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Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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dementsprechend keine Möglichkeiten, den Angriffen der imperialistischen<br />

Mächte Europas und Amerikas standzuhalten. Nach einer<br />

langen Reihe von Niederlagen und Demütigungen setzte sich die Einsicht<br />

durch, daß der mathematisch-naturwissenschaftliche Unterricht<br />

um der eigenen Verteidigung willen stark erweitert und an<br />

westliche Vorbilder angepaßt werden sollte. Der Widerstand der<br />

Konservativen, die Bildung mit Literatur, Philosophie, Kunst, Musik<br />

gleichsetzten, war außerordentlich stark und blieb bis in die Mitte<br />

des 20. Jahrhunderts hinein wirksam.<br />

Die Wendung zum Westen hin bedeutete bis 1949 Ausrichtung an<br />

den USA: amerikanische Bücher wurden übersetzt, amerikanische<br />

Lehrer eingestellt, junge Chinesen zum Studium nach Amerika geschickt<br />

(146). Natürlich waren die Reformbestrebungen nur in den<br />

großen Städten spürbar und auch hier jedem Zufall ausgesetzt,<br />

denn das Land hatte bis zum Sieg der Revolution andere Sorgen<br />

als die Auseinandersetzung um den Platz der Mathematik in der<br />

Schule.<br />

Nach 1949 gewannen die Sowjets auch <strong>auf</strong> pädagogischem Gebiet<br />

maßgeblichen Einfluß. Sowjetische Lehrbücher wurden übersetzt<br />

bzw. bearbeitet, die Curricula entsprechend festgelegt. Das Programm<br />

1956/57 <strong>für</strong> die 7.—12. Klasse der Einheitsschule, abgedruckt<br />

<strong>auf</strong> S. 334—344, grenzt den Unterrichtsstoff eng ab: keine Differential-<br />

und Integralrechnung und sehr wenig analytische Geometrie.<br />

Aber auch derartige Beschränkungen konnten nicht darüber hinweghelfen,<br />

daß es an Lehrern, Schulen und eigentlich an allem fehlte.<br />

Ein Weg, trotz dieser Engpässe schnell ein hohes wissenschaftlichtechnisches<br />

Niveau zu erreichen, schien zunächst die Förderung von<br />

Sonderbegabungen zu sein. Mathematische Olympiaden wurden <strong>auf</strong><br />

Anraten der Sowjets eingerichtet und fanden erstmalig 1956 und<br />

letztmalig 1964 statt (246 ff.). Einige Aufgaben der Pekinger Olympiade<br />

von 1963 findet man in einem Anhang (348 ff.): sie sind genauso<br />

trickreich wie bei ähnlichen europäischen Wettbewerben.<br />

Nach dem Bruch mit der Sowjetunion wurde diese Politik zunehmend<br />

in Frage gestellt und ging dann während der Kulturrevolution<br />

endgültig unter. Heute ist das Mathematik-Curriculum weitaus<br />

bescheidener als in den 50er Jahren und zielt eher <strong>auf</strong> Breitenwirkung<br />

ab (204 f., 302 ff.). Mathematik wird nicht als abstrakte<br />

Disziplin, sondern jeweils von praktischen Aufgaben ausgehend vermittelt.<br />

Wie unter diesen Bedingungen der Nachwuchs an Mathematikern,<br />

Physikern, Chemikern, Ingenieuren gesichert wird, ist nicht<br />

bekannt. Überhaupt soll seit der Kulturrevolution recht wenig Informationsmaterial<br />

zugänglich sein. Daran mag es liegen, daß Swetz<br />

nur sehr knapp über die letzten Jahre berichtet. Die Problematik<br />

„Eliten züchten / die Massen erziehen" ist ihm fremd. Die fragliche<br />

Auseinandersetzung erwähnt er beiläufig und verständnislos. Ansonsten<br />

muß man anerkennen, daß er eine genaue und sorgfältige<br />

Arbeit vorgelegt hat. Wer Namen, Daten, Buchtitel, Curricula, Stundenpläne,<br />

Schulstatistiken sucht, kommt hier voll <strong>auf</strong> seine Kosten.<br />

Gianfranco Accardo (Berlin/West)<br />

DAS ARGUMENT 94/1975 ©

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