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138<br />
Detlef Karg<br />
straße/Beeskower Straße; Scheibengasbehälter (Gasometer) des<br />
Stahlwerkes; Hochofen Nr. 1 von 1951 mit Nebenanlagen; das<br />
Städtische Krankenhaus an der Friedrich-Engels-Straße mit<br />
Hauptgebäude, Isolierhaus, Wirtschaftsgebäuden, ehemaligem<br />
Schwesternwohnheim, Pförtnerhaus und Außenanlagen und<br />
das Hotel ´Lunik´ Lindenallee/Straße der Republik.<br />
Wir haben uns aber auch zu fragen, ob es den wertenden<br />
Geschichts-, Kunst- und Kulturdisziplinen, vor allem aber<br />
der Denkmalpfl ege allein vorbehalten bleiben soll, die entscheidenden<br />
Aussagen zum Umgang mit den substantiellen<br />
Zeugen unserer jüngsten Vergangenheit zu treffen. Angesichts<br />
der Bedeutung der Stadtanlage stehen auch die Politik und die<br />
Verwaltungen in der Verantwortung, um dem immer wieder zu<br />
spürenden Aktionismus einer sich allzu schnell wandelnden Zeitkritik<br />
zu begegnen. Die bestehenden Regelwerke zur Stadtentwicklung<br />
auch im Rahmen der Förderpolitik des Ministeriums<br />
für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg<br />
und des Bundesministeriums für Stadtentwicklung, Bauen und<br />
Verkehr sind ausreichend, um auch schon im Vorfeld möglichen<br />
Substanzverlusten zu begegnen. Das Bundesministerium<br />
hat in seinen Förderrichtlinien für die Stadtentwicklung und<br />
den städtebaulichen Denkmalschutz vorsorglich eine Förderung<br />
zum Abriss von Denkmalen ausgeschlossen. Es bedarf also<br />
auch der konsequenten Anwendung dieser Regelwerke.<br />
Und dennoch gibt es vor Ort immer wieder das Begehren<br />
nach Abrissen in den unter Denkmalschutz stehenden Wohnkomplexen.<br />
Nunmehr sind es aber anders als in 1990er Jahren<br />
in der Vielzahl von Fällen rein ökonomische Interessen. So vertritt<br />
auch die Eisenhüttenstädtische Gebäudewirtschaft GmbH<br />
mit Verweis auf ihre nach betriebswirtschaftlichen Kriterien erhobenen<br />
Kosten-Nutzen-Kalkulationen, aber eingebettet in die<br />
generell zu verzeichnende Problematik der demografi schen Entwicklung<br />
und der bestehenden hohen Arbeitslosigkeit in der<br />
Stadt, ihre Abrissvorstellungen in den unter Denkmalschutz<br />
stehenden Wohnkomplexen I – IV. Hier bleibt zu resümieren,<br />
das kann und muss auch für Eisenhüttenstadt uneingeschränkt<br />
zur Anwendung kommen, dass die gebotene Reduzierung des<br />
Wohnungsbestandes im Rahmen der gegenwärtigen und auch<br />
künftigen Stadtentwicklung in den peripheren Arealen der<br />
Stadtanlagen – in Eisenhüttenstadt insbesondere in den nicht<br />
unter Denkmalschutz stehenden Wohnkomplexen V-VII –<br />
erfolgt. Es stimmt uns nicht nur nachdenklich, wenn dann die<br />
Eisenhüttenstädter Wohnungsgenossenschaft eG entgegen der<br />
Auffassung der städtischen Gebäudewirtschaft GmbH die Erhaltung<br />
von Gebäuden im Wohnkomplex I auch im Hinblick<br />
auf eine Wirtschaftlichkeit für vertretbar erklärt. Modernisierung<br />
und Wahrung der denkmalpfl egerischen Belange stehen<br />
sich offensichtlich auch unter wirtschaftlichen Aspekten nicht<br />
unversöhnlich gegenüber. Diese Wohnungsbaugenossenschaft<br />
hat das schon seitens der Stadt mehrfach auf die Abrissliste gestellte<br />
Einzeldenkmal Gaststätte ´Aktivist´ in einer konzertierten<br />
Aktion gerettet. (Abb. 12) Am 10. September, im Vorfeld<br />
des Tages des offenen Denkmals 2010 wurde diese 1991 geschlossene<br />
Gastronomie nach einer 3-jährigen Bauzeit wieder<br />
eröffnet. (Abb. 13), (Abb. 14) Für die Eisenhüttenstädter war<br />
sie der zentrale Ort kultureller öffentlicher aber auch privater<br />
Ereignisse. Damit wurde ein prägendes, die Geschichte von<br />
Eisenhüttenstadt tragendes Denkmal aus den ersten 1950er<br />
Jahren gerettet. 14 (Abb. 15) Das konnte natürlich nicht ohne<br />
Zugeständnisse der Denkmalpfl ege durch die Umnutzung zu<br />
einem Großraumbüro für die örtliche Wohnungsgenossenschaft<br />
mit angeschlossenem Bierlokal geschehen. Dennoch<br />
konnte der Zeugniswert dieses Einzeldenkmals erhalten werden,<br />
auch die Wirkung seiner ursprünglichen Gestaltqualität<br />
durchaus mit den Spuren der wechselvollen Geschichte trotz<br />
Umnutzung, aber dennoch mit der für die Klassifi zierung als<br />
Denkmal unverzichtbaren Authentizität. Die Beharrlichkeit<br />
der Denkmalpfl ege, den Argumentationen, wie die Typologien<br />
aus der ´Stalinzeit` sind für unsere Lebensqualitäten ´nicht<br />
nutzbar´, zu widerstehen, hat sich ausgezahlt.<br />
Auch die Sanierung des so markant platzierten ´Friedrich<br />
Wolf–Theater´ in der Lindenallee, die ihren Stellenwert<br />
als Magistrale trotz aller Veränderungen nach 1990 noch behauptet,<br />
ist geschafft. (Abb. 16) Das Theater konnte in der Außensanierung<br />
nach Befund und in der Innensanierung unter<br />
Wahrung des Bestandes aber auch von der Denkmalpfl ege getragenen<br />
Kompromissen für eine künftige Nutzung durch die<br />
Erneuerung der technischen Ausstattung und Bestuhlung als<br />
Spiel- und Versammlungsstätte und durch eine zweifelsohne<br />
alle Beteiligten fordernde Finanzierung saniert werden. Heute<br />
ist es wieder ein Achtung gebietender zentraler, kultureller<br />
öffentlicher Ort im Leben der Stadt und ihres Umfeldes, der<br />
gerade durch seine bemerkenswerte Qualität der Gestaltung<br />
aus der Entstehungszeit besondere Beachtung erfährt.<br />
Doch auch in den Wohnkomplexen gelang eine unter<br />
Respektierung der denkmalpfl egerischen Forderungen bemerkenswerte<br />
Modernisierung des Wohnungsbestandes. (Abb.<br />
17) Hier stand in den ersten 2000er Jahren die mit Priorität<br />
versehene Wärmedämmung im Rahmen der Modernisierung<br />
der Wohnungen zur Betrachtung an. Über das Vollwärmedämmsystem<br />
mit Polystyrolplatten, Wärmedämmputzen und<br />
Innendämmung mit Calzium-Silikatplatten stand letztlich die<br />
Erkenntnis, dass derartige Lösungen mehr Schaden als Nutzen<br />
verursachen. Eine Lösung erbrachten die dann ausgestellten<br />
Energiepässe. Die guten energetischen Ergebnisse wurden<br />
durch die Dämmung der Kellerdecken und oberen Geschossdecken<br />
sowie der Treppenhauswände erzielt, so dass auf eine<br />
Dämmung der feingliedrigen Fassaden verzichtet werden<br />
kann. Der Schutz der Originalsubstanz – bislang sind keine<br />
Bauschäden aufgetreten – und des Erscheinungsbildes bei<br />
kaum eintretenden energetischen Verlusten darf durchaus in<br />
die gegenwärtigen Erörterungen zur Verbesserung der Energiebilanzen<br />
in der Altbausubstanz eingebracht werden. (Abb. 18)<br />
Auch der künftige Umgang mit den Freifl ächen des<br />
gärtnerisch gestalteten Wohnumfeldes in den Innenhöfen der<br />
Blockrandbebauung erbrachte fordernde und langwierige Erörterungen.<br />
Auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme der ursprünglichen<br />
Gestaltung und Ausstattung erfolgte der Abgleich<br />
mit den gegenwärtigen funktionellen Anforderungen. Schon,<br />
14 Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpfl ege und Archäologisches<br />
Landesmuseum,<br />
Objektakte. Eisenhüttenstadt, AZ: 2.00 – 12 / 541, ´Aktivist´