carl christian friedrich von brockhausen - v. Bruchhausen
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Masséma zum Fürsten <strong>von</strong> Eßlingen ernannt. Bernadotte freilich, der Prinz <strong>von</strong><br />
PonteCorvo, ist in Ungnade gefallen. Die Eifersucht spielt hierbei eine Rolle. Man<br />
findet es geradezu gefährlich, ihm die Nationalgarden zu unterstellen, und hat ihn<br />
nach Deutschland zurückgerufen, wo man ihn für unschädlicher hält als inmitten<br />
<strong>von</strong> Frankreich. Ebenso ist die Ungnade des mit dem spanischen Abenteuer nicht<br />
einverstandenen, für die Befriedung Europas eintretenden Fürsten <strong>von</strong> Benevent<br />
eine völlige. Dagegen ist der König <strong>von</strong> Westphalen z.Zt. der Liebling Napoleons<br />
und wird am besten behandelt.<br />
Wenn auch ab und an Verstimmungen dieser oder jener Art eintreten, so<br />
erblicken doch alle Familienmitglieder in Napoleon den Führer und Urheber ihres<br />
Glücks und die festeste Grundlage desselben. Aus diesem Grunde wünschen sie<br />
auch dem Familienoberhaupte einen männlichen Nachkommen und betreiben<br />
daher zielbewußt die Scheidung Napoleons <strong>von</strong> Josephine. In der Tat fehlte dem<br />
Imperator zu seinem Glück ein Erbe, dem er seine gewaltige Machtfülle hinter-<br />
lassen könnte. Der Plan der Scheidung, schon früher einmal gefaßt, dann aber<br />
wieder aufgegeben, schien diesmal nun unwiderruflich festzustehen. Im Innern<br />
der Familie hatte es Sturm gegeben durch den lebhaften Widerstand Josephines,<br />
der allerdings jetzt als überwunden angesehen werden konnte. Sie hatte gebeten,<br />
in Frankreich, in Malmaison, bleiben zu dürfen, doch besorgte sie, daß diese Bitte<br />
nicht erhört werden würde 271) .<br />
Endlich trat das längst erwartete Ereignis ein. Am 16.12.1809 wurde die Ehe durch<br />
Senatsbeschluß geschieden. In der Familienversammlung vom 15.12. hatte<br />
Josephine die <strong>von</strong> ihr erwartete Erklärung verlesen wollen. Sie konnte die<br />
Verlesung nicht beenden, sie wurde unwohl und zog sich in ihre Gemächer<br />
zurück. Napoleon folgte ihr und blieb eine halbe Stunde bei ihr allein. Dann mußte<br />
der Erzkanzler die Verlesung beenden, da auch Napoleon vor großer Bewegung es<br />
nicht vermochte. Josephine hatte sich nach Malmaison, Napoleon nach Trianon<br />
zurückgezogen, <strong>von</strong> wo aus er sie mehrfach in Malmaison aufsuchte.<br />
Kardinäle und Erzbischöfe sind zusammengetreten, um über die geistliche Form<br />
der Scheidung zu beraten.<br />
Die Familie ist entzückt, da sie schon lange am Scheidungsplan arbeitete; sie hofft<br />
auf Heirat mit der Tochter Luciens. Auch die Trennung des Königs <strong>von</strong> Holland <strong>von</strong><br />
Hortense ist zu erwarten. So stehen sich die Familien Bonaparte und Beauharnais<br />
feindlich gegenüber. Nur Napoleon nimmt eine vermittelnde Stellung ein.<br />
Die große Frage war nur, wer an Stelle Josephines Kaiserin <strong>von</strong> Frankreich werden<br />
sollte. Es war ein offenes Geheimnis, daß Napoleon bereits mehrfach wegen Ver-<br />
mählung mit einer russischen Großfürstin Verhandlungen eingeleitet hatte. Man<br />
glaubte allgemein, daß Napoleon sich nunmehr um die Großfürstin Anna bemühe<br />
und mit Ungeduld eine Antwort aus Petersburg erwarte. Sollte diese bejahend<br />
ausfallen, so würde Jerome sich nach Petersburg begeben, um sich Anna „per<br />
prokurationem“ nach katholischem Ritus antrauen zu lassen. Angeblich soll aber<br />
die Kaiserinmutter dieser Heirat unüberwindlichen Widerstand entgegensetzen.<br />
Bemerkenswert ist ein Bericht, wonach Napoleon eine größere Anzahl <strong>von</strong> hohen<br />
Würdenträgern um ihre Meinung gefragt habe. Hierbei stimmten 6, darunter<br />
auch Benevent, für Marie Luise <strong>von</strong> Österreich, z.Zt. 19 Jahre alt, 3 für die<br />
Großfürstin Anna und einer für die unglückliche Auguste <strong>von</strong> Sachsen. Bei der<br />
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