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Die Forschung hat dem Fortleben der Heimatschutzbestrebungen<br />

und der mit ihr im Zusammenhang stehenden<br />

traditionalistischen Architektur nach 1945 schon früh einen<br />

festen Platz in der westdeutschen Architekturhistoriographie<br />

eingeräumt. 1 Getragen wurde die Heimatschutzarchitektur von<br />

Autoren, die entsprechend erzogen worden waren und nach<br />

1945 mit großer Selbstverständlichkeit dieser Gesinnung treu<br />

blieben. Der Kunsthistoriker Marco Kieser erkannte darin für<br />

Westdeutschland den Versuch „konservativer Vergangenheitsbewältigung“:<br />

„Man führte ja lediglich weiter, was bereits vor<br />

1933 vorhanden gewesen und vom Nationalsozialismus zwar<br />

übernommen, aber nicht korrumpiert worden sei.“ 2<br />

Daß die Heimatschutzbewegung auch in Ostdeutschland<br />

architektonisch nachwirkte und das Baugeschehen anfangs<br />

dort sogar dominierte, ist bisher nicht besonders thematisiert<br />

worden. Dabei sind die Zusammenhänge zwischen<br />

der Architekturkonzeption der „Nationalen Traditionen“ im<br />

östlichen Deutschland und Traditionslinien der Heimatschutzarchitektur<br />

offenkundig. 3 Für eine erste Annäherung bietet<br />

sich der werkbiografi sche Zugriff – über spezielle „Schulen und<br />

Lehrer“ – an. 4 Der Werdegang der Absolventen der konservativen<br />

„Stuttgarter Schule“, also der in Nachfolge von Theodor<br />

Fischer durch Paul Bonatz, Paul Schmitthenner und Heinz<br />

Wetzel begründeten und praktizierten Architekturlehre an der<br />

TH Stuttgart, eröffnet einen geeigneten Zugang. Gilt die Stuttgarter<br />

Architekturschule doch als „Kristallisationspunkt und<br />

Sprachrohr“ der Heimatschutzarchitektur. 5 Im Mittelpunkt<br />

des Beitrags stehen deshalb Absolventen dieser Hochschule,<br />

1 W. Durth: Deutsche Architekten. Biografi sche Verfl echtungen 1900<br />

- 1970, Braunschweig 1986.<br />

2 M. Kieser: Heimatschutzarchitektur im Wiederaufbau des Rheinlandes<br />

(Beiträge zur Heimatpfl ege im Rheinland, Bd. 4), Köln<br />

1998, 12.<br />

3 J. Düwel: Baukunst voran! Architektur und Städtebau in der SBZ/<br />

DDR, Berlin 1995; W. Durth – J. Düwel – N. Gutschow: Architektur<br />

und Städtebau in der DDR, 2 Bd., Frankfurt am Main 1998; Kirchner,<br />

Jörg: Traditionalismus in der Architektur der frühen DDR, in:<br />

Lichtnau, Bernfried (Hg.): Architektur und Städtebau im südlichen<br />

Ostseeraum zwischen 1936 und 1980, Berlin 2002, 284-301<br />

4 vgl. H. Barth: Portraits in miniature. Architekten und Stadtplaner<br />

in der DDR, in: H. Barth (Hg.): Grammatik sozialistischer Architekturen,<br />

Berlin 2001, 21-47. An den meisten deutschen Architekturhochschulen<br />

und Baufachschulen der 1920er und 1930er Jahre<br />

waren die Konzepte der Heimatschutzarchitektur durch einzelne<br />

oder mehrere Lehrerpersönlichkeiten fl ächendeckend vertreten.<br />

5 Kieser 1998 (wie Anm. 2), 33<br />

ZWISCHEN HEIMATSCHUTZARCHITEKTUR<br />

UND NATIONALER TRADITION<br />

– EINFLÜSSE DER STUTTGARTER SCHULE<br />

IN OSTDEUTSCHLAND NACH 1945<br />

Mark Escherich<br />

die nach 1945 im Süden der sowjetisch besetzten Zone (SBZ)<br />

bzw. der 1949 gegründeten DDR tätig waren. Anhand ihres<br />

Wirkens sollen Konturen der Heimatschutzarchitektur im<br />

Osten Deutschlands herausgearbeitet und der Frage nachgegangen<br />

werden, inwieweit Auffassungen der Stuttgarter Schule<br />

in Konzeption und Praxis der Architektur des Sozialistischen<br />

Realismus bzw. der Architektur der Nationalen Tradition in<br />

Ostdeutschland Eingang gefunden haben.<br />

Die Stuttgarter Bauschule<br />

und ihre Rezeption in der Ostzone<br />

Der Architekt Heinrich Rettig (1900-1974) gehörte neben<br />

Bekannteren, wie Julius Schulte-Frohlinde, Diez Brandi<br />

oder Denis Bonvier 6 nach dem Ersten Weltkrieg zur ersten<br />

Absolventengeneration der Stuttgarter Schule. Aufbauend auf<br />

den Reformbemühungen Theodor Fischers, war es Paul Bonatz,<br />

Paul Schmitthenner und Heinz Wetzel gelungen, einen der profi<br />

liertesten und einfl ußreichsten Architekturstudiengänge zu<br />

etablieren. 7 Zu den Grundpfeilern des didaktischen Programms<br />

gehörten das ‚typologische Entwerfen’ und die Werklehre. 8 Letztere<br />

war das „tragende Element“ 9 des Grundstudiums an der<br />

Technischen Hochschule in Stuttgart. Die von „akademischen<br />

Zöpfen des 19. Jahrhunderts“ 10 befreite Baukonstruktionslehre,<br />

so der Architekturhistoriker Wolfgang Voigt über „Schmitthenners<br />

Werklehre“, war strikt auf die Baupraxis ausgerichtet. In<br />

den Mittelpunkt wurde von Schmitthenner das Handwerk gerückt:<br />

„Der handwerkliche Vorgang beim Mauern, Zimmern,<br />

6 Sie erwarben zwischen 1920 und 1925 das Diplom an der Architekturabteilung<br />

der TH Stuttgart. Vgl. M. Freytag: Stuttgarter Schule<br />

für Architektur 1919 bis 1933. Versuch einer Bestandsaufnahme<br />

in Wort und Bild (ungedruckte Diss.), Stuttgart 1996<br />

7 Zuletzt dazu W. Voigt: Schmitthenners Werklehre und die Stuttgarter<br />

Schule, in: W. Voigt – H. Frank (Hg.): Paul Schmitthenner<br />

1884 - 1972, Berlin 2003, 27-46<br />

8 vgl. H. Frank: Heimatschutz und typologisches Entwerfen. Modernisierung<br />

und Tradition im Wiederaufbau von Ostpreußen 1915-1927,<br />

in: V. M. Lampugnani (Hg.): Moderne Architektur in Deutschland<br />

1900 bis 1950. Reform und Tradition, Stuttgart 1992, 126; vgl. W.<br />

Voigt: Die Stuttgarter Bauschule, in: O. Borst (Hg.): Das Dritte Reich<br />

in Baden und Württemberg, Stuttgart 1988, 250-271, hier 255<br />

9 Freytag 1996 (wie in Anm. 6), 71<br />

10 Voigt 1988 (wie in Anm. 8), 255; auch bei J. Joedicke: Die Stuttgarter<br />

Schule. Die Entwicklung der Architekturabteilung zwischen<br />

1918 und 1945, in: Festschrift zum 150-jährigen Bestehen der<br />

Universität Stuttgart, hrsg. von der Universität Stuttgart, Stuttgart<br />

1979, 438-451

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