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78<br />
Jörg Haspel<br />
schließlich seine interimistische Funktion als provisorisches<br />
Bundeskanzleramt haben den Weg zu einer Neubewertung<br />
des Geschichts- und Baudenkmals der DDR-Zeit eröffnet oder<br />
zumindest mehr Gelassenheit im Umgang mit dem Erbe des<br />
Sozialismus gefördert.<br />
Inzwischen wurde das nach Plänen der Architekten Roland<br />
Korn und Karl-Heinz Bogatzky 1963 fertiggestellte Haus<br />
durch den Architekten HG Merz für die Zwecke der Europan<br />
School af Management and Technology, also einer internationalen<br />
Privatuniversität für Führungskräfte der Wirtschaft,<br />
umgebaut. Dabei ist es dem Architekten und dem Bauherren<br />
gelungen, die wichtigsten und aufwendigst ausgestatteten<br />
Raumfolgen und Repräsentationssäle vergleichsweise unbeschadet<br />
zu erhalten und für Hochschulfunktionen umzunutzen,<br />
während die reinen Büro- und Arbeitsgeschosse im Sinne<br />
eines modernen Hochschulbetriebs verdichtet und neugestaltet<br />
wurden. Nirgendwo, so ließe sich vielleicht behaupten, haben<br />
sich demokratische Einrichtungen aufgeklärter im Umgang<br />
mit einem undemokratischen Erbe verhalten als beim Staatsratsgebäude.<br />
Denkmalabbrüche oder Denkmalentstellungen<br />
können ja die kritische Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit<br />
nicht ersetzen. Vielmehr können nur Denkmale,<br />
in denen wir unserer Vergangenheit immer wieder aufs Neue<br />
begegnen, auch immer wieder kritische Selbstrefl ektionen über<br />
unsere Herkunft provozieren.<br />
Zwanzig Jahre nach der politischen Wende liefert die<br />
Denkmalbilanz für Bau- und Gartenzeugnisse der “Hauptstadt<br />
der DDR” zwar keine reine Erfolgsstory, aber sie kann sich durchaus<br />
sehen lassen. Dieses Fazit gilt erst recht, wenn man die<br />
Nachwendestimmung der Bilderstürmer und Denkmalstürmer<br />
zum Ausgangspunkt nimmt und die inzwischen eingeleiteten<br />
oder ausgeführten Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen<br />
zum Gradmesser nimmt. Wer sich der teilweise interfraktionellen<br />
parlamentarischen Mehrheitsbeschlüsse zur Löschung<br />
der vormaligen Stalin-Allee, seit 1961 Karl-Marx-Allee, aus der<br />
Denkmalliste oder zur Versetzung der “East-Side-Gallery”, des<br />
über einen Kilometer langen, bemalten Reststücks der Berliner<br />
Mauer vom Spreeufer in einen Stadtrandpark entsinnt, wird<br />
heute mit Genugtuung feststellen, dass sich die Wogen geglättet,<br />
die attackierten Zeugnisse einigermaßen erhalten oder sogar<br />
mit sichtbarem Erfolg behandelt werden konnten.<br />
Bauwerke und Kunstwerke der Ostmoderne<br />
Allein die Löschung des 1992 abgetragenen monumentalen<br />
Lenin-Standbildes (1970, Tomski) im Bezirk Friedrichshain<br />
darf man uneingeschränkt als einen denkmalpolitischen<br />
Frontstadtrefl ex aus den unverarbeiteten Erfahrungen der gespaltenen<br />
Welthauptstadt des Kalten Krieges diagnostizieren.<br />
Andererseits könnte man die Umwidmung und Herrichtung<br />
des lange Zeit heftig umstrittenen ehemaligen Staatsratsgebäudes<br />
der DDR positives Signal für eine Versachlichung der<br />
Debatte um die politische Kunst und politische Architektur<br />
sozialistischer Provenienz verstehen. Die in den letzten zehn<br />
Jahren erfolgreich abgeschlossene Sanierung des Hauses des<br />
Lehrers und der Kongresshalle am Alexanderplatz (1962-64,<br />
Hermann Henselmann) und des Cafe Moskau an der Karl-<br />
Marx-Allee (Josef Kaiser und Horst Bauer, Entwurf 1959-61,<br />
Bau 1962-64) markieren weitere wichtige Stationen zur Förderung<br />
der Akzeptanz von Nachkriegsdenkmalen. Selbst das<br />
Jahre lang leerstehende Gästehaus des Ministerrats der DDR<br />
(1965/66, Walter Schmidt) im Schlosspark Schönhausen hat<br />
mittlerweile einen Investor und hoffentlich eine gute sanierungs-<br />
und Nutzungsperspektive in Privathand gefunden.<br />
Manches Denkmalpfl egeprojekt, wie die Erhaltung<br />
und nötigenfalls Neukommentierung politischer Denkmäler<br />
ging vergleichsweise geräuschlos über die Bühne. Das Spanienkämpfer-Denkmal<br />
von Fritz Cremer und Siegfried Krepp<br />
(1968) oder das Denkmal des polnischen Soldaten und des<br />
deutschen Antifaschisten (1971 von dem polnisch-deutschen<br />
Künstlerkollektiv Zofi a Wolska, Tadeusz Ladziana, Arnd Wittig<br />
und Günther Merkel), beide im Volkspark Friedrichshain,<br />
legen in aktualisierter und kommentierter Fassung weiterhin<br />
Zeugnis ab von der Erbe- und Erinnerungspolitik der DDR.<br />
Das 1986 enthüllte Marx-Engels-Denkmal in der Berliner<br />
Innenstadt (von Ludwig Engelhardt, Werner Stötzer, Margret<br />
Middell, Arno Fischer u.a.) oder das Thälmann-Denkmal<br />
1981-86, Lew Kerbel) in Prenzlauer Berg haben als Geschichtszeugnis<br />
mittlerweile auch bei denjenigen die notwendige<br />
Toleranz gefunden, die weder die politische Haltung der<br />
dargestellten Persönlichkeiten noch das politische Credo der<br />
Auftraggeber teilen. Und das monumentale Sowjetische Ehrenmal<br />
in Treptow (1946-49, Jakow S. Belopolski, Jewgeni W.<br />
Wutschetitsch, Alexander A. Gorpenko und Sarra S. Walerius)<br />
– lange Zeit vor der Anlage in Wolgograd das größte sowjetische<br />
Ehrenmal überhaupt – konnte mit erheblichem Aufwand<br />
gesichert und restauriert werden, ebenso wichtige Teile des Ehrenmals<br />
in Tiergarten (1946, Lew Kerbel) oder der Obelisk zur<br />
Erinnerung an die gefallenen Rotarmisten in Pankow-Buch.<br />
Architekturgebundene Kunst<br />
Wohl das städtebaulichste wirkungsvollste Kunstwerk<br />
ist das Mosaikbild „Unser Leben“ von Walter Womacka, der<br />
in der Art mexikanischer Vorbilder einen sieben Meter hohen<br />
und insgesamt 125 Meter langen Bildfries – die sogenannte<br />
Bauchbinde – um das Haus des Lehrers am Alexanderplatz.<br />
Auch sind vielerorts Kunstwerke überliefert, die nach 1945<br />
im Sinne der Geschichts- und Erbepolitik der DDR in wiederaufgebaute<br />
Baudenkmale integriert worden waren. Zu den<br />
charakteristischen Wandbildern dieser Art zählt das 1952/53<br />
fertiggestellte und nach 1990 restaurierte Monumentalgemälde<br />
von Max Lingner am Ehrenhof des ehemaligen NS-<br />
Reichsluftfahrtministerium, das der DDR als Haus der Ministerien<br />
diente und heute Sitz des Bundesfi nanzministers ist,<br />
unter dem Kurztitel „Der Aufbau der Republik“ (vollständiger<br />
Titel „Die Bedeutung des Friedens für die kulturelle Entwicklung<br />
der Menschheit und die Notwendigkeit des kämpferischen<br />
Einsatzes für ihn“).<br />
Die Ausstattung des Foyers der Humboldt-Universität<br />
mit der fi nalen Feuerbachthese von Karl Marx („Die Philosophen<br />
haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt<br />
aber darauf an sie zu verändern“), die in goldenen Lettern auf<br />
der mit rotem Marmor aus der Reichskanzlei verkleideten