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162<br />

Pál Lővei<br />

und anschließend seine Renovierung in Angriff genommen<br />

wurde, erhielten diejenigen Personen, die sich am Kampf für<br />

die architektonischen Werte beteiligten, den Titel „Beschützer<br />

der Denkmäler des Kommunismus“. Dieses „Prädikat“ wurde<br />

unserem gerade neu gewählten Präsidenten ins Ohr gefl üstert<br />

– der allerdings kannte die seelischen Tiefen der Investoren<br />

so gut, dass er die Anschuldigung in die richtige Schublade<br />

einordnen konnte. Dies trifft auch für das Attribut „urkonservativ“<br />

zu, mit dem wir gebrandmarkt wurden, weil wir uns<br />

für das ursprüngliche Baumaterial und für die ursprüngliche<br />

materielle Substanz eingesetzt hatten.<br />

In den 1990er Jahren lehnte es die ministerielle Seite<br />

beispielsweise noch ab, die von 1951 bis 1953 errichtete Budapester<br />

Synchronwerkstatt (Arch.: Lajos Gádoros und István<br />

Mühlbacher) (Abb. 2) unter Denkmalschutz zu stellen – mit<br />

der trotzigen Bemerkung des Ministers: „Sozialistischen Realismus<br />

unterschreibe ich nicht“. Für den nachfolgenden Minister<br />

war es dann – mit Blick auf die architektonische Qualität<br />

und Einzigartigkeit der Werkstatt – kein Hindernis mehr, das<br />

aus Expertensicht unbedingt schützenswerte Gebäude unter<br />

Denkmalschutz zu stellen. In diesen Fällen gingen das Ungarische<br />

Architekturmuseum und die ungarische Denkmalschutzbehörde,<br />

d.h. die wissenschaftliche Abteilung des Denkmalamtes,<br />

Hand in Hand vor.<br />

Bereits 1996 stellten wir eine gemeinsame Liste mit<br />

denjenigen Gebäuden aus dem Vierteljahrhundert nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg zusammen, die wir für besonders schützenswert<br />

hielten. Und im Jahre 2000 arbeiteten wir im Rahmen<br />

der Ausstellung „Die sich erweiternden Kreise der Denkmalpfl<br />

ege“ und im Katalog ebenfalls daran, Schutz und Pfl ege<br />

auf Bauwerke aus dem dritten Viertel des 20. Jahrhunderts<br />

auszuweiten. Es ist der Allgemeinheit – und den Politikern<br />

– nur schwer zu vermitteln, dass sich beim Denkmalschutz<br />

der Schwerpunkt immer mehr auf die Geschichtlichkeit der<br />

Denkmäler verlagert und dementsprechend nicht nur das,<br />

was schön ist, zu einem Denkmal erklärt werden kann. Und<br />

die Geschichte ist ein einheitlicher Strom, aus dem man die<br />

„unliebsamen“ Epochen nicht einfach weglassen darf. Daher<br />

werden – früher oder später – auch die Werke der Nachkriegszeit<br />

zum Gegenstand der architekturgeschichtlichen Analyse,<br />

und die charakteristischsten, am Maßstab ihrer Zeit gemessen<br />

niveauvollsten Gebäude können unter Denkmalschutz gestellt<br />

werden.<br />

In den 1950er und 1960er Jahren wurden in Ungarn<br />

sehr viele Gebäude errichtet: Wohnanlagen, öffentliche Gebäude,<br />

Betriebs- und Fabrikensembles, neue Städte und Stadtteile.<br />

Die Entwicklung des Tourismus, die Betonung der Wichtigkeit<br />

des Außenhandels, die – anfänglich langsame – Motorisierung<br />

und auch die Einrichtung von Fernsehsendern bildeten dann<br />

beispielsweise typische Merkmale der Kádár’schen Konsolidierung<br />

nach 1956, der vorsichtigen Öffnung nach Westen und<br />

der Bemühungen zur Anhebung des Lebensstandards. Dieser<br />

Prozess ging mit der Errichtung entsprechender Gebäudetypen<br />

einher. Auf den ersten Blick kann der Denkmalschutz<br />

aus einem riesigen Materialreservoir schöpfen. Das mehrfach<br />

angeführte Argument, wir sollten eine noch größere Distanz<br />

gewinnen und uns länger Zeit lassen, damit sich herauskristallisieren<br />

kann, was ausgewählt werden soll und was wirklich<br />

schützenswert ist, ist also nicht von der hand zu weisen. Allerdings<br />

darf die große Zahl von Gebäude nicht täuschen. Sehr<br />

Vieles wiederholt sich und ist anspruchslos – was natürlich ein<br />

Charakteristikum der Epoche ist. Und als solches ist es – in ein<br />

oder zwei Exemplaren – vielleicht auch schützenswert: Einige<br />

Gebäude der verschiedenen Typen von Plattenbauten können<br />

so – früher oder später – als Zeitdokumente auch auf die Liste<br />

des Denkmalschutzes gelangen. Es gibt aber auch eine Reihe<br />

wichtiger Gebäudetypen, die – unter historischen Aspekten –<br />

ein charakteristisches Produkt der Zeit darstellen, die aber nur<br />

in kleiner Zahl als Bauwerke verwirklicht wurden. Ihr Niveau<br />

ist schwankend, weswegen die Gelegenheit sehr leicht verpasst<br />

werden kann, die angemessensten, qualitativ hochwertigsten<br />

und frühesten oder die typischsten Beispiele auszuwählen und<br />

zu schützen.<br />

In das Verzeichnis der Denkmäler in Ungarn wurden<br />

Mitte der 1970er Jahre die wichtigsten Schöpfungen der Architektur<br />

aus der Zwischenkriegszeit und der modernen Architektur<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen, wobei<br />

sich die Aufmerksamkeit damals noch auf die Bauwerke in<br />

Budapest beschränkte. Anderthalb Jahrzehnte hindurch bildete<br />

das von István Nyíri (1902–1955) entworfene, im Jahre<br />

1949 in Budapest errichtete und gegenwärtig zwar erneuerte,<br />

aber funktionslose Gebäude des Autobus-Bahnhofs am<br />

Erzsébet Platz, das das erste seiner Art war und einen neuen<br />

Bautypus erschuf, das „jüngste“ Baudenkmal Ungarns. Im<br />

Jahre 1977 wurde es unter Denkmalschutz gestellt. Das 1951<br />

errichtete Budapester Kulturhaus der Ungarischen Optischen<br />

Werke (MOM) (Arch.: Károly Dávid jun.) (Abb. 3) ist seit<br />

1991 geschützt. Es war mehr als zehn Jahre lang das jüngste<br />

Denkmal und zugleich auch das einzige denkmalgeschützte<br />

Gebäude in Ungarn, das die Architektur der 1950er Jahre repräsentierte.<br />

Gefährdungen und Verluste<br />

Ein Objekt zu einem Baudenkmal zu erklären, ist<br />

natürlich nur möglich, wenn das Gebäude noch existiert.<br />

Das Schicksal von mehreren wichtigen Bauwerken aus den<br />

1950/1960er Jahren zeigt aber, dass unser Zeitalter nur mühsam<br />

eine Möglichkeit eröffnet, dass sich ein Gebäude in ein<br />

Denkmal „verwandeln“ kann. Die Gebäude aus der Zeit nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg gerieten bereits im Jahrzehnt vor dem<br />

Systemwechsel von 1989/1990, insbesondere aber in den Jahren<br />

danach in einen gefährdeten Zustand. Der Anspruch der<br />

Auftraggeber und der ihnen zu Diensten stehenden Architekten<br />

war nicht hoch und berücksichtigte Wert und Geschichte<br />

der Bauwerke nicht. Im Zuge eines Entwicklungsprogramms<br />

für den Tourismus am Plattensee (Balaton) /Ende der 1950er/<br />

Anfang der 1960er Jahre, wurde teils unter Verwendung der<br />

nach der Brüsseler Weltausstellung von 1958 erworbenen

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