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Jörg Haspel<br />

schließlich seine interimistische Funktion als provisorisches<br />

Bundeskanzleramt haben den Weg zu einer Neubewertung<br />

des Geschichts- und Baudenkmals der DDR-Zeit eröffnet oder<br />

zumindest mehr Gelassenheit im Umgang mit dem Erbe des<br />

Sozialismus gefördert.<br />

Inzwischen wurde das nach Plänen der Architekten Roland<br />

Korn und Karl-Heinz Bogatzky 1963 fertiggestellte Haus<br />

durch den Architekten HG Merz für die Zwecke der Europan<br />

School af Management and Technology, also einer internationalen<br />

Privatuniversität für Führungskräfte der Wirtschaft,<br />

umgebaut. Dabei ist es dem Architekten und dem Bauherren<br />

gelungen, die wichtigsten und aufwendigst ausgestatteten<br />

Raumfolgen und Repräsentationssäle vergleichsweise unbeschadet<br />

zu erhalten und für Hochschulfunktionen umzunutzen,<br />

während die reinen Büro- und Arbeitsgeschosse im Sinne<br />

eines modernen Hochschulbetriebs verdichtet und neugestaltet<br />

wurden. Nirgendwo, so ließe sich vielleicht behaupten, haben<br />

sich demokratische Einrichtungen aufgeklärter im Umgang<br />

mit einem undemokratischen Erbe verhalten als beim Staatsratsgebäude.<br />

Denkmalabbrüche oder Denkmalentstellungen<br />

können ja die kritische Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit<br />

nicht ersetzen. Vielmehr können nur Denkmale,<br />

in denen wir unserer Vergangenheit immer wieder aufs Neue<br />

begegnen, auch immer wieder kritische Selbstrefl ektionen über<br />

unsere Herkunft provozieren.<br />

Zwanzig Jahre nach der politischen Wende liefert die<br />

Denkmalbilanz für Bau- und Gartenzeugnisse der “Hauptstadt<br />

der DDR” zwar keine reine Erfolgsstory, aber sie kann sich durchaus<br />

sehen lassen. Dieses Fazit gilt erst recht, wenn man die<br />

Nachwendestimmung der Bilderstürmer und Denkmalstürmer<br />

zum Ausgangspunkt nimmt und die inzwischen eingeleiteten<br />

oder ausgeführten Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen<br />

zum Gradmesser nimmt. Wer sich der teilweise interfraktionellen<br />

parlamentarischen Mehrheitsbeschlüsse zur Löschung<br />

der vormaligen Stalin-Allee, seit 1961 Karl-Marx-Allee, aus der<br />

Denkmalliste oder zur Versetzung der “East-Side-Gallery”, des<br />

über einen Kilometer langen, bemalten Reststücks der Berliner<br />

Mauer vom Spreeufer in einen Stadtrandpark entsinnt, wird<br />

heute mit Genugtuung feststellen, dass sich die Wogen geglättet,<br />

die attackierten Zeugnisse einigermaßen erhalten oder sogar<br />

mit sichtbarem Erfolg behandelt werden konnten.<br />

Bauwerke und Kunstwerke der Ostmoderne<br />

Allein die Löschung des 1992 abgetragenen monumentalen<br />

Lenin-Standbildes (1970, Tomski) im Bezirk Friedrichshain<br />

darf man uneingeschränkt als einen denkmalpolitischen<br />

Frontstadtrefl ex aus den unverarbeiteten Erfahrungen der gespaltenen<br />

Welthauptstadt des Kalten Krieges diagnostizieren.<br />

Andererseits könnte man die Umwidmung und Herrichtung<br />

des lange Zeit heftig umstrittenen ehemaligen Staatsratsgebäudes<br />

der DDR positives Signal für eine Versachlichung der<br />

Debatte um die politische Kunst und politische Architektur<br />

sozialistischer Provenienz verstehen. Die in den letzten zehn<br />

Jahren erfolgreich abgeschlossene Sanierung des Hauses des<br />

Lehrers und der Kongresshalle am Alexanderplatz (1962-64,<br />

Hermann Henselmann) und des Cafe Moskau an der Karl-<br />

Marx-Allee (Josef Kaiser und Horst Bauer, Entwurf 1959-61,<br />

Bau 1962-64) markieren weitere wichtige Stationen zur Förderung<br />

der Akzeptanz von Nachkriegsdenkmalen. Selbst das<br />

Jahre lang leerstehende Gästehaus des Ministerrats der DDR<br />

(1965/66, Walter Schmidt) im Schlosspark Schönhausen hat<br />

mittlerweile einen Investor und hoffentlich eine gute sanierungs-<br />

und Nutzungsperspektive in Privathand gefunden.<br />

Manches Denkmalpfl egeprojekt, wie die Erhaltung<br />

und nötigenfalls Neukommentierung politischer Denkmäler<br />

ging vergleichsweise geräuschlos über die Bühne. Das Spanienkämpfer-Denkmal<br />

von Fritz Cremer und Siegfried Krepp<br />

(1968) oder das Denkmal des polnischen Soldaten und des<br />

deutschen Antifaschisten (1971 von dem polnisch-deutschen<br />

Künstlerkollektiv Zofi a Wolska, Tadeusz Ladziana, Arnd Wittig<br />

und Günther Merkel), beide im Volkspark Friedrichshain,<br />

legen in aktualisierter und kommentierter Fassung weiterhin<br />

Zeugnis ab von der Erbe- und Erinnerungspolitik der DDR.<br />

Das 1986 enthüllte Marx-Engels-Denkmal in der Berliner<br />

Innenstadt (von Ludwig Engelhardt, Werner Stötzer, Margret<br />

Middell, Arno Fischer u.a.) oder das Thälmann-Denkmal<br />

1981-86, Lew Kerbel) in Prenzlauer Berg haben als Geschichtszeugnis<br />

mittlerweile auch bei denjenigen die notwendige<br />

Toleranz gefunden, die weder die politische Haltung der<br />

dargestellten Persönlichkeiten noch das politische Credo der<br />

Auftraggeber teilen. Und das monumentale Sowjetische Ehrenmal<br />

in Treptow (1946-49, Jakow S. Belopolski, Jewgeni W.<br />

Wutschetitsch, Alexander A. Gorpenko und Sarra S. Walerius)<br />

– lange Zeit vor der Anlage in Wolgograd das größte sowjetische<br />

Ehrenmal überhaupt – konnte mit erheblichem Aufwand<br />

gesichert und restauriert werden, ebenso wichtige Teile des Ehrenmals<br />

in Tiergarten (1946, Lew Kerbel) oder der Obelisk zur<br />

Erinnerung an die gefallenen Rotarmisten in Pankow-Buch.<br />

Architekturgebundene Kunst<br />

Wohl das städtebaulichste wirkungsvollste Kunstwerk<br />

ist das Mosaikbild „Unser Leben“ von Walter Womacka, der<br />

in der Art mexikanischer Vorbilder einen sieben Meter hohen<br />

und insgesamt 125 Meter langen Bildfries – die sogenannte<br />

Bauchbinde – um das Haus des Lehrers am Alexanderplatz.<br />

Auch sind vielerorts Kunstwerke überliefert, die nach 1945<br />

im Sinne der Geschichts- und Erbepolitik der DDR in wiederaufgebaute<br />

Baudenkmale integriert worden waren. Zu den<br />

charakteristischen Wandbildern dieser Art zählt das 1952/53<br />

fertiggestellte und nach 1990 restaurierte Monumentalgemälde<br />

von Max Lingner am Ehrenhof des ehemaligen NS-<br />

Reichsluftfahrtministerium, das der DDR als Haus der Ministerien<br />

diente und heute Sitz des Bundesfi nanzministers ist,<br />

unter dem Kurztitel „Der Aufbau der Republik“ (vollständiger<br />

Titel „Die Bedeutung des Friedens für die kulturelle Entwicklung<br />

der Menschheit und die Notwendigkeit des kämpferischen<br />

Einsatzes für ihn“).<br />

Die Ausstattung des Foyers der Humboldt-Universität<br />

mit der fi nalen Feuerbachthese von Karl Marx („Die Philosophen<br />

haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt<br />

aber darauf an sie zu verändern“), die in goldenen Lettern auf<br />

der mit rotem Marmor aus der Reichskanzlei verkleideten

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