Show publication content!
Show publication content!
Show publication content!
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Wenn es um das Erbe nach dem so verheerenden Zweiten<br />
Weltkrieg mit seinen unsäglichen Folgen geht, dann steht<br />
nicht zuletzt auch die Entwicklung von Bau- und Gartenkunst<br />
zur Betrachtung an. Schon zu Beginn der Neugestaltung des<br />
Zusammenlebens nach 1945 waren in den Besatzungszonen<br />
Deutschlands die von den Alliierten vertretenen aber<br />
sich unversöhnlich gegenüberstehenden gesellschaftspolitischen<br />
Ordovorstellungen spürbar. Die Begegnung beider Gesellschaftsmodelle<br />
– das auf einer demokratisch-freiheitlichen<br />
Rechtsordnung beruhende und das durch eine sozialistische<br />
Staatsdoktrin geprägte – erhielten mit der Gründung der beiden<br />
deutschen Staaten, der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und<br />
der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Jahre 1949,<br />
ihre staatspolitischen Fundamente. In beiden Staaten wurden<br />
in unterschiedlicher Lautstärke und zukunftsorientierten Offenbarungen<br />
über die Rechtmäßigkeit und den zu erwartenden<br />
Sieg sogleich facettenreiche Auseinandersetzungen geführt. In<br />
diese Auseinandersetzungen war auch die Baukultur eingebunden.<br />
Gerade Architektur und Städtebau eigneten sich, wie so<br />
häufi g in der Geschichte, zur Demonstration der nunmehr zu<br />
verfolgenden gesellschaftspolitischen Ziele.<br />
Zum Symbol für die Demarkationslinie der sich konträr<br />
gegenüberstehenden Gesellschaftssysteme wurde gleichfalls<br />
ein Bauwerk – die Berliner Mauer. Sie war nicht nur eine gnadenlose<br />
Grenze in der Stadt, sie war auch das Sinnbild für die<br />
Teilung Deutschlands wie auch die bildhafte Grenze der sich<br />
innerhalb des Kalten Krieges gegenüberstehenden Lager von<br />
´Ost und West´. Ihr Fall am 9. November 1989 läutete das Ende<br />
die von einem ideologischen Diktat beherrschten und im internationalen<br />
ökonomischen Wettstreit unterlegenen sozialistischen<br />
Ordovorstellungen in der DDR ein. Nach 11 Monaten<br />
trat die DDR auf Beschluss der letzten aber demokratisch gewählten<br />
Volkskammer dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik<br />
Deutschland bei.<br />
Der erklärte Gegner von einst hatte nun auch ein bauliches<br />
Erbe übernommen, das von dem ´Verlierer´ als die wahre,<br />
tatsächlich den menschlichen Bedürfnissen entsprechende<br />
Baukultur in die Arena des Wettstreites eingebracht worden<br />
war. Wohl kaum sinnfälliger als an dem Beispiel Eisenhüttenstadt<br />
lassen sich an dieser Stadtgründung und ihres Werdens<br />
Herkunft und Wandel der städtebaulichen und architektonischen<br />
Auffassungen in den ersten Jahren des Bestehens der<br />
DDR festmachen.<br />
So kann es kaum verwundern, wenn nach dem Fall der<br />
Mauer in den 1990er Jahren geradezu vernichtende Urteile<br />
in der Bevölkerung, insbesondere in den politischen und<br />
NACHKRIEGSERBE – DENKMALPFLEGE<br />
IN EISENHÜTTENSTADT<br />
Detlef Karg<br />
verwaltungstechnischen Entscheidungsebenen über das bauliche<br />
Erbe der DDR gefällt wurden. Die Ablehnung zielte auch<br />
auf das bislang gepriesene erste Beispiel eines sozialistischen<br />
Städtebaus, auf die erste sozialistische Stadtneugründung in<br />
der DDR. (Abb. 1)<br />
Anfangs stand diese städtische Agglomeration noch in<br />
der Intention einer Werkssiedlung für das zu erbauende Eisenhüttenkombinat-Ost.<br />
Verwaltungstechnisch war sie der unweit<br />
an der Oder gelegenen alten Stadt Fürstenberg zugehörig.<br />
Das änderte sich sichtbar im Todesjahr Stalins 1953 mit der<br />
gewählten Bezeichnung „Stalinstadt“. Nach den politischen<br />
Umwälzungen in der Sowjetunion folgte im Jahre 1961 die<br />
Umbenennung in ´Eisenhüttenstadt´, die auch die seit der<br />
Mitte des 13. Jahrhunderts gewachsene Stadt Fürstenberg als<br />
Stadtteil vereinnahmte.<br />
Für die Denkmalpfl ege waren es in den 1990er Jahren<br />
äußerst spannungsreiche und fordernde Auseinandersetzungen<br />
mit den politischen Entscheidungsträgern, aber auch mit der<br />
Bevölkerung, insbesondere den Bewohnern der Stadt. Denn die<br />
Anerkennung der ersten „sozialistischen Stadt“ auf deutschem<br />
Boden als Denkmal und ihr Belassen auf der Denkmalliste des<br />
Landes Brandenburg stieß auf ungezügelten Protest. So ging<br />
es zuvorderst um die Akzeptanz für eine städtebauliche, architektonische<br />
und landschaftsgärtnerische Erscheinung, die<br />
es nicht nur schlechthin zu erhalten gilt, sondern die für die<br />
erhofften neuen Lebensqualitäten sogar genutzt werden sollte<br />
und musste. Grundsätzlich waren es dann aber doch Disputationen<br />
über ein Zeugnis unserer jüngsten Geschichte,<br />
das synonym in der politischen Auseinandersetzung für die<br />
gerade überwundenen sozialistischen Ordovorstellungen der<br />
DDR stand und die als gebaute Manifestation dieser Ordnung<br />
offenbar in besonderer Weise für die von Emotionen und<br />
subjektiven Empfi ndungen begleitete Abrechnung geeignet erschien.<br />
Eine in der Geschichte immer wieder zu registrierende<br />
Erscheinung von Zerstörung bzw. Überformung der baulichen<br />
Erscheinungen des Unterlegenen. Es galt aber, die Stadtanlage<br />
von Eisenhüttenstadt auch im Hinblick auf ihre Gestaltqualität,<br />
also in ihrer Erscheinung als einzigartiges Dokument einer<br />
nun abgeschlossenen Epoche zu erhalten. Denn die Stadtanlage<br />
von Eisenhüttenstadt - durchaus vergleichbar mit vielen<br />
anderen uns überkommenen Erscheinungen von Architektur,<br />
Städtebau und Landschaftsarchitektur – gehört in ihrer historischen<br />
Bestimmtheit und Authentizität zu den einzigartigen<br />
und unverzichtbaren Bestandteilen unserer im Laufe der Geschichte<br />
durch das menschliche Wirken geprägten Umwelt.