Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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1,1046 Besprechungen<br />
sozialökonomischen Verhältnissen der vorrevolutionären Epoche herausgegeben,<br />
die über den Rang von Außenseiterstudien hinausreicht.<br />
Die Tatsache, daß bekannte „Größen" der westdeutschen Rußlandforschung<br />
wie Günther Stökl, Georg von Rauch und Peter Scheibert<br />
in dem Band mit keinem Beitrag vertreten sind, ist insofern konsequent,<br />
als diese weitestgehend politischer und Ideengeschichtsschreibung<br />
im Zeichen des rigorosen Antikommunismus verhaftet sind,<br />
und darf als Absage an bestimmende Traditionen westdeutscher Ostforschung<br />
gewertet werden. In der Einleitung heißt es: „.Rußland<br />
und Europa' standen als inkompatible Größen einander gegenüber.<br />
Diese Philosophie nährte sich von methodologisch unzulänglichen Interpretationen,<br />
die zumeist aus geistes- oder machtgeschichtlichen<br />
Betrachtungsweisen kamen. Bolschewismus und Sowjetsystem erschienen<br />
als Quintessenz russischer Geschichte, als Pseudomorphose<br />
des alten Moskowitertums, als Verlängerung einer <strong>auf</strong> europafernen<br />
Wurzeln ruhenden .orientalischen Despotie' in die Gegenwart des<br />
modernen ,Totalitarismus'. Auch neomarxistische Auffassungen, die<br />
im Kreml von heute ,die neuen Zaren' wirken sehen, stehen solchen<br />
Stereotypen mitunter niGht sehr fern. Daß derlei Klischees, jedenfalls<br />
in der historischen Forschung, nicht länger dominieren, mag dieser<br />
Band beweisen (9 f.)." Einer breiteren wissenschaftlichen Information<br />
kommt die Aufnahme von fünf sowjetischen Beiträgen zugute, die<br />
früher einem grobschlächtigen Antikommunismus zum Opfer gefallen<br />
wären.<br />
Der Band gliedert sich in drei Teile; der erste befaßt sich mit<br />
„Sozialverfassung und Ökonomie in der Leibeigenschaftsperiode",<br />
der zweite mit „Agrarfrage und Industrialisierung 1861—1914", zum<br />
Schluß werden „Aspekte sozialer Revolutionierung vor 1914" thematisiert.<br />
Die sowjetischen Beiträge stellen durchweg Auszüge aus Standardwerken<br />
anerkannter Historiker dar; eine Ausnahme bildet der Aufsatz<br />
von V. I. Bovykin über Probleme der industriellen Entwicklung,<br />
dem ein Vortragsmanuskript von der ersten westdeutsch-sowjetischen<br />
Historikerkonferenz 1973 zugrunde liegt. Sie sind demzufolge<br />
im wesentlichen <strong>für</strong> den des Russischen unkundigen Leser wertvoll.<br />
Die geringe Beschäftigung mit russischer Sozialgeschichte in der BRD<br />
wird markiert durch nur vier westdeutsche Autoren (D. Geyer,<br />
J. Nötzold, B. Bonwetsch, M. Hildermeier) mit z. T. alten, z. T. peri- '<br />
phere Themen behandelnden Arbeiten. Zu speziell ist auch ein Beitrag<br />
über den Analphabetismus (G. Guroff/S. F. Starr), wohingegen<br />
der Bericht von R. Portal über „Die russische Industrie am Vorabend<br />
der Bauernbefreiung" informativer ist. Die Unzulänglichkeit bürgerlicher<br />
Wachstumsmodelle <strong>für</strong> historische Untersuchungen demonstriert<br />
unfreiwillig Paul Gregory. Er will Ähnlichkeiten der russi-.<br />
sehen Entwicklung mit der fortgeschrittener Länder anhand von<br />
Wachstumsindices, wie sie von Simon Kuznets <strong>auf</strong>gestellt wurden,<br />
überprüfen, wiederholt dabei aber nur im schlechten Sinne „quantifizierend"<br />
bereits bekannte Zahlen und weitgehend akzeptierte Ergebnisse.<br />
Unbefriedigend ist auch der Aufsatz von Harry T. Willetts<br />
DAS ARGUMENT 94/1975 ©