Zwölf Messianische Psalmen erklärt. - Licht und Recht
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Psalm 40. 89<br />
phismus ward das A. T. in eine tief unter uns liegende Region des sich nun weit mehr entwickelt habenden<br />
religiösen Bewusstseins verwiesen. Dergleichen Ausdrücke seien antiquiert, ja unwürdig,<br />
wähnte man.<br />
Es sind nun aber doch einmal die von Gott gegebenen Gefühle der Barmherzigkeit <strong>und</strong> Liebe im<br />
Menschen lokalisiert. Die Eingeweide sind der Sitz der tiefinnersten Gefühle jetzt sowohl wie damals<br />
im Orient: wenn sie auch bei den Orientalen, als bei einem Volke des Südens, weit energischer<br />
auftraten, als bei uns. 56<br />
Hat nun Gott die Gefühle also lokalisiert – so sehe ich nichts Befremdliches darin, wenn man<br />
Gefühle der Liebe auf Seiten Gottes eben so ausdrückt: wenn man demnach auch von Eingeweiden<br />
Gottes redet. Besonders dem Orientalen lag diese Übertragung der menschlichen Medien der Gefühle<br />
auf Gott sehr nahe. Denn mit logischen Umschreibungen oder philosophisch adäquaten Benennungen<br />
eines Lebensprinzips, wie z. B. Liebe oder Barmherzigkeit, gibt er sich nicht ab. Und im<br />
Gr<strong>und</strong>e ist auch jede philosophisch adäquate Benennung eines tief im menschlichen Leben begründeten<br />
Gefühls frostig. Weiter ist zu sagen, dass ein solcher naturwüchsiger Ausdruck, wie hier Eingeweide<br />
weit mehr auf allgemeines Verständnis Anspruch machen kann. Denn er appelliert an das<br />
ges<strong>und</strong>e Gefühl aller Völker <strong>und</strong> aller Zeiten; zu solchem Ausdruck liegt der Kommentar schon im<br />
Innern eines jeglichen Menschen vor. Und wie man von Natur in völlig unmittelbarer Weise sich<br />
des Gefühls der Liebe <strong>und</strong> Barmherzigkeit bewusst ist, so sieht man auch am liebsten diese tiefinnerlichen<br />
Gefühle in Bildern ausgedruckt. Da ist nun die hebräische (<strong>und</strong> besonders die arabische)<br />
Sprache vor allen anderen ein getreuer Maler nach der Natur. Z. B. um bei dem Begriffe Liebe stehen<br />
zu bleiben, so malt ב`הא das Begehren nach Jemand hin; desgleichen liegt in ד`דdי „sich (in Liebe)<br />
über Jemand beugen“. 57<br />
Und wie der Hebräer seine Affekte naturgetreu lokalisierte, so leben <strong>und</strong> bewegen sich auch seine<br />
meisten Begriffe, die bei uns oft schon zu einem ganz toten, abstrakten Wort erstarrt sind. Wir<br />
haben hiervon noch im zweiten Hemistich des 12. Verses ein Beispiel. Die Gnade <strong>und</strong> B<strong>und</strong>estreue<br />
Gottes stellt sich der Psalmist als seine Hüter <strong>und</strong> Wächter vor. י[נורrצ[י] von ר`צ`נ, eigentlich nach dem<br />
Arab. „auf Einen sehen, ihn behüten“: sie werden als םי [רrצÉ נ um ihn sein, ganz ähnlich wie im davidischen<br />
Ps. 25,21. So heißt es Prov. 20,28, dass Gnade <strong>und</strong> Treue den König beschirmen, gleichsam<br />
wie Genien um ihn herum sind <strong>und</strong> ihn sichern vor des Volkes Widersetzlichkeit. Prov. 2,11 wird<br />
von der הdמ[זrמ <strong>und</strong> הdנובrת das Gleiche ausgesagt (vergl. auch Prov. 13,6; 20,28). Von hier aus können<br />
wir nun auch absehen, wie die Proverbia in Kap. 8 <strong>und</strong> Hiob in Kap. 28 dazu kamen, die „Weisheit<br />
Gottes“ ganz als Person darzustellen, die von Anfang an bei Gott war <strong>und</strong> als sein Schoßkind (ןומא)<br />
vor Ihm spielte, <strong>und</strong> wie Johannes 1,1 Christum das Wort nennen kann. Lebten in der Anschauung<br />
des Volkes Gottes die Eigenschaften Gottes einmal (wie es hier dargestellt wird), so kann auch der<br />
Sohn Gottes sich in eine solche lebendige Hülle, in die Weisheit kleiden, oder in das Wort; er kann<br />
sich Wort, Weisheit nennen lassen; wodurch zugleich sein Wesen doch auch möglichst adäquat bezeichnet<br />
ist. Wann solche Worte wie Weisheit, λόγος zu einer Person werden, <strong>und</strong> hinausgreifen.<br />
über die Personifikation – das muss freilich der Zusammenhang an die Hand geben <strong>und</strong> tut es auch.<br />
V. 13 wird durch י[כ der Gr<strong>und</strong> eingefühlt, warum Er solcher Bewahrung bedürfe.<br />
56 So sind auch bei den Arabern die Eingeweide ein Ort schmerzlicher Affizierung (s. de Sacy Chr. ar. I, p. 176). Auch<br />
im Klassischen sind die Eingeweide Sitz der Affekte, z. B. des Unwillens (Arist. Ran. 1004); <strong>und</strong> des Mitleids<br />
(Aesch. Choephoren 407). Lk. 1,78 <strong>und</strong> Phil. 1,8 schreiben Gotte <strong>und</strong> dem erhöhten Christus Eingeweide zu. Der<br />
Besuch des Aufgangs aus der Höhe ist veranlasst durch die Eingeweide Gottes, gründet in ihrer liebeheißen Bewegung<br />
<strong>und</strong> Erregung für uns Menschen.<br />
57 Schultens <strong>und</strong> seine Schule haben treffliche Beiträge zur Aufhellung dieser Naturmalerei der hebräischen Sprache<br />
geliefert. Schaltens wies meist als Gr<strong>und</strong>bedeutung der Wörter eine sinnliche Bedeutung nach; er ist auch immer<br />
sehr beachtenswert.