Show publication content!
Show publication content!
Show publication content!
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Noch im gleichen Jahr hatten der Bauhausschüler Franz<br />
Ehrlich, verantwortlich für die Wohnstadt, und Waldemar Adler,<br />
verantwortlich für das Werkgelände, die ersten Planungen<br />
vorgelegt. 6 In ihnen waren schon die neuen Grundsätze des<br />
Städtebaus auf der Suche nach den nun zu prägenden sozialistischen<br />
Lebensqualitäten intendiert - auch eine Magistrale war<br />
vorgesehen. Dennoch fi elen sie der ablehnenden Kritik anheim,<br />
weil sie offensichtlich im Baustil und in den Raumfolgen ihre<br />
Nähe zu den Siedlungsvierteln der Weimarer Zeit nicht verleugnen<br />
konnten und wohl auch nicht sollten. Kurt Junghanns,<br />
Otto Geiler, Paul Wolf und Richard Linneke beteiligten sich<br />
ebenso wie Hanns Hopp, Richard Paulick und Herbert Weinberg<br />
an der Erarbeitung neuer Vorstellungen, die der bestehenden<br />
Kritik durchaus Rechnung trugen. Im April 1951 erhielten<br />
dann die Arbeiten von Kurt W. Leucht den Zuschlag. (Abb. 2)<br />
Man darf dieser Entscheidung unterstellen, dass sie von<br />
der Umsetzung der in den 16 Grundsätzen des Städtebaus formulierten<br />
Postulate getragen war. Kurt W. Leucht schien wie<br />
kaum ein anderer diesen zu entsprechen, denn er gehörte zu<br />
der Delegation, die im Frühjahr 1950 in Moskau weilte, wo<br />
diese Grundsätze verfasst wurden. 7<br />
Die Umsetzung der ersten Planungsphasen in den<br />
Wohnkomplexen I und II mit ihren Blockstrukturen gerieten<br />
nicht nur wegen des zögerlichen Bauverlaufs, sondern auch<br />
oder dann wohl doch wegen „formalistischer und kosmopolitischer<br />
Tendenzen in der Architektur“ in das Visier der Partei.<br />
So gab im Januar 1952 Walter Ulbricht seine Vorstellungen<br />
über die erwünschte Architektur bekannt, die von der Anzahl<br />
der zu fügenden Geschosse bis zur Aufschmückung der Fassaden<br />
durch Architekturdetails reichte. 8<br />
Dieser Eingriff war der Beginn einer Kurskorrektur, die<br />
im April 1952 zur Ablösung von Kurt W. Leucht führte. Maßgeblich<br />
dafür dürfte auch die Kritik der Architekten Hermann<br />
Henselmann, Richard Paulick und Egon Hartmut gewesen sein,<br />
die den vorliegenden Planungen mangelnde Korrespondenz zu<br />
den städtebaulichen Erfahrungen in der Sowjetunion vorwarfen<br />
und die vor allem auf die Vernachlässigung architektonischer<br />
Betonungen, ausgenommen davon war der zentrale Platz,<br />
verwiesen, so dass der Eindruck „eines siedlungsmäßigen Schematismus“,<br />
wie sie schrieben, entstehen konnte. 9 (Abb. 3)<br />
Im Zuge der Umbenennung der Stadt am 7. Mai 1953<br />
in „Stalinstadt“, in der sich ja gerade der 1. Wohnkomplex zu<br />
präsentieren begann, erfuhr das Geschaffene eine erneute Kritik<br />
durch Walter Ulbricht. (Abb. 4)<br />
Mit Blick auf das Nationale Aufbauwerk, das die Bautätigkeit<br />
in Dresden, Rostock, Magdeburg und Leipzig zu<br />
befl ügeln hatte, war nun auch für Stalinstadt der Übergang<br />
zur sozialistischen Stadtplanung gegeben. Das Ziel war eine<br />
„Sozialistische Architektur der Nationalen Bautradition“. Nun<br />
galt es die Stadt aufzuschmücken, die Scheu vor „symmetrischen<br />
Lösungen“ zu überwinden, die sich nicht nur in den<br />
6 wie Anm. 2<br />
7 wie Anm. 3, S. 120 u. 367 und Anm. 2<br />
8 wie Anm. 3, S. 371 ff.<br />
9 wie Anm. 2, S. 33<br />
Nachkriegserbe – Denkmalpfl ege in Eisenhüttenstadt<br />
135<br />
Vorgaben des Wettbewerbs für die Magistrale im Jahre 1953<br />
niederschlugen, sondern eindrucksvoller in seinen Ergebnissen.<br />
Die favorisierten Lösungen belegten einen ideologischen<br />
Zusammenhang zwischen Werk und Kernbereich der Stadt mit<br />
Magistrale und zentralem Platz durch klare künstlerische Akzentuierungen<br />
und einer Geschlossenheit der Raumfolgen mit<br />
nahezu repräsentativen barocken Zügen.<br />
Begrüßt wurde ein Formenapparat, der auf die Backsteingotik<br />
verwies – gedacht als Ausdrucksmöglichkeit für die<br />
anempfohlene nationale Bautradition. Deutlicher konnte sich<br />
der Wandel nicht zeigen - heimisch nationale Formen hatten<br />
sich mit repräsentativen Raumfolgen zu vereinen, um so den<br />
bislang noch spürbaren internationalen Tendenzen im Städtebau,<br />
die auch in Stalinstadt nachweisbar waren und sind, zu<br />
begegnen. Jedoch wurde die Grundgliederung der Stadtanlage<br />
nicht mehr aufgehoben. Sie sollte wohl und konnte aber zu diesem<br />
Zeitpunkt ihren Bezug zur Charta von Athen nicht mehr<br />
leugnen, wie auch nicht die 16 Grundsätze zum Städtebau.<br />
Die Trennung von Arbeiten, Wohnen und Verkehr,<br />
noch ergänzt durch die Erholungsbereiche an der Oder, der<br />
Magistralgedanke, die Zusammenfassung der Wohnhäuser<br />
zu Wohnkomplexen mit den übergreifenden Raumfolgen der<br />
gärtnerisch z. T. aufwendig gestalteten Wohnhofanlagen blieben<br />
das bis heute Prägende dieser Stadtanlage. (Abb. 5)<br />
Diese Hinwendung zu einer repräsentativen traditionellen<br />
Stadtbaukunst, die ihren Höhepunkt 1953 hatte, blieb<br />
natürlich nicht ohne Erwiderungen im Westen und so konnte<br />
Werner Durth resümieren:<br />
„Wenn nun vom Westen her solche Versuche monumentaler<br />
Stadtanlagen bald als Wiederkehr nationalsozialistischen Größenwahns<br />
diffamiert und mit Spott bedacht wurden und umgekehrt<br />
maßgebliche Politiker der DDR die schlichte Moderne im Westen<br />
als Fortsetzung von Hitlers „Kasernenbauweise“ geißelten, konnten<br />
sich beide Seiten indessen auf jeweils passende Beispiele aus den<br />
frühen vierziger Jahren beziehen und im jeweiligen Geschichtsbild<br />
Traditionsstränge zeigen, die zur Legitimation der eigenen Ansätze<br />
als Negativkontraste entsprechender Naziplanungen zitieren.“ 10<br />
Bei einer derartigen Betrachtung steht Eisenhüttenstadt<br />
dann ganz in der Folge von Entwicklungstendenzen im<br />
Städtebau, die sich der Darstellung axialer repräsentativer<br />
Raumfolgen mit aufgeschmückten Bauwerken verschrieben<br />
hatten. Doch der Bauschmuck wurde nicht der Backsteingotik<br />
entnommen, so wie es Hanns Hopp in seinem Magistralenentwurf<br />
vorgeschlagen hatte. Das blieb Rostock vorbehalten. Der<br />
Bauschmuck in Eisenhüttenstadt wurzelt im klassizistischen<br />
Formenapparat, den Richard Paulick auf der Baukonferenz für<br />
brandenburgische Wohntypen vorgeschlagen hatte. Gekennzeichnet<br />
werden sollte dieser durch stärker hervorspringende<br />
Risalite, profi lierte Gesimse und durch mit klassizistischen<br />
Giebelreliefs bekrönte Mittelrisalite. Und in der Tat fi nden sich<br />
diese auch in Eisenhüttenstadt als besondere Anerkennung der<br />
Architektur der Schinkelschule, die in den 50er Jahren als eine<br />
revolutionäre Begegnung mit der zeitgenössischen gesellschaftlichen<br />
Entwicklung verstanden werden sollte.<br />
10 wie Anm. 4, S. 35