenntnisse <strong>und</strong> ihrer Verfassung.<br />
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Am Sonntag Abend begann der liebe Pastor die Abendpredigt mit der Erzählung:<br />
Ich war im Krankenhause bei unserem alten, blinden, kranken Leininger, freute mich, wie sein<br />
gutes Brot <strong>und</strong> Milch ihm wohlschmeckten. „Kennen Sie mich?“ Er: „Wer ist die Person, die mit<br />
mir redet?“ Ich: „Kennen Sie mich nicht?“ Er: dieselbe Frage <strong>und</strong> Antwort viermal wiederholt.<br />
Dann ich: „<strong>Der</strong> vornehmste der Sünder, welchem aber Barmherzigkeit widerfahren ist.“ Er: „Ja, das<br />
hat einen Gr<strong>und</strong>, das ist unser Pastor.“ Ich: „Wie ist’s, Leininger, haben Sie auch nicht Furcht noch<br />
Zweifel vor dem Tode?“ Er: „Die Wasser des Jordans sind tief; Gottes Volk ging hindurch <strong>und</strong> die<br />
Wasser haben es nicht ersäuft, – aber ich habe doch nicht die Gewissheit, dass sie mir nicht werden<br />
über das Haupt steigen; ich sehe nicht meine Errettung.“ Ich: „Und wenn Sie nun über den Rhein<br />
gehen müssen <strong>und</strong> Sie wissen, es muss eine Brücke Sie hinüber bringen, da die Wasser Sie ohne<br />
solche ersäufen – wenn Sie alsdann hören, dass eine Brücke in Düsseldorf über den Rhein führt <strong>und</strong><br />
glauben solcher Botschaft – fühlen Sie dann nicht schon die Brücke unter Ihren Füßen <strong>und</strong> sehen<br />
sie?“ Er: „Das ist ein leitender Gedanke, an dem kann man sich halten.“ –<br />
Heute Predigt über Johann Calvin zum Gedächtnis seines Todes (1864), seine Geburt, Erziehung,<br />
Studium, Bekehrung, Flucht, vom Geist getrieben nach Basel, Italien, Genf, Leben, Schicksale,<br />
Lehre, Kollegen usw., Tod.<br />
Mit beständiger Anwendung auf Gottes Wort <strong>und</strong> nach dem Thema: Johann Calvin, ein Bild jedes<br />
Reformierten <strong>und</strong> der ganzen reformierten Kirche.<br />
Adolphs Schrift über die Zöglinge Calvins in Halle zur Erinnerung an den großen Reformator<br />
habe ich mit viel Teilnahme gelesen. Bei dem Abschnitt über Sigism<strong>und</strong> den Confessor wurde mir<br />
wieder klar, welch einen großen Beruf Preußen hat 10 .<br />
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Gestern Abend kamen Herr Pastor <strong>und</strong> Gertrud <strong>von</strong> Niebuhr zu mir. <strong>Der</strong> Pastor erzählte: <strong>Ein</strong> 16jähriger<br />
Sohn der Witwe N. sei selig im Glauben an die Vergebung aller seiner Sünden in Christo<br />
gestorben. „Ja, ich sterbe jung,“ habe er gesagt, „aber gern; denn was ich schon gesehen habe <strong>von</strong><br />
den Gefahren des Lebens <strong>und</strong> <strong>von</strong> dem Streit mit der Sünde <strong>und</strong> ihren Mächten, es ist genug, dass<br />
ich mich glücklich preise, zu entrinnen <strong>und</strong> bei Jesu zu sein.“ Dann sahen wir zusammen Bilder an<br />
<strong>und</strong> waren recht vergnügt. Ach wie ist der liebe Pastor alt geworden! Wie hört er, wie sieht er<br />
schlecht! Wie fällt der schön geformte plastische Kopf an Wangen <strong>und</strong> Lippen zusammen. Aber<br />
dann wieder – welch Gebet floss <strong>von</strong> seinen Lippen! Nach Tische spielten Wine <strong>und</strong> Gertrud ihre<br />
Lieder. Es war ein köstlicher Abend.<br />
Das sich immer mehr entwickelnde Augenleiden <strong>von</strong> Kohlbrügge machte für ihn <strong>und</strong> für die Gemeine<br />
eine Reise nach Berlin zu Professor v. Gräfe nötig. <strong>Der</strong> Kirchmeister begleitete ihn dorthin,<br />
bereitete ihm bei Gräfe die fre<strong>und</strong>lichste Aufnahme <strong>und</strong> ließ ihn, nachdem die Operation gelungen,<br />
unter sorgfältigster Pflege in der Klinik desselben zurück. Mit Spannung <strong>und</strong> Erwartung wartete<br />
9 Erschienen bei Friderichs.<br />
10 Die Zöglinge Calvins in Halle a. d. Saale. 1864.