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1.<br />

Mit dem wachsenden Abstand zum Ende des Staatssozialismus<br />

in Osteuropa und seinem architektonischen und<br />

städtebaulichen Erbe weitet sich mittlerweile der Horizont auf<br />

das ganze architektonische und städtebauliche Erbe des 20.<br />

Jahrhunderts und auf das Wirken der Architekten in ihm. Oftmals<br />

veranlassten die historischen und kulturellen Brüche dieses<br />

„Jahrhunderts der Extreme“ (Eric Hobsbawm) die Architekten,<br />

die politischen und ästhetischen Fronten zu wechseln.<br />

Waren noch die 1950er Jahre vom Gegensatz zwischen<br />

westlichem Modernismus und östlichem Traditionalismus geprägt,<br />

treten Ost und West in den 60er und 70er Jahren in<br />

einen Wettstreit um die Gestaltung der Moderne ein. Zwar<br />

gewann der Westen diesen Wettstreit, aber die heute so bezeichnete<br />

fordistische Moderne war selbst bereits an ein gewisses<br />

Ende gekommen.<br />

Unmittelbar nach 1989/1990 schien – ganz im Zeichen<br />

des damaligen postmodernen Zeitgeistes und der Suche nach<br />

der tatsächlich oder nur scheinbar unterbrochenen Kontinuität<br />

der europäischen Städte – das Ende der architektonischen<br />

und städtebaulichen Moderne einerseits und des Staatssozialismus<br />

anderseits gänzlich in Eins zu fallen.<br />

Heute treten ästhetische und sozial-politische Orientierung<br />

von Architektur und Architekten wieder stärker spannungsvoll<br />

auseinander. Im historischen Längsschnitt lassen sich – in<br />

Ost und West mitunter phasenverschoben – mehrere längere<br />

Wellen moderner und traditioneller Orientierung ausmachen.<br />

2.<br />

Hermann Henselmann (1905-1995) repräsentiert wie<br />

kaum ein anderer Architekt aus der früheren DDR die Entwicklung<br />

von Architektur und Städtebau des zweiten deutschen<br />

Staates (Abb. 1, 4).<br />

Bekannt wurde seine bekennende Wendung als moderner<br />

Architekt hin zur Architekturdoktrin des Bauens in „nationalen<br />

Traditionen“. Nach parteioffi zieller Kritik an seinen<br />

modernistischen Entwürfen für die Ost-Berliner Stalinallee<br />

Anfang der 50er Jahre stellte er sich dem Auftrag der SED-Führung<br />

und entwarf in kürzester Zeit das „Hochhaus an der Weberwiese“<br />

(1950/51), das der noch unsicheren Partei- und Staatsführung<br />

ein Bild des noch unbestimmt Geforderten gab, die<br />

architekturpolitische Wende damit befestigte, stilbildend für<br />

die weiteren Bauten der Stalinallee wurde und Henselmann die<br />

Genugtuung verschaffte, es besser als alle andere es je hätten<br />

HERMANN HENSELMANN ARCHITEKT<br />

UND ARCHITEKTUR ZWISCHEN<br />

MODERNISMUS UND TRADITIONALISMUS<br />

Thomas Flierl<br />

machen können, vollbracht zu haben. Seine späteren Bauten<br />

am Strausberger Platz und am Frankfurter Tor (1952 bis 1955)<br />

markierten die Eingangssituationen in die „erste sozialistische<br />

Straße“ Berlins (Abb. 2 – 5).<br />

Später, als nach der Kritik Chruschtschows an der stalinistischen<br />

Repräsentationsarchitektur (1958) und ausgehend<br />

von der Sowjetunion die Industrialisierung des Bauwesens<br />

vorangetrieben wurde, war es wiederum Henselmann, der der<br />

Wiederaneignung der Moderne mit seinen Entwürfen für den<br />

2. Bauabschnitt der Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee) (1959)<br />

und insbesondere mit den realisierten Entwürfen für das Haus<br />

des Lehrers und der Kongresshalle (1962-64), dem Berliner<br />

Fernsehturm (1969) und vielen weiteren Bauten prägnante Gestalt<br />

verlieh. In den 60er und bis Mitte der 70er Jahre war diese<br />

Wiederentdeckung der Moderne auch mit der Hoffnung auf<br />

eine gesellschaftliche Modernisierung verbunden. (Abb. 6 – 9)<br />

3.<br />

Weniger bekannt ist die Wendung im architektonischen<br />

Schaffen Henselmanns, der als überzeugter moderner Architekt<br />

nach 1933 seine freiberufl iche Tätigkeit aufgeben und sich<br />

offi ziellen Bauaufgaben stellen musste. Wegen seines Status als<br />

„Halbjude“ entzog ihm 1940 die Reichskulturkammer seine<br />

Berufserlaubnis, 1941 wurde ihm eine Sondergenehmigung<br />

zur Arbeit als Architekt erteilt.<br />

Henselmann war 1926 bis 1931 in verschiedenen Architekturbüros<br />

angestellt. Für seine moderne Architekturhaltung<br />

der damaligen Zeit stehen die Villa Kenwin in La Tour-de-Peilz<br />

(Schweiz) aus dem Jahre 1929, das Haus Kenwin in Montreux/<br />

Schweiz aus dem Jahre 1930 und die privaten Wohnhäuser<br />

im Umkreis von Berlin (1931–1932 Wohnhaus Heinecke, Kleinmachnow,<br />

1933 Wohnhaus Stengl, Kleinmachnow, 1934<br />

Wohnhaus Ihring, Kleinmachnow, 1934–1935 Wohnhaus<br />

vom Hoff, Auf der Weinmeisterhöhe, Berlin Gatow). 1<br />

In Zusammenarbeit mit Günther Wentzel entwirft Henselmann<br />

1941 – 1942 Bauernhöfe in Balzweiler/Kreis Hohensalza<br />

im Wartheland (heute Inowroclaw, Polen). Die moderne<br />

Haltung ist auch hier noch zu erkennen (z.B. kein „deutsches“<br />

Dach, d.h. Walmdach).<br />

In den Jahren 1943 –1945 ist Henselmann im Büro<br />

Godber Nissen tätig und am Bau von Gebäuden für die »Avia-<br />

1 Abbildungen zu den erwähnten Bauten fi nden sich bei den von Jan<br />

Lubitz erstellten Architekten-Portraits unter: http://www.architekten-portrait.de/hermann_henselmann/

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