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32<br />

Robert Burgaß<br />

Berlin-Weißensee, überzeugte die Juroren am meisten, weil<br />

er im Sinne des Wettbewerbsprogramms die technischwissenschaftlichen<br />

Errungenschaften mit künstlerischen Mitteln<br />

perfekt zum Ausdruck brachte. 4<br />

Wenig später folgte der Auftrag, den Entwurf im Modell<br />

zu konkretisieren, welches auf der Berliner Kunstausstellung<br />

„Architektur und Bildende Kunst“ im August 1968 für<br />

reges Interesse sorgte und einfl ussreichen Politikern, wie dem<br />

Minister für Bauwesen der DDR, Wolfgang Junker vorgestellt<br />

wurde. Befragt, ob aus Entwurf und Model das geplante Objekt<br />

bis zum Oktober 1969 realisiert werden könne, machte<br />

der künstlerische Urheber die Erteilung einer Sondergenehmigung<br />

zur Beschaffung von Material und zur Bildung von<br />

„Feierabendbrigaden“ zur Bedingung für die Realisierung der<br />

Weltzeituhr. Ohne diese Vorzugsregelung wäre die Umsetzung<br />

des zehn Meter hohen sowie in der Gestaltung sehr anspruchsvollen<br />

Objektes unter den Bedingungen der Planwirtschaft<br />

unmöglich gewesen. 5<br />

Allerdings galt es auch andere Probleme zu lösen. So<br />

sollte nach Auffassung des 1. Sekretärs der SED-Bezirksleitung<br />

von Berlin, Paul Verner, die Hauptstädte Athen, Kapstadt und<br />

Jerusalem aus politischen Gründen nicht auf der Weltzeituhr<br />

aufgeführt werden. Andere Hauptstädte wiederum wie Oslo<br />

waren wohl in der Aufl istung vergessen worden. Auch gestaltete<br />

es sich auf Grund der verfügbaren Fachliteratur als sehr<br />

schwierig, die einzelnen Weltstädte korrekt den verschiedenen<br />

Zeitzonen zuzuordnen. Um sich gegen Fehler abzusichern,<br />

ließ sich John sogar vom Potsdamer Institut für Geodäsie ein<br />

Gutachten erstellen, auf dessen Grundlage wurden die einzelnen<br />

Weltstädte sich den verschiedenen Zeitzonen auf der<br />

Urania-Weltzeituhr zuweisen ließen. Zudem galt es mit dem<br />

Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Abstimmungen<br />

zu treffen, in welcher Schreibweise die Stadtnamen auf den<br />

Tafeln auftauchen sollten. So war beispielsweise zu klären, ob<br />

die Hauptstadt der vereinigten Mexikanischen Staaten „Mexiko-Stadt“<br />

oder „Mexiko-City“ geschrieben wird, ob die die<br />

4 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass nach Auskunft von<br />

Prof. em. Erich John die Idee zur Neugestaltung einer Urania-Säule<br />

nicht, wie in vielen Quellen dargestellt, durch einen Fund oder<br />

gar den Abriss einer alten Urania-Wettersäule entstand, sondern<br />

aus dem Wissen um die ehemalige Urania-Wettersäule, die sich<br />

auf dem Platz befunden hatte, und aus dem Bestreben, mit den<br />

Neubauten und Kunstobjekten am Alexanderplatz die Modernität<br />

und Weltläufi gkeit der Bau- und Bildkunst in der DDR zu<br />

demonstrieren. Nach Aussage von John hatte ihm als Inspiration<br />

und Orientierung für die ersten Entwürfe eine alte hohle Linde<br />

auf dem Dorfplatz seines Heimatortes Kartitz gedient, welche zur<br />

damaligen Zeit einen beliebten Treff punkt für die Dorfj ugend darstellte.<br />

5 Die Anfrage, das Modell der Urania-Säule bis Oktober 1969 zu verwirklichen,<br />

kam nach der Berliner Kunstausstellung im November<br />

1968, vgl. dazu den anlässlich des 40. Jahrestags der Weltzeituhr<br />

fertig gestellten Dokumentarfi lm: Die Weltzeituhr und Erich John<br />

von Regine Hilt (http://www.regine-hilt.de/index.php?id=weltzeituhr).<br />

Hauptstadt der Slowakei mit dem deutschen Namen „Pressburg“,<br />

der slowakischen Bezeichnung „Bratislava“ oder auf<br />

ungarisch als „Pozsony“ auftreten sollte.<br />

Im Dezember 1968 wurde nach der Erteilung des endgültigen<br />

Auftrages, in den Rathenower Optischen Werken und<br />

vom Betrieb für Wasseraufbereitungsanlagen Feierabendbrigaden<br />

gebildet, welche in „fl ießender Projektierung“ gleichzeitig<br />

mit dem Bau des Gerüstes der Weltzeituhr begannen. Dafür<br />

wurden die sichtbaren Blech- und Metallarbeiten im Handwerksbetrieb<br />

des Berliner Kunstschmiedemeister Joachim<br />

Kunsch ausgeführt. Das Bodenmosaik entstand unter Betreuung<br />

des Künstlers H. Müller und wurde durch den VEB Stuck-<br />

und Naturstein hergestellt wurde. Insgesamt waren zirka 120<br />

Personen verschiedenster Gewerke nach Feierabend tätig. Die<br />

Bauleitung, Materialbeschaffung sowie die Logistik übernahm<br />

der Formgestalter Erich John selbst, wobei insbesondere die<br />

rechtzeitige Beschaffung von 15 Tonnen Stahl Probleme bereitete.<br />

Ende August 1969 wurde, nach einem ersten Probelauf,<br />

das 5,50 Meter breite Gerüst der Urania-Weltzeituhr mit einem<br />

Schwerlasttransport von Rathenow zum Berliner Alexanderplatz<br />

gebracht und auf den bereits vorhandenen Schaft montiert.<br />

Nach neunmonatiger Arbeit erfolgte am 30. September<br />

1969 die Schlüsselübergabe des 430 000 DDR-Mark teuren<br />

Bau- und Kunstwerks an den Oberbürgermeister von Ost-Berlin,<br />

Herbert Fechner, sodass das Objekt rechtzeitig zum 30.<br />

Jahrestag der Gründung der DDR am 7. Oktober präsentiert<br />

werden konnte.<br />

Zur Funktion und Bedeutung der Weltzeituhr<br />

Die Urania-Weltzeituhr ist nicht nur durch eine ungewöhnliche<br />

Entwurfs- und Ausführungsgeschichte, sondern<br />

auch durch ein besonderes Gestaltungskonzept gekennzeichnet.<br />

Sie sollte als künstlerisches Objekt wirken und gleichzeitig<br />

eine Vielzahl weiterer Funktionen übernehmen. Vor allem sollte<br />

sie einen einprägsamen Treffpunkt für Berliner und Gäste<br />

markieren, sozusagen als Meetingpoint für Besucher aus Welt<br />

und für Bürger der DDR, die allen wichtigen Weltstädten mit<br />

ihren Uhrzeiten begegnen konnten. Insofern bot die Urania-<br />

Weltzeituhr ein Sinnbild für die moderne Technik und Wissenschaft<br />

der DDR, gleichzeitig aber suggerierte sie die Weltoffenheit<br />

des Staates. 6<br />

Den Einstieg zur praktischen Umsetzung suchte der<br />

Formgestalter John zunächst in konzeptionellen Vorüberlegungen<br />

zum Design, um die Begriffe Raum und Zeit näher<br />

zu erfassen. John ging davon aus, dass das derzeitige Zeitmaß<br />

real von zwei Komponenten in der Bewegung der Erde durch<br />

6 Die Ausschreibung zum Wettbewerb zur Gestaltung eines künstlerischen<br />

Objektes, welches die verschiedenen Weltzeiten anzeigen<br />

sollte, lief unter dem Titel URANIA-Säule. Auch auf der Berliner<br />

Bezirksausstellung „Architektur und bildende Kunst“ im Sommer<br />

1969 wurde das Modell unter dem Namen URANIA- Säule veröffentlicht.<br />

Ungeachtet dessen bürgerte sich in der Berliner Öff entlichkeit,<br />

aber auch unter Touristen infolge der Medienberichte<br />

eher die Bezeichnung Urania-Weltzeituhr oder kurz Weltzeituhr<br />

ein.

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