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Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs – das architektonische Erbe des Sozialistischen Realismus in Berlin<br />
Stirnseite der Treppe steht, oder die Ausgestaltung der als Bibliothek<br />
wieder aufgebauten „Kommode“ (1775-80) mit dem<br />
Glasfenstermotiv „Lenin beim Studium in Berlin“ von Frank<br />
Glaser im Mittelrisalit zum neuen Lesesaal, aber auch die von<br />
Bertolt Brechts „Fragen eines lesenden Arbeiters“ inspirierte<br />
Denkmalgruppe 1958-61 von Werner Stötzer im Gartenhof<br />
der Staatsbibliothek Unter den Linden zählen zu den signifi -<br />
kanten Neueinträgen, mit deren Hilfe die DDR das bauliche<br />
Erbe Preußens aneignen und in einem zeitgemäßen Bild- und<br />
Bauprogramm im Umfeld des „Bebelplatz“ genannten Lindenforums<br />
neu interpretieren konnte. Obwohl verschiedentlich<br />
seit 1990 Vorschläge aufkamen, solche Traditionsbauten von<br />
politisch motivierten Nachkriegskunstwerken zu bereinigen,<br />
konnten sie bis heute unverändert oder in Verbindung mit erklärenden<br />
Kommentaren erhalten bleiben.<br />
Arbeiterwohnpaläste und Arbeiterschließfächer<br />
Ins Positive gewendet werden konnten sogar das Ansehen<br />
und Aussehen einiger vor zwanzig Jahren ebenfalls<br />
schlecht beleumundeter Denkmalensembles des DDR Wohnungsbaus.<br />
Den Auftakt bildete just jener Straßenzug, der als<br />
“erste sozialistische Magistrale Deutschlands” in die Stadtgeschichte<br />
und das Stadtbild Berlins eingebaut worden war und<br />
sozusagen eine Kettenreaktion von propagandistisch begleiteten<br />
Bau- und Gegenbauaktivitäten in Ost und West ausgelöst<br />
hatte: der 1950 im Sinne der stalinistischen Architekturdoktrin<br />
aufgenommene erste Bauabschnitt der Karl-Marx-Allee<br />
in Berlin-Friedrichshain. Statt der verlangten Vereinfachung<br />
der in Formen der “Nationalen Tradition” von verschiedenen<br />
Architektenteams auf über zwei Kilometer Länge erbauten,<br />
aufwändig dekorierten “Arbeiterwohnpaläste” und statt einer<br />
lange Zeit erwogenen Sparvariante in Putz für die zu über 50<br />
% abgängigen Keramikfassaden kamen zunächst einige Pilotprojekte<br />
zur Erhaltung beziehungsweise Neuanfertigung von<br />
Keramikplatten auf wärmegedämmten Trägerelementen zur<br />
Ausführung (Karl-Marx-Allee 132, Block F von Karl Souradny,<br />
1951; “Haus Berlin”, Strausberger Platz, Hermann Henselmann,<br />
1952; Strausberger Platz 2, Hermann Henselmann,<br />
1952; Block C, Karl-Marx-Allee 68-72, Richard Paulick,<br />
1953).<br />
Die bis Mitte der 1990er Jahre gesammelten Erfahrungen<br />
diese Probesanierungen gingen sozusagen als technische<br />
beziehungsweise bauphysikalische und wirtschaftliche Machbarkeitsstudien<br />
in die zwischenzeitlich für die Mehrzahl der<br />
Blöcke abgeschlossenen Modernisierungsmaßnahmen ein.<br />
Dabei konnten die im Mörtelbett verlegten historischen Keramikfassaden<br />
– abhängig vom Schadensgrad und gewählten<br />
Sanierungsaufwand für Fassadenaufbau und Wärmedämmung<br />
- in einigen wenigen Straßenabschnitten erhalten, gereinigt,<br />
gefestigt und ergänzt oder mit hinterlüfteter Wärmedämmung<br />
und weitgehend historisch getreuen Oberfl ächen wieder hergestellt<br />
werden. Nachdem die Ansiedlung der Architektenkammer<br />
Berlin der Karl-Marx-Allee bereits einen wichtigen<br />
symbolischen Schritt zur ästhetischen Rehabilitierung und<br />
denkmalverträglichen Sanierung dieses Denkmalensembles<br />
geleistet hatte, sorgte auch die Modernisierung der beiden<br />
signifi kanten Turmbauten von Hermann Henselmann am<br />
Frankfurter Tor (1960) durch die Berliner Stiftung Denkmalschutz<br />
für positive Signale.<br />
In der Bundesrepublik lebt jeder fünfzehnte Haushalt in<br />
einer Plattenwohnung, in den östlichen Bundesländern jeder<br />
vierte, in Ostberlin sogar jeder zweite. Die wiedervereinigte<br />
Hauptstadt Berlin ist heute zugleich Deutschlands Kapitale der<br />
Plattenbausiedlungen. Manche Stadtbezirke, wie Marzahn, Hellersdorf<br />
oder Hohenschönhausen, gelten als Plattenbaustädte.<br />
Als Zentrum der Plattenbauweise hat Berlin aber zugleich eine<br />
gewisse Tradition. Die deutsche Metropole war historisches<br />
Experimentierfeld und Wegbereiter der Industrialisierung des<br />
Bauwesens im 20. Jahrhundert. Einige dieser Prototypen und<br />
Modellvorhaben der Plattenbauweise haben sich als Versuchsbauten<br />
oder Frühwerke einer industrialisierten Architektur und<br />
Ästhetik überliefert und stehen heute als umstrittene Bauzeugnisse<br />
des 20. Jahrhunderts sogar unter Denkmalschutz.<br />
Unter den Pilotprojekten, die nach der Gründung der<br />
DDR 1949 wieder mit industriell vorgefertigten Bauteilen und<br />
Konstruktionselementen experimentierten, entstanden einige<br />
der meistbeachteten Versuchsbauten wiederum in Berlin. Ein<br />
Jahr, nachdem der erste Bauabschnitt der Karl-Marx-Allee<br />
bezogen werden konnte, begann 1953 in Berlin-Treptow die<br />
Fertigstellung des ersten Versuchsplattenbaus der Deutschen<br />
Bauakademie nach Entwürfen des Kollektivs Bauer und Richard<br />
Paulick. Das viergeschossige Doppelwohnhaus am Rande<br />
des Johannisthaler Parks (Engelhardtstraße 11/13) steht<br />
als überregional bedeutendes Schlüsselzeugnis für die Anfänge<br />
der Plattenbauweise ebenfalls unter Denkmalschutz. Die<br />
Vorfertigung der Bauelemente erfolgte bei dem Versuchsbau<br />
vor Ort, war aber im Prinzip als Fabrikanfertigung konzipiert.<br />
Eine Sonderbehandlung erfuhren Erd- und Dachgeschoß, die<br />
aufwendiger gegliedert und geschmückt wurden. Pilaster- und<br />
Gesimsgliederung sind aus vorgefertigten Elementen zusammengesetzt,<br />
ebenso die aufgesetzten Brüstungsrosetten und<br />
der Akroterienschmuck auf den Dachecken.<br />
Formal stehen Fassade sowie die großzügig gestalteten<br />
Eingangs- und Treppenhauszonen des Versuchsbaus in<br />
Johannisthal den monumentalen und repräsentativen „Arbeiterwohnpalästen“<br />
an der Stalinallee bzw. Karl-Marx-Allee<br />
noch sehr viel näher als den „Arbeiterschließfächern“ in den<br />
Plattenbau-Großsiedlungen der kommenden Jahrzehnte. Den<br />
beiden Supraportenreliefs, die Darstellungen zu Entwurf und<br />
Ausführung der Plattenbauweise zeigen, möchte man eine<br />
programmatische Botschaft zuschreiben: ein traditionsreiches<br />
Schmuckelement aus der Baukunst dient als zukunftsweisendes<br />
Eingangsmotiv in die Modernisierung des Bauwesens und<br />
in eine neue Architektur. Das Gebäude, das kontinuierlich instand<br />
gehalten und sogar außen renoviert wurde, befi ndet sich<br />
in einem ungewöhnlich guten Pfl ege- und Überlieferungszustand,<br />
der auch unter den neuen Verhältnissen seit 1990 keine<br />
Einbußen erlitt.<br />
Denkmalgeschützte Plattenwahnbauten<br />
Eine völlig neue städtebauliche Dimensionen der Plattenbauweise<br />
eröffnete in den Jahren 1959 bis 1965 der zweite<br />
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