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Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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1,1016 Besprechungen<br />

reich (und Deutschland) nach Watt „die Beziehung zwischen Literatur<br />

und Leben im Roman das ganze 18. Jh. hindurch weit distanzierter<br />

und formaler" geblieben ist (352), drängt den Vergleich mit der „gesellschaftliche<br />

(n) und literarische(n) Machtposition ... die der englische<br />

Mittelstand bereits ... in der Glorreichen Revolution von 1689<br />

erlangte" (353 f.), nachdrücklich <strong>auf</strong>.<br />

Mit der Einordnung von Fieldings Romanen scheint Watt allerdings<br />

Schwierigkeiten zu haben. Bereits im Vorwort meint er halb<br />

entschuldigend „... bedauerlicherweise ist meine Behandlung Fieldings<br />

weniger umfangreich als die von Defoe und Richardson — da<br />

zu seiner Zeit die meisten Elemente des neuen Romans bereits entwickelt<br />

waren, schien es nicht notwendig, über eine Analyse der<br />

Verknüpfung dieser neuen Elemente mit der klassischen Tradition<br />

hinauszugehen." Die Beschränkung <strong>auf</strong> eine wesentlich formalästhetische<br />

Untersuchung (280—340) der Fieldingschen Konzeption eines<br />

modernen komischen Epos vernachlässigt jedoch die Untersuchung<br />

wirkungsästhetischer Aspekte seines Werks. Zu behaupten, Fieldings<br />

Romane hätten „ihre Wurzeln nicht so sehr in gesellschaftlichen Veränderungen<br />

... als vielmehr in der neoklassizistischen Tradition",<br />

erscheint ungerechtfertigt. Gerade die meisterliche Handhabung der<br />

Fabel, <strong>auf</strong> die Watt hinweist (315), prädestiniert Fielding in einem<br />

sehr viel weiteren, kollektiveren Sinne als Richardson und Defoe<br />

zum Gesellschaftskritiker seiner Zeit. Der durch die komische Verfremdung<br />

garantierte Abstand zu seinen Romanfiguren ermöglicht<br />

ihm ein objektiveres Urteil über die Aktivitäten seiner Charaktere<br />

im gesellschaftlichen Raum; denn Tom Jones und die Seinen sind ja<br />

nicht, wie Richardsons Figuren, Gegenstand psychologischer Analyse,<br />

sondern „Instrumente" in der Hand des Autors zur <strong>kritische</strong>n Indikation<br />

gesellschaftlicher Verhaltensweisen. Wenn Watt in ,Tom Jones'<br />

nur die „erfolgreiche Anpassung des Einzelnen an die Gesellschaft"<br />

(317) erkennt, dann vernachlässigt er die Absicht Fieldings,<br />

„die Wirksamkeit der universalen Ordnung <strong>auf</strong> dem menschlichen<br />

Schauplatz sichtbar zu machen" (318), „not men, but manners, not<br />

an individual, but a species" darzustellen. Aber Watt sagt das ja<br />

alles, nur wirkt die Arbeit hier ein wenig konfus und widersprüchlich.<br />

Das gleiche gilt auch <strong>für</strong> das abschließende Kapitel („Realismus und<br />

die spätere Tradition der Gattung", (341—55), in dem er wieder den<br />

Begriff der Gesellschaftlichkeit zu ausschließlich <strong>auf</strong>faßt als formales<br />

Vermögen einer im Grunde vorherrschenden Richtung des psychologischen<br />

Romans, aus dessen Tradition „einige der bedeutendsten<br />

Beiträge nicht nur zur Entwicklung der Möglichkeiten der Form<br />

Realismus, sondern auch zur Schilderung der Gesellschaft gekommen<br />

sind" (348). — Doch selbst die partielle Voreingenommenheit Ian<br />

Watts gegenüber der Fieldingschen Romankonzeption verringert<br />

kaum die Bedeutung seiner literatursoziologisch und methodisch so<br />

gründlichen und dennoch äußerst lesbaren Arbeit, als einem der<br />

wichtigsten Beiträge zur frühen Entwicklungsgeschichte des modernen<br />

Romans.<br />

Hagal Mengel (Belfast)<br />

DAS ARGUMENT 94/1975 ©

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