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Als Brennpunkt des Kalten Krieges erfüllte Berlin nach<br />
1945 eine deutsch-deutsche Schaufensterfunktion im Wettbewerb<br />
der politischen Systeme in Ost und West. Das galt auch<br />
und vielleicht vor allem auf dem Gebiet von Städtebau und<br />
Architektur, deren Ergebnisse oftmals in unmittelbarer Wechselwirkung<br />
beiderseits des Eisernen Vorhangs entstanden<br />
und überregionale, ja internationale Bedeutung als gebaute<br />
Demonstration einer weltpolitischen Konkurrenz und Konfrontation<br />
beanspruchten.<br />
Berlin verdankt seine städtebauliche Physiognomie in<br />
großen Ausschnitten auch den Planungen und Bauten der<br />
Nachkriegsgeneration. Als eine der meist zerstörten deutschen<br />
Städte und als Hauptschauplatz des Kalten Krieges in Deutschland,<br />
besitzt die Stadt eine Fülle überregional bedeutender<br />
Bauzeugnisse der deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte.<br />
Stalinallee und Hansaviertel, die beiden Kongresshallen im<br />
Tiergarten und am Alexanderplatz, Egon Eiermanns Kaiser-<br />
Wilhelm-Gedächtniskirche in der City-West oder der Fernsehturm<br />
am Alex mögen hier als Stichworte genügen. Viele<br />
Bauten der Nachkriegsära, die mit dem Fall der Mauer und der<br />
deutschen Vereinigung zu Ende ging und nunmehr als eine Art<br />
geschlossene Kulturepoche zur kritischen Sichtung durch die<br />
Denkmalpfl ege anliegt, standen nach 1990 auch auf der Liste<br />
der Abrisskandidaten ganz oben.<br />
Der „Rückbau“ genannte Abbruch der Hochhausscheibe<br />
des DDR-Außenministeriums (1964-66) von Josef Kaiser<br />
war vielleicht das medienwirksamste Opfer dieser Stimmung,<br />
in die gerade bei prominenteren Vertretern im Ostteil Berlins<br />
auch politische Vorbehalte eingefl ossen sein mögen. Hinzukommt<br />
als Verlust im Osten das ehemalige Interhotel Berolina<br />
an der Karl-Marx-Allee (1959/61), ein Pilotprojekt für den modernen<br />
Großhotelbau der DDR und ebenfalls von Josef Kaiser.<br />
Die Verlustbilanz verzeichnet freilich auch Denkmaleinbußen<br />
im ehemalige Westen von Berlin, so den Abriss des Vereinshauses<br />
der Berliner Kaufl eute und Industriellen (Paul Schwebes,<br />
1954) und der Börse (Heinrich Sobotka und Gustav Müller,<br />
1954), die in der Charlottenburger City-West dem neuen Ludwig-Erhard-Haus<br />
(1998, Nicholas Grimshaw) der Industrie-<br />
und Handelskammer weichen mussten.<br />
Es ist also neben dem zahlenmäßigen Umfang der Gefährdungsbilanz<br />
auch der Umstand besorgniserregend, dass<br />
eine ganze Reihe von Schlüsselbauwerken von Abbrüchen oder<br />
Abbruchüberlegungen betroffen waren, die zu ihrer Entstehungszeit<br />
in der Fachpresse und interessierten Öffentlichkeit<br />
höchste Anerkennung erfahren hatten. Auch die Beseitigung<br />
NACH DEM FALL DES EISERNEN VORHANGS<br />
– DAS ARCHITEKTONISCHE ERBE<br />
DES SOZIALISTISCHEN REALISMUS IN BERLIN<br />
Jörg Haspel<br />
der Ungarischen Botschaft Unter den Linden (Endre Koltai<br />
& Laszlo Kavacy, 1966), die einem neuen Botschafts- und Bürokomplex<br />
im Bezirk Mitte Platz machen, oder die seit über zehn<br />
Jahren leerstehende Botschaft der Republik Polen Unter den<br />
Linden (1962/64, Emil Leybold und Christian Seyfarth), deren<br />
Schicksal weiterhin ungeklärt ist, gehört dazu. Verluste gibt es<br />
also in Ost und West und – so die These – Wertschätzung oder<br />
Geringschätzung von Baudenkmalen der Nachkriegszeit lassen<br />
nicht allein aus dem Schema des Kalten Krieges und des Ost-<br />
West-Gegensatzes oder parteipolitischen Präferenzen erklären.<br />
Monumente und Kunst am Bau<br />
Anstelle des 1950/51 gesprengten Hohenzollernschlosses<br />
auf der Spreeinsel hatte die DDR nach 1945 zunächst das<br />
Staatsratsgebäude (1961-1963) an der Südseite des Marx-<br />
Engels-Platzes, dann das Außenministerium an der Westseite<br />
(dem die Schinkelsche Bauakademie zum Opfer fi el) sowie<br />
1973-76 den Palast der Republik an der Ostseite erbaut. Der<br />
nach dem Mauerfall ausgelobte internationale Spreeinselwettbewerb<br />
ging von dem Abbruch aller drei Staats- und Regierungsbauten<br />
der DDR aus, um den historischen Stadtgrundriss<br />
wiederherzustellen, also insbesondere das Volumen der Bauakademie,<br />
des Stadtschlosses sowie eine städtebauliche Rückstrukturierung<br />
an der Südseite des Schlossplatzes zu ermöglichen.<br />
Während das Außenministerium von Josef Kaiser und<br />
Palast der Republik von Heinz Graffunder mittlerweile „rückgebaut“<br />
sind, hat das denkmalgeschützte Staatsratsgebäude<br />
von Roland Korn und Hans Erich Bogatzki die Turbulenzen<br />
überdauert. Im glücklichen Schicksal des Staatsratsgebäude<br />
darf man getrost einen der größten Erfolge der letzten 20 Jahre<br />
in Sachen Denkmalschutz für DDR-Architektur sehen.<br />
Mit dem Einbau des Lustgartenportals vom abgebrochenen<br />
Stadtschloss, das mit seinem sogenannten „Liebknechtbalkon“<br />
an die Ausrufung der sozialistischen Republik am 9.<br />
November 1918 durch Karl Liebknecht erinnern soll, und mit<br />
einem dreigeschossigen farbigen Treppenhausfenster, das den<br />
Aufstieg der Arbeiterbewegung von der Novemberrevolution<br />
bis zum Aufbau des ersten sozialistischen Staates auf deutschem<br />
Boden darstellt (von Walter Womacka), lässt sich das<br />
nach dem Mauerbau 1961 vollendete Baudenkmal als eine Art<br />
propagandistisches Gesamtkunstwerk im Dienste des höchsten<br />
Staatsorgans der DDR interpretieren. Die temporäre Nutzung<br />
des mit kostbaren Materialien und in bester Verarbeitung<br />
ausgeführten Staatsbaukunstwerks als Sitz des Umzugsbeauftragten<br />
der Bundesregierung seit Mitte der 90er Jahre und